Aus der Geschichte des Greizer Lichtspieltheaterwesens

Lebende, sprechende und singende Photographien


GREIZ. Seit dem 9.9. 1999 gibt es das Kinocenter UT99 – ein modernes 4-Säle-Center in der Innenstadt, das über 525 komfortable Sitzplätze verfügt und mit modernster Film- und Tonwiedergabetechnik ausgerüstet ist. 1997 fand in den alten UT-Lichtspielen in der Thomasstraße mit Evita die letzte Vorstellung statt. Die Stadt Greiz erwarb das Gebäude, da seinerzeit die UFA keinerlei Ambitionen zeigte, ein neues Kino in Greiz betreiben zu wollen. Das marode Haus wurde abgerissen und so entstand nach anderthalb Jahren Bauzeit und einer 12-Millionen-DM-Investition das UT99-Kinocenter. Als Investor fungierte die Kommune, die es seither mit der Kino-Passagen-Beteiligungs-GmbH & Co. KG, einer Tochter der städtischen Wohnungsbaugesellschaft betreibt.
Dies gehört zur neueren Geschichte des Greizer Kinos. Doch die eigentliche Historie geht bis in das Jahr 1907 zurück.
Ein Artikel aus der Greizer Stadt-Zeitung des Jahres 1937 gibt hierüber Auskunft.
Der Greizer Lichtspieltheaterbesitzer Willy Poser konnte am 21. Oktober 1937 auf eine dreißigjährige Berufsstätigkeit zurückblicken. Poser galt als heimischer Filmpionier, der die Entwicklung des Kinowesens vom Edison-Kinematograph zum modernen Greizer Lichtspieltheater nachhaltig prägte. In einem Interview berichtete Willy Poser über die Anfänge in Greiz.
Am 4. Oktober 1907 habe sich in Greiz das erste Kino aufgetan. Wie es damals üblich war, natürlich unter dem hochtrabenden Namen Edison-Kinematograph, Theater lebender, sprechender und singender Photographien. Es befand sich damals am Ernst-Arnold-Platz 14, später Kaufhaus Modes Nachf. (heute ehem. Storg-Kaufhaus/Puschkinplatz,d.V.) und erregte mit Recht in der Bürgerwelt der Fürstlichen Residenzstadt Greiz Sensation, wie Poser sagte. Der Besitzer war der Inhaber des Musikhauses Schulz in Zwickau. Willy Poser selbst arbeitete dort als Biletteur, also an der Kasse. Das Kino hatte kaum 100 Plätze, von denen die Logen aus Holzbänken mit übergelegten Plüschtüchern, der erste Rang aus Rohrstühlen und der zweite aus einfachen, lehnenlosen Holzpritschen bestanden. Immerhin sei es für Greiz ein bedeutsames Ereignis gewesen, nunmehr ein ständiges Kino hier zu haben, das mit ununterbrochenen Vorstellungen von vier bis zehn Uhr bei hochinteressantem Programm und vornehmer Einrichtung aufwartete.

Es wurden da die Filme damals kaum eine Länge von 60 Metern hatten und mit der Hand durch den mit Kalklicht versehenen Apparat gedreht werden mussten zu einer einzigen Vorstellung 6 bis zehn Filme gezeigt, deren Titel auch dem Inhalt entsprachen: Das wunderbare Bienenhaus herrlich koloriert oder Der Chauffeur als Anfänger komisch. Auch Die bestürmte Droschke sehr komisch und Des Kindes Rache ein herrliches Drama standen auf dem Spielplan. Natürlich gab es auch schon Musik zu den Filmen, eine Art Tonfilm, indem man mit Hilfe eines Grammophons die Musikplatten ablaufen ließ.
Nachdem das Kino aufgrund der Typhus-Epidemie im Jahr 1908 vorübergehend geschlossen werden musste und zudem den Besitzer wechselte, entstand nach dem Brand im Jahre 1909 im Gebäude der Adler-Apotheke am Markt das Cinophon-Theater oder wie es bald hieß, das Residenz-Theater, das schon wesentlich größer und moderner und mit 135 Plätzen angelegt war. Hier war Willy Poser als Film-Erklärer tätig; als der Filmvorführer starb, ab 1912 auch in dieser Position.
Das Kino selbst gehörte dem Artisten Hans Bauer aus Altenburg, der eine Anzahl von Wanderkinos hatte. Schmunzelnd erinnerte sich Willy Poser an die Aufführung eines Films über den Untergang der Titanic, der wegen allzu starken Zudrangs zeitweilig das Eingreifen der Polizei erforderlich machte.
Bei diesem einen Kino blieb es aber in einer Stadt mit fast 20000 Einwohnern nicht. 1913 wurde ein zweites eröffnet. Die Brückenlichtspiele in der Greizer Brückenstraße gehörten Willy Poser. Währenddessen wurde auch in der Hohen Gasse in Gollas Lokal ein Kino mit dem Namen Der Weltspiegel präsentiert. Dieses Haus kaufte der inzwischen auf eine reichhaltige Praxis zurückblickende Willy Poser im Jahre 1914 und baute es mit 235 Plätzen aus.
Hier liefen die ersten sensationellen Henny-Porten-Filme, natürlich auch Wildwest-Streifen, während des Ersten Weltkrieges auch die Deutsche Wochenschau. Die ersten UFA-Filme wurden hier ebenfalls aufgeführt.
Im Jahr 1920 gab Willy Poser dieses Lichtspielhaus in der Hohen Gasse auf, um in der Thomasstraße ein ganz neues Theater einzurichten. Das Gebäude wurde innen komplett umgestaltet und erhielt einen großen Zuschauerraum. So schließt sich der Kreis zu den UT-Lichtspielen, die bis in das Jahr 1997 hier ihr Domizil hatten.
Weitere Etappen im Kinowesen der Stadt Greiz waren zudem die vorübergehende Einrichtung des Kinos Weiße Wand in der Gaststätte Erbprinz in Aubachtal, das im Jahr 1931 endglültig einging, so Willy Poser.
Im Oktober 1930 hielt der Tonfilm in Greiz Einzug und begann seinen Siegeslauf.
Die Einrichtung des Tivoli-Tonfilm-Theaters im Jahre 1930, die mit der Sicherung und kulturell-wirtschaftlichen Neugestaltung des deutschen Lichtspieltheater-und Filmwesens einherging, läutete dann die wohl schrecklichste Zeit in der Geschichte Deutschlands ein.

Antje-Gesine Marsch @08.01.2013