Greizer Heimatbote Juni 1962

Kulturspiegel für den Kreis Greiz
INHALT Juni 1962

Greizer Heimatbote Juni 1962
Die Hohndorfer Höhe mit Markt und Schule in Elsterberg
Foto: Zierdt
– Beim Kulturbund notiert
– Neue Mitglieder des DKB
– Zur Jahreshauptversammlung des Klubs „Alexander von Humboldt“
– Arbeitsentschließung der Ortsgruppe Greiz des DKB
– Vom Leninpark und seinem Gartenmeister
– Zum Tag des Lehrers
– Wieder Jugendherbergsleben in Greiz
– Hinweise für die praktische Naturschutzarbeit
– Schönfeld erhält eine eigene Schule
– Zur Geschichte der Obergreizer Orangerie
– Bekanntmachung der Natur- und Heimatfreunde
– Wie Greiz sich Anno 1770 gegen Seuchen wehrte
– Wider eine alte Trägheit
– Zur Uraufführung der Oper „Dorian Gray“
– Unsere größten Talsperren
– Sommerwetter zu Ostern

„Heimatbote“ — Kulturspiegel für den Kreis Greiz, VIII. Jahrgang – Juni 1962 – Heft 6, herausgegeben von der Kreisleitung Greiz des Deutschen Kultur-
bundes in Verbindung mit dem Rat der Stadt Greiz, Abteilung Kultur. — Druck: Vereinsbuchdruckerei Greiz. ML G 9/62 2783. Preis: DM 0,30. Preisbewilligung Vlg. Nr. 79/56. Anschrift des
Redaktionskollegiums Greiz, Rosa-Luxemburg-Straße 58

Beim Kulturbund notiert
Höhepunkte im Verlauf eines Jahres in der Arbeit des Deutschen Kulturbundes sind die Jahreshauptversammlungen und die Kreisdelegiertenkonferenz.
Bisher fanden die Versammlungen der Ortsgruppe Berga, Teichwolframsdorf, Greiz und Elsterberg statt. Für alle Bundesfreunde der Ortsgruppe Greiz wurde die Arbeitsentschließung im vorliegenden „Heimatboten“ abgedruckt. Nachdem auch der Klub „Alexander von Humboldt“ am 2. Juni seine Jahreshauptversammlung durchführen wird, kann die Kreisdelegiertenkonferenz am 30. Juni stattfinden.
Treffpunkt der Schachfreunde, das ist eine seit Mai in das Klubprogramm aufgenommene regelmäßige zwangslose Zusammenkunft der Schachinteressenten. Freunde des Schachklubs Greiz unter der Leitung des Sportfreundes Geipel sind dabei anwesend, um uns Anregungen und Unterstützung zu geben. U. a. sind in der nächsten Zeit kleine Wettkämpfe und Simultanspiele vorgesehen. Alle Klubfreunde, Mitglieder des DKB und alle Interessenten laden wir für die nächsten Schachabende (13. und 27. 6.) herzlich ein.
Seine erste Fotoausstellung führte der Fotozirkel Teichwolframsdorf im Kulturhaus durch. Die Ausstellung wurde von 230 Interessenten besucht.

Deutscher Kulturbund
Ortsgruppe Elsterberg
Arbeitsplan für den Monat Juni 1962
Der Monat Juni ist den NAW-Arbeiten gewidmet. Die Termine und Objekte werden rechtzeitig in den Schaukästen bekannt gegeben.
24. 6. Wanderung der Oelsnitzer Wanderfreunde anläßlich des Bezirkswandertages des Bezirkes Karl-Marx- Stadt nach dem Kuhberg b. Netzschkau. Führung: Bfrd. Kurt Zaumseil.

Als neue Mitglieder des Deutschen Kulturbundes begrüßen wir:
Ortsgruppe Greiz
Frl. Pia Monika Jähnig
Herrn Georg Czekalla
Herrn Klaus Schöppe
Herrn Heinz Pötsche
Ortsgruppe Teichwolframsdorf
Frau Erika Herrmann
Herrn Horst Hallbauer
Klub „Alexander von Humboldt“
Herrn Eduard Willms

Die geschichtliche Aufgabe der Deutschen Demokratischen Republik und die Zukunft Deutschlands
zur Jahreshauphiersammlung des Klubs „Alexander von Humboldt“

Das Dokument des Nationalrates „Die geschichtliche Aufgabe der Deutschen Demokratischen Republik und die Zukunft Deutschlands“ enthält eine exakte und wissenschaftlich begründete Analyse der Grundfragen der Geschichte unseres Volkes in den letzten hundert Jahren. Eindeutig beweist das Dokument nochmals die verbrecherische antinationale Politik der westdeutschen Bourgeoisie, und ebenso eindeutig wird die moralische, rechtliche und politische Stellung der DDR als einzig rechtmäßiger deutscher Staat dargelegt.
Es ist nun notwendig, dieses Dokument dem ganzen deutschen Volke zur Aussprache zu unterbreiten. Es wird nicht zuletzt Aufgabe des Klubs „Alexander von Humboldt“ sein, anhand der Grundgedanken des Dokumentes mit den Angehörigen der Intelligenz unseres Kreises Aussprachemöglichkeiten zu schaffen, um jeden Angehörigen der Intelligenz anzuregen, sein Denken und Handeln zu überprüfen.
Diese Aussprachen und das Studium des Nationalen Dokumentes können nicht nur allgemeinen oder informatorischen Charakter haben, sie müssen zu Konsequenzen führen für unsere tägliche Arbeit. Es muß zur patriotischen Pflicht eines jeden Menschen gehören, alle seine Kräfte für die Sicherung des Friedens und die Lösung der geschichtlichen Aufgabe der DDR einzusetzen.
Für die Klubleitung wird es notwendig sein, alle in Vorbereitung des neuen Klubjahres durchzuführenden Aufgaben — wie Herbeiführung einer stärkeren Aktivität aller Klubmitglieder, stärkere Einbeziehung der Frauen in das Klubleben, bessere Unterstützung der jungen Intelligenz, stärkere Betonung der technischen und technologischen Gebiete im Klubprogramm, qualifiziertere Leitungstätigkeit — im Sinne des Dokumentes zur Lösung zu bringen.
Die Aussprachen in unserem Klub „Alexander von Humboldt“ zum Nationalen Dokument haben begonnen. Sie werden verstärkt in den nächsten Wochen und Monaten durchgeführt werden. Wir dürfen dabei auch nicht vergessen, daß die Hauptvoraussetzung für die Wiedervereinigung Deutschlands darin besteht, daß auch in Westdeutschland die Friedenskräfte den Imperialismus überwinden und die Ideologie des Antikommunismus in allen Schichten der westdeutschen Bevölkerung bekämpft wird. Dazu ist es notwendig, daß jeder in seinen persönlichen Beziehungen als auch unser Klub jede Gelegenheit benutzt, um im Sinne des Nationalen Dokumentes über die Grenzen unserer Republik hinaus zu wirken.
Karl Hackel
Verdienter Lehrer des Volkes
Direktor der Ing.-Schule für Bauwesen Greiz

Niemals wieder — das steht unverrückbar fest — werden die Kräfte der Vergangenheit von ganz Deutschland Besitz ergreifen. Das ist für immer vorbei! Es gibt keine Kraft in der Welt, die imstande wäre, die fest im sozialistischen Lager stehende Deutsche Demokratische Republik aus den Angeln zu heben. Die Zukunft — und das nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt — gehört dem Frieden und dem Sozialismus.
(Aus dem Nationalen Dokument „Die geschichtliche Aufgabe der Deutschen Demokratischen Republik und die Zukunft Deutschlands“)

Arbeitsentschließung
der Ortsgruppe Greiz des Deutschen Kulturbundes zur Jahreshauptversammlung am 5. 5. 1962

„Ganz Deutschland soll ein reiches und blühendes Land der friedlichen Arbeit werden!“ Diese hohe Aufgabe, die uns das Dokument „Die geschichtliche Aufgabe der Deutschen Demokratischen Republik und die Zukunft Deutschlands“ stellt, befähigt und verpflichtet auch uns als Mitglieder des Deutschen Kulturbundes zu noch besserer und noch wirkungsvollerer Arbeit auf kulturpolitischem Gebiet. Es kommt deshalb in den nächsten Wochen und Monaten darauf an, das Nationale Dokument in unseren Arbeitsgemeinschaften, Fachgruppen und Zirkeln nicht nur zur Diskussion zu stellen, sondern zu durchdenken und konkret auf unsere kulturpolitische Arbeit anzuwenden. So gibt z. B. das Dokument unseren Heimathistorikern und unseren Briefmarkenfreunden hervorragende Hinweise zur Gestaltung von Gruppenabenden und zum Aufbau von historischen Briefmarkenobjekten.
Wir können aber nur dann zur politischen Bewußtseinsbildung unserer Mitglieder und aller kulturell interessierten Bürger unserer Stadt beitragen, wenn wir aus der Enge unserer eigenen Organisation herauskommen und zu neuen Formen und Methoden der kulturellen Arbeit übergehen. Unsere nächsten und wichtigsten Aufgaben sind deshalb:

1. Mitarbeit am Perspektivplan für die kulturelle Entwicklung der Stadt Greiz bis zum Jahre 1965
Unsere Stadt wird im Jahre 1964 mit zu den Festspielorten der Arbeiterfestspiele im Bezirk Gera gehören. Es ist deshalb hohe Zeit, in allen Bereichen des kulturellen Lebens den Stand der Kulturarbeit zu überprüfen und die wichtigsten und vordringlichsten Maßnahmen im Perspektivplan für die kulturelle Entwicklung bis zum Jahre 1965 aufzunehmen. Alle unsere Mitglieder, vor allem unsere Bundesfreunde in den kulturellen Einrichtungen und Betrieben werden aufgerufen, durch ihre Vorschläge zur Erarbeitung des Perspektivplanes beizutragen und schließlich bei der Diskussion in den Wohnbezirksausschüssen der Nationalen Front beispielgebend mitzuwirken.
Der ständigen Kommission für Kultur beim Rat des Kreises wird empfohlen, dem Kreistag eine Beschlußvorlage zuzuleiten, in der Maßnahmen zu einer besseren Koordinierung der kulturellen Veranstaltungen vorgeschlagen werden. Alle als Veranstalter auftretenden Organisationen und Institutionen sollen darin aufgefordert werden, in ihrem eigenen Interesse alle geplanten Veranstaltungen zwecks Koordinierung bei den zuständigen Räten der Städte anzumelden.

2. Zur Arbeit in den Wohngebieten
Die neue Ortsleitung wird verpflichtet, die Bevölkerungsumfrage, die vor wenigen Wochen im Bereich des Leitkulturzentrums Greiz-Neustadt durchgeführt wurde, in einer ihrer nächsten Beratungen gründlich auszuwerten und Festlegungen zu treffen, wie bestimmte Wünsche der Bevölkerung nach kultureller Betätigung bzw. bestimmten Veranstaltungen möglichst schnell und kontinuierlich verwirklicht werden können. Vor allem sind die im Bereich der Neustadt wohnenden Bundesfreunde zur Mitarbeit im Kulturzentrum zu gewinnen. Weiterhin wird die Ortsleitung beauftragt, in Zusammenhang mit dem Aktiv für Klubarbeit der Ständigen Kommission für kulturelle Massenarbeit zu beraten, in welchen Wohngebieten der Stadt Voraussetzungen für die Schaffung weiterer kultureller Zentren bestehen und welche Hilfe die Arbeitsgemeinschaften und Zirkel dabei geben können.

3. Zur Arbeit unserer Arbeitsgemeinschaften, Fachgruppen und Zirkel
Für die Arbeit unserer Arbeitsgemeinschaften, Fachgruppen und Zirkel geben das Nationale Dokument und der Volkswirtschaftsplan wertvolle Anregungen zum Handeln. Unsere Bundesfreunde in den einzelnen Sektionen sollen das Nationale Dokument als ein auch für ihre Arbeit verbindliches Lehrbuch betrachten. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, daß sie ihr Steckenpferd nicht nur in der Stille eines Klubraumes oder Vereinszimmers pflegen, sondern die Türen zu ihren Veranstaltungen auch für andere interessierte Bürger, die noch nicht Mitglied unserer Organisation sind, weit offenhalten; daß sie alle Möglichkeiten nutzen, ein reges, interessantes geistiges Leben zu pflegen, unsere Heimat schöner zu gestalten und nicht zuletzt unsere Republik ökonomisch zu stärken. Für unsere Natur- und Heimatfreunde bleibt die Aufgabe bestehen, ihre organisatorische Struktur zu festigen und den Entwurf einer Broschüre über die Natur-, Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Greiz zu erarbeiten. Die Vorträge und Wanderungen, vor allem die Führungen durch unseren schönen Leninpark, müssen mehr als bisher bekanntgemacht werden, um breite Kreise der Bevölkerung für die Teilnahme zu gewinnen.
Bei der Umfrage im Bereich des Kulturzentrums Greiz-Neustadt meldeten sich zahlreiche Interessenten für eine Arbeitsgemeinschaft Fotografie. Dem steht das unbefriedigende Ergebnis der Greizer Einsendungen zur Kreisfotoschau gegenüber. Die Ortsleitung und die Kreiskommisson Fotografie müssen deshalb sehr bald Voraussetzungen für eine regelmäßige Arbeit der Fotofreunde schaffen.

4. Zur Weiterführung des Volkskunstwettbewerbes
Durch die Anleitung und Unterstützung zahlreicher Mitglieder unserer Ortsgruppe hat das Volkskunstschaffen im Stadt- und Kreisgebiet einen großen Aufschwung genommen. Es kommt nunmehr darauf an, die guten Erfolge auf dem Bitterfelder Weg auszunutzen und die Bürger, die in diesem Jahre erstmalig mit ihren Leistungen an die Öffentlichkeit traten, zur ständigen Mitarbeit in Zirkeln und Arbeitsgemeinschaften zu gewinnen.
In Zusammenarbeit mit dem Kreiskabinett für Kulturarbeit sollen im Klub „Alexander von Humboldt“ regelmäßig Aussprachen ‚mit allen Volkskunstschaffenden durchgeführt werden.

5. Zur Vortrags- und Veranstaltungstätigkeit
Der regen geistigen Auseinandersetzung über unsere nationalen und kulturellen Probleme kommt in der nächsten Zeit eine ganz besondere Bedeutung zu. Die Ortsleitung wird deshalb verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, das möglichst viele Bundesfreunde am monatlichen Kulturgespräch bzw. am Philosophischen Gespräch mit Bundesfreund Georg Zanke im Klub „Alexander von Humboldt“ teilnehmen. Bei den Lichtbildervorträgen gilt es, mehr Wert auf die Qualität der Aussage der Referenten zu legen. Neben der Fortsetzung der kultur- und kunstgeschichtlichen Vortragsreihe sind Probleme der Literatur, der Musik, des Theaters und des Films mehr als bisher zu behandeln.

6. Zur Leitungstätigkeit
Die Leitungstätigkeit muß weiterhin verbessert werden. Es kommt darauf an, den Kontakt zu den einzelnen kleinen Gruppen der Natur- und Heimatfreunde wesentlich zu verbessern. Der im letzten Jahr beschrittene Weg, einzelne Bundesfreunde der Ortsleitung mit bestimmten Aufgaben zu betreuen, hat sich als richtig erwiesen. Es ist eine vordringliche Aufgabe, weiterhin jüngere Mitglieder unserer Organisation zur aktiven Mitarbeit heranzuziehen. Die bisherigen Erfolge in der Mitgliederwerbung einzelner Bundesfreunde müssen Ansporn für alle Mitglieder sein, aktiver und systematischer neue Freunde für unsere Organisation zu werben.

Die Zusammenarbeit mit dem Kreissekretariat und den Paten der Kreisleitung des Deutschen Kulturbundes ist kontinuierlich zu verbessern.
Alle Arbeitsgemeinschaften und Zirkel im Bereich der Ortsgruppe Greiz erhalten die Aufgabe, die Jahreshauptversammlung in einer der nächsten Zusammenkünfte auszuwerten und die Forderungen der Arbeitsentschließung in ihre Arbeitspläne aufzunehmen. (Die Arbeitsentschließung wurde einstimmig von den Delegierten beschlossen).

DR. FRANZ HAUSCHILD
Vom Lenin Park und seinem Gartenmeister
Zum 50. Geburtstag von Willi Zeiss

Greizer Heimatbote Juni 1962
Vom Lenin Park und seinem Gartenmeister Willi Zeiss
Inmitten seines Paradieses, des im schönsten Schmuck des Frühlings prangenden Greizer Lenin-Parks treffen wir ihn: Gartenmeister Willi Z e i s s, der am 29. Juni sein 50. Lebensjahr vollenden kann. Aufgeschlossen und doch bescheiden, wie man ihn kennt, erinnert er bei seiner Arbeit unmerklich an all‘ das, was mancher Parkbesucher aus Nah oder Fern gern übersieht: wie viel echter Idealismus und unermüdliche Einsatzfreude dazugehören, um dieses ja weit über unsere Republik hinaus bekannte, einzigartige Gartenkunstwerk so zu erhalten und zu pflegen, wie es gerade in unserer neuen Zeit einer werdenden sozialistischen Gesellschaftsordnung notwendig ist. Und daß dies der Fall ist, dankt man der stillen, unermüdlichen Arbeit dieses Mannes und seines Mitarbeiter-Kollektivs!
Beinahe Schritt für Schritt stoßen wir bei einem Gang durch unseren Lenin-Park auf das, was für Willi Zeiss sein Lebenswerk, sein Lebenssinn bedeutet. Da geht es nicht nur um die Erhaltung oder Verbesserung der Wege, der gärtnerischen Anlagen, des z. T. wertvollen Baum- und Strauchbestandes, also um alle die gartenkünstlerischen Eigenheiten und Schönheiten eines echten Landschaftsparkes, da geht es um viel mehr. Denn zum Park gehört nicht nur ein stattliches Gewächshaus, in dem Jahr für Jahr hunderte von Blumen- und Blattpflanzen (und sogar auch Nutzpflanzen für die Bevölkerung!) gezogen werden. Auch der prächtige Parksee, der einstige „Binsenteich“ mit seinen Tieren über und unter der Wasserfläche, die sich anschließenden Parkwiesen mit dem seit zwei Jahren wiedereingerichteten Rosengarten und seinen ca. 5000 Pflanzen oder der neuangelegte Fischzuchtteich sind hier zu betreuen.
Die Modernisierung und Erweiterung des Gewächshauses seit 1953 ermöglicht, alle Pflanzen für die Parkanlagen selbst zu ziehen und damit das bunte Bild der mit Recht sparsam eingelegten Blumenbeete zu jeder Jahreszeit mannigfach zu verändern. Erinnern wir nur an die prächtigen Rosen-oder Dahlienpflanzungen oder an die von Willi Zeiss 1954 angelegte, vielbewunderte Blumenuhr vor dem Gewächshaus — eine Freude für jeden Parkbesucher schon bei seinem Eintritt. Und auch daran, unter welch‘ persönlicher Aufopferung er 1956 erreichte, daß der während des Krieges eingegangene Schwanen-Besatz samt neuen Wassertierarten wieder angeschafft und zu der stattlichen Zahl von 14 Schwänen entwickelt werden konnte. Ebenso ist der Aufbau der Parksee-Fischzucht mit laufenden Ertragssteigerungen ohne seine Initiative nicht zu denken. Wurden früher aller drei Jahre kaum 50 Zentner Karpfen gefischt, so waren es im vergangenen Jahr bereits über 90 Zentner mit einer Einnahme von rund 18.000 DM — eine Rekordzahl. Dabei wird jährlich gezogen, nachdem im neuangelegten Hammerwiesenteich die Aufzucht von Satzfischen unter Einsparung von ca. 5.000 DM für Ankäufe gesichert ist. Und bei der Beseitigung der schweren Hochwasser- und Sturmschäden 1954/55 konnten dank der Mithilfe der Bevölkerung im NAW ohne zusätzliche Mittel die verschlammten Anlagen in ihrer alten Schönheit durch Willi Zeiss‘ unermüdlichen Elan kurzfristig wiederhergestellt werden.
Dies sind nur einige Beispiele aus der vielfältigen Arbeit unseres bewährten Gartenmeisters und seiner Mitarbeiter. Unter ihnen war der 71jährige, verdiente Franz Reiher einer der ältesten und nahezu ein halbes Jahrhundert hier tätig, während er jetzt noch die Hirschteichanlagen ebenso vorbildlich betreut. Willi Zeiss selbst, mehrfach mit Prämien und Medaillen ausgezeichnet, ist „seinem“ Park trotz mancher verlockender auswärtiger Angebote 35 Jahre hindurch treu geblieben. Als alter Greizer, im Ortsteil Pohlitz geboren und aufgewachsen, als politisch bewußter Mensch, der sich schon frühzeitig zur Arbeiterklasse bekannte, weiß er warum: „Wenn man bedenkt, daß unser Arbeiter-und-Bauern-Staat für die Erhaltung und Pflege des Lenin-Parkes bei ständig gestiegenen Löhnen jährlich rund 60.000 DM ausgibt, dann weiß man auch, wofür und warum man hier arbeitet. Das Nationale Dokument weist uns den Weg zufriedlicher sozialistischer Entwicklung, ohne die wir nicht weiterkommen. Außerdem wurde es dank der Maßnahmen unserer Regierung auf dem Gebiet des Natur- und Denkmalsschutzes endlich unmöglich gemacht, dieses herrliche Kleinod der Gartenkunst willkürlich zu verschandeln oder seinem hohen Zweck als Erholungs- und Erbauungsstätte, der werktätigen Bevölkerung zu entfremden.“
Und Willi Zeiss erzählt, wie man das in der Nazi-Zeit allen Ernstes vor hatte. Dank der Initiative des kürzlich verstorbenen Prof. Dr. Schneider konnten damals die Versuche verhindert werden, hier die Elsterkläranlage und eine große Schweinemästerei (!) anzulegen.
Nun, dazu ist nichts weiter zu sagen, das kennzeichnet sich selbst. Doch schon vor dieser Zeit, als der Park in der Verwaltung des Landes Thüringen stand, gab es keine geringen Schwierigkeiten. Kaum 25.000 DM standen damals für die Parkverwaltung zur Verfügung, und es war oft nicht leicht, mit so geringen Mitteln die notwendigsten Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Das war die Zeit, als der hochverdiente, alte Parkdirektor Rudolf Reinecken in den Ruhestand getreten war. Er ist der eigentliche Schöpfer unseres Parkes, den er bis 1875 nach Plänen des Muskauer Gartenkünstlers Eduard Petzold in hervorragender Weise gestaltet hatte. Ihm folgten noch die Gartenmeister Schreiner, Scholz und Felgner. Willi Zeiss, seit 1927 im Park tätig, lernte viel von ihnen und konnte sich so selbst zum Gartenmeister qualifizieren. 1951, als die Parkverwaltung in die Hände der Stadt Greiz überging, wurde er dazu ernannt und mit dieser nach dem Zusammenbruch nicht leichten, aber schönen Aufgabe betreut.
Manche Pläne hat unser Gartenmeister, um mit Hilfe seines guten Kollektivs nicht nur den alten, wertvollen Baum- und Strauchbestand zu erhalten, sondern ihn auch zu regenerieren. Denn viele alte Bestände, z. B. der Lindenallee, sind überaltert und müssen rechtzeitig so erneuert werden, daß keine Lücken entstehen und das eigene, überkommene Gesicht dieser „gestalteten Kulturlandschaft“ für spätere Generationen im Sinne seiner Schöpfer erhalten bleibt. Wir — und mit uns sicher alle Greizer Parkfreunde — vertrauen Willi Zeiss, daß er diese großen Aufgaben so erfüllen wird, wie er sich bisher als echter Wahrer und Hüter dieses Kleinods bewährt hat.
Bleibt nur zu wünschen, daß er seiner alten Wirkungsstätte auch im nächsten Jahrzehnt seines tätigen Lebens treu bleibt und seine Parkpläne erfolgreich verwirklichen kann. Dazu wünscht ihm der Deutsche Kulturbund Greiz zum 50. Geburtstag viel Freude, Kraft und Gesundheit!

Zum Tag des Lehrers
Die Erziehung ist eine gesellschaftliche Aufgabe
Eine kleine Begebenheit — ein kleiner Einblick in ein großes Aufgabengebiet

Kinder — so mahnt an der Poststraße ein Warnzeichen zur Vorsicht. Dort traf ich neulich einen Bekannten. Wir wechselten belanglose Höflichkeiten, nicht lange, und wurden doch bald vom Strom der Kinder mitgenommen. Es war in der Mittagszeit, die Schule zu Ende und mein Bekannter stellte mit Bedauern fest: „Haben die’s schön, die in die Schule gehen — tja, Lehrer müßte man sein!“ Nun war’s vorbei mit den Belanglosigkeiten. Gut, daß wir in der Nähe einer Schule waren, da bot sich gleich Gelegenheit, jene Feststellung auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen.
Es waren viele Kinder, die aus dem großen Tor der Lessing-Oberschule förmlich herausquollen, aber einmal mußte ja „Luft“ werden und wir konnten hineinschauen und -hören: In diesem großen Gebäude, das über 75 Jahre alt ist und mit zu den „Schulveteranen“ im Stadtgebiet zählt, sind an die 800 Kinder untergebracht. Mit einer Klasse in jedem Schuljahr ist es nicht getan, es sind meistens drei, auch zwei. Insgesamt zählt, die größte Schule der Stadt 24 Klassen. Und die wollen bei guter Disziplin gehalten und gut unterrichtet sein. Dafür stehen 28 Lehrer zur Verfügung. Dem sei hinzugefügt, was Genosse Walter Ulbricht u. a. auf dem 14. Plenum zur Erziehung zu bewußten Staatsbürgern sagte, denn damit kommen wir der Sache näher: „Jeder Unterricht soll das Ziel haben, die sozialistische Moral der Jugend zu heben, ihr Staatsbewußtsein zu entwickeln und sie auf die Arbeit und das Leben im Sozialismus und Kommunismus vorzubereiten. Das erfordert, daß jede Unterrichtsstunde politisch und fachlich gründlich vorbereitet und qualitativ genutzt wird.“ Geht man davon aus, daß ein Lehrer im allgemeinen 26 Pflichtstunden in der Woche zu geben hat, zu deren Vorbereitung aber mehr als die gleiche Zeit gebraucht wird, dann läßt allein die trockene Addition die vermeintlichen freien Nachmittage illusorisch werden. Und wer Gelegenheit hatte, einmal in die Wohnung eines Lehrers zu schauen, der wird bald gemerkt haben, daß der Schreibtisch für die ganze Familie „Naturschutzgebiet“ ist. Nicht etwa, um der Hausfrau das Staubwischen zu ersparen, sondern um die oftmals in ganz schönen Stößen liegenden Arbeitshefte der Schüler und Arbeitsmaterialien des Lehrers nicht durcheinander zu bringen. Zu mancher späten Stunde wird hier noch gearbeitet, werden die letzten Nachrichten und Kommentare des demokratischen Rundfunks gehört, um anderntags politische Informationen den Schülern geben und überhaupt den Unterricht — besonders den in Staatsbürgerkunde — mit den neuesten politischen Ereignissen verbinden zu können, denn „Aufgabe des Lehrers ist es, den Kindern die feste Überzeugung von der Gesetzmäßigkeit der sozialistischen Entwicklung und von der Gewißheit des Untergangs des Kapitalismus und des Sieges des Sozialismus und Kommunismus in der Welt zu vermitteln“, wie Walter Ulbricht sagte. „Wesentlich dabei ist, daß unsere wissenschaftlichen Anschauungen über die Natur, die Gesellschaft und das Denken der Menschen in interessanter Form im Zusammenhang mit den eigenen Erlebnissen und Interessen der Kinder vermittelt werden.“ Und diese Erlebnisse dürften mannigfaltig sein, dafür spricht die alters- und berufsmäßige Zusammensetzung des Kollegiums. Von ganz jungen Absolventen der Lehrerbildungsinstitute (sie sind als Lehramtsbewerber oder -anwärter eingesetzt) bis zu solchen Kollegen, die mit unserer demokratischen Schule in ihren Beruf hineingewachsen und heute nach mehr als zehn Jahren Schuldienst Träger der Pestalozzi-Medaille sind, und bis zu bejahrten Mitarbeitern, die aus eigener Erfahrung den grundsätzlichen Unterschied zwischen der bürgerlich-kapitalistischen Schule und unserer sozialistischen Schule kennen, sind alle Alter vertreten. In den Personalien finden sich Berufe des Handwerks und der Industrie, wie wir neben den Männern vielen Frauen, darunter Mütter mehrerer Kinder, begegnen. Nicht nur, daß für jeden einzelnen Lehrer ständige Weiterbildung geboten ist, sie lernen auch voneinander und miteinander. So ist es Pflicht aller Lehrer, gegenseitig zu hospitieren und sich durch Weiterbildungsmöglichkeiten im Pädagogischen Rat oder des Pädagogischen Kreiskabinetts zu qualifizieren.

Wie in der Schule, so im Betrieb
Und wären wir ein andermal in die Schule gekommen, dann hätte man uns gesagt, daß acht Lehrer nicht im Hause sind, sondern sich in Betrieben oder in der LPG aufhalten, weil heute „UTP“ (Unterrichtstag in der sozialistischen Produktion) auf dem Plan steht. „Die Verbindung von Schule und Leben hat unter anderem das Ziel, den jungen Menschen die Liebe zur Arbeit, das Streben nach Wissen und Können und die Grundlagen für ein sozialistisches Verhalten anzuerziehen. Die Kernfrage bei der Erziehung des neuen Menschen ist seine Einstellung zur Arbeit und zu den arbeitenden Menschen. In dieser Hinsicht haben wir durch die Einführung des polytechnischen Unterrichts“, so stellte Genosse Walter Ulbricht fest, „beachtliche Fortschritte gemacht.“Wenn die Schüler die Grundlehrgänge der Metallbearbeitung, der Maschinenkunde und den Unterrichtstag in der Landwirtschaft absolvieren, dann bedeutet das zuerst für die Lehrer, daß sie sich auch mit diesem Stoff, mit diesem Fachgebiet und mit den einschlägigen handwerklichen Fertigkeiten vertraut machen. — Und was stellten wir fest?: Tja, Lehrer müßte man sein, dann hätte man eine sehr verantwortungsvolle, sehr schöne, vielseitige Aufgabe, die in ihrem Ergebnis allerdings nicht immer sofort meßbar ist. Derselben Erziehungsaufgabe dienen die Elternsprechstunden, Aussprachen mit dem Elternbeirat, den Klassenelternaktivs, Stunden, die nicht im Plan stehen, aber notwendig sind (und in vielen Fällen von den Eltern noch mehr in Anspruch genommen werden müßten!). Die Förderstunden für leistungsschwache Schüler sollen nicht unerwähnt bleiben, auch nicht, daß es dadurch sichtbare Erfolge gibt!

Wenn alle an einem Strang ziehen,
müßte doch etwas Vernünftiges herauskommen, auch in der Bildungs- und Erziehungsarbeit. Das erschöpft sich nicht im Verhältnis Schule—Elternhaus—UTP. Der Schulhort gehört z. B. hierzu. In der Lessingschule sind zehn Hortnerinnen da, die die Kinder von 6.30 Uhr bis 16.00 Uhr betreuen, sich mit den Lehrern austauschen und im Einzelfalle gemeinsame Maßnahmen festlegen. Weiter „ziehen mit“ die Patenbetriebe bzw. Patenbrigaden aus der Industrie und dem Handel. Die Heizerbrigade aus der Greika z. B. hat es sich angelegen sein lassen, den Schülern die Halbjahreszeugnisse auszuhändigen und mit ihnen über ihre Leistungen zu sprechen. Nach nicht jede Klasse hat solche „Patenonkel“, aber die Klassenleiter müssen sich darum bemühen, bis Ende des Schuljahres ebenfalls Freundschaftsverträge abzuschließen. „Bei der Vermittlung konkreter Kenntnisse und Erkenntnisse über die gesellschaftliche Entwicklung in unserem Staat und den Kampf der Werktätigen um Frieden und Sozialismus sollten Arbeiter und Wirtschaftsfunktionäre, Partei- und Staatsarbeiter sowie Kulturschaffende die Lehrer mehr unterstützen“, wurde auf dem 14. Plenum gefordert.
Das gilt auch für die Jugendarbeit, besonders die Gruppennachmittage der Pioniere, die für die Klassen 1 bis 8 monatlich zweimal durchgeführt werden. Hier sind die Klassenleiter zugleich Gruppenleiter. Das hat den Vorteil, daß sie die Kinder schon gut kennen, sie aber außerschulisch immer wieder anders kennenlernen und auf sie erzieherisch einwirken können. — Und wären wir wieder einmal zur Schule gekommen, nachmittags,dann hätten wir auch die Arbeitsgemeinschaften Foto, Zeichnen, die Volkstanzgruppe oder die Instrumentalgruppe bei der Arbeit angetroffen. Auch diese Zirkelarbeit leiten Pädagogen, doch muß man nicht Lehrer sein, um es ebenfalls zu tun! Und weil wir gerade feststellten, wozu man nicht Lehrer sein müßte, aber mit Befähigung und gutem Willen beitragen könnte, so sei auch noch die DRK-Ausbildung der Mädchen der 9. Klassen erwähnt. Jetzt freilich macht’s eine Lehrerin genauso, wie zehn weitere Pädagogen im außerschulischen Sport tätig sind (vier als Ausbilder in der Schulsportgemeinschaft). Fleißig trainiert wird im Tischtennis, Federball, Turnen, Fußball und zu angemessener Jahreszeit auch im Wintersport.
Um auf den Ausgangspunkt unseres Gesprächs und unseres Besuchs in der Schule zurückzukommen, durften wir uns nicht nur nach der Arbeit an den Nachmittagen erkundigen, da blieben doch immer noch die Ferien, massig Ferien! Doch nein, so massig sind die nicht, wie’s nach dem Ferienplan der Schüler aussieht. Auch der Urlaub der pädagogischen Intelligenz ist gesetzlich geregelt, und im allgemeinen wird nicht darüber gesprochen, daß ein Schuljahr hinter längst geschlossener Schultür noch abzuschließen und ein neues vorzubereiten ist. Man spricht auch nicht über Aufträge wissenschaftlichen Charakters, die in den Ferien erledigt werden, und Ferienspiele, Wanderungen und Zeltlager gelten schlechthin als Ferien, sind es aber nicht für den, der dabei im Dienst ist und für junge Menschen die Verantwortung trägt.
Als bei unserem Besuch in der Schule einige Pioniere lebhaft gestikulierend berieten, „was kaufen wir denn nun?“, da wurden wir auf den 12. Juni aufmerksam. Ich konnte es nicht lassen, meinen Bekannten anzustupsen, auf die Kinder zu weisen und seine Worte zu wiederholen: „Tja, Lehrer müßte man sein — dann hat man am 12. Juni seinen Ehrentag.“ „Nun werd‘ auch noch boshaft“, war die Antwort, „so bitterernst hatte ich’s nicht gemeint, und daß Du mich gleich mit ins Schulhaus zerrst, hatte ich auch nicht erwartet. Aber recht hast Du schon, Lehrer zu sein, ist ein verantwortungsvoller Beruf, ich glaub‘ ich könnt’s nicht.“
Diese Begegnung hätte man an jeder anderen Schule, an jeder anderen Wirkungsstätte von Pädagogen und Erziehern unseres Kreises haben können. Deshalb wurde bei der Wiedergabe auf Einzelleistungen und Namen verzichtet. Mit diesem Beitrag sollte ein kleiner Einblick gegeben werden in die Arbeit unserer Lehrer. Diesmal war es gerade das Beispiel Lessingschule, im vergangenen Jahr die BBS „Junge Garde“, im nächsten Jahr wird es wieder eine andere Schule sein. In solcher Form wollen wir die Arbeit der Pädagogen und Erzieher würdigen, da zu dem verhältnismäßig frühen Redaktionsschluß die Namen der am 12. Juni auszuzeichnenden Kolleginnen und Kollegen noch nicht endgültig festlagen. Eine Ehrentafel wird im nächsten Heft des „Heimatboten“ erscheinen. Für heute allen Lehrern und Erziehern unseres Kreises herzlichen Glückwunsch zu ihrem Ehrentage und viel Erfolg in ihrer weiteren Arbeit.
A. W.

DR. ERICH MARTIN
Wieder Jugendherbergsleben in Greiz
Nach langen Verhandlungen ist es jetzt gelungen, das über Tannendorf auf dem Grochlitzberg gelegene „Jugendherbergsgebäude“ wieder seinem eigentlichen Zwecke zuzuführen, nachdem es jahrelang als Wohnheim für jugendliche weibliche Werktätige gedient hat. Der Bau war gerade 1939 bei Kriegsausbruch fertiggestellt worden und hat seitdem nur vorübergehend für die Aufnahme wandernder Jugend zur Verfügung gestanden. Am Ende des Krieges wurde hier eine Berliner Oberschule aufgenommen. Es ist also reichlich Platz vorhanden im Hause selbst, davor ein Sportplatz und Gelegenheit zum Zelten.
Die Wiedereröffnung fällt in eine Zeit, in der Greiz eine besondere Lage erhielt in dem Wegenetz der neu festgelegten Wanderwege. Läuft doch durch Greiz ein sehr langer Hauptwanderweg von der Ostsee nach der oberen Saale bei Ziegenrück mit seiner blauen Dreiecks-Markierung. Und ein anderer beginnt in Greiz, es ist der mit einem blauen Ring bezeichnete. Er hat als erstes Ziel den Kuhberg bei Netzschkau, läuft weiter zum Erzgebirge und endet in Görlitz. — Ein durch ein rotes Quadrat gekennzeichneter Weg, der dem Elstertal folgt, berührt sogar das Jugendherbergsgelände selbst.
Die Greizer Natur- und Heimatfreunde im Deutschen Kulturbund begrüßen alle ihre Wanderfreunde, die hier auf der Grochlitzer Höhe Einkehr halten werden.

HANNS CZERLINSKY (Netzschkau)
Hinweise für die praktische Naturschutzarbeit

Greizer Heimatbote Juni 1962
Naturschutz
Mit dem Monat Juni ist auch bei uns die Hauptblütezeit in der Natur angebrochen. Die Frühblüher der lichten Laubwälder sind abgeblüht, das Laubdach schließt sich dichter und nimmt ihnen so das nötige Licht, weswegen sie sich ja auch im Frühjahr mit der Blüte so beeilen mußten. Dafür beginnt die Zeit der Sommerblüher, die Wiesen werden farbenprächtiger, und hier und da tauchen Akelei, Türkenbund, Waldgeißbart und Trollblumen auf. Auch bei uns sind diese Pflanzen noch anzutreffen. Bitte denken Sie daran: alle diese Seltenheiten stehen unter strengem Schutz! Auch an den vollkommenen Schutz der gesamten Familie der Orchideen darf ich Sie noch erinnern. Gewiß fällt vieles davon der sommerlichen Heuernte zum Opfer; das berechtigt uns aber trotzdem nicht, Sträuße dieser seltenen Blumen zu pflücken. Sollten Sie bei Ihren Wanderungen in der nunmehr beginnenden Urlaubszeit etwa mal ein Rehkitz auffinden, belassen Sie es am Fundort. Das Muttertier ist bestimmt in der Nähe. Vermeiden Sie das Streicheln oder Berühren so eines hilflosen Kitzes. Nehmen Sie es auf keinen Fall mit nach Hause; das wäre Jagdfrevel. Beachten Sie auch bitte die vom Naturschutz in den entsprechenden Gebieten aufgestellten Tafeln und befolgen Sie die dort angebrachten Hinweise! Betrachten Sie unseren Wald nicht als einen großen Papierkorb, in den Sie alles, was Sie nicht mehr auf Ihrer Wanderung brauchen, hineinwerfen. Sehen Sie sich einmal an beliebten Ausflugszielen um, wie es da oft aussieht! Der Wald ist kein Müllabladeplatz! Bitte werfen Sie nicht gedankenlos Zigaretten-oder Zigarrenreste fort! Wie leicht kann dadurch ein Waldbrand entstehen. Im Walde ist überdies das Rauchen untersagt! Genießen Sie lieber die frische Waldluft! Sie müssen in der Stadt noch lange genug die benzin- und abgasgeschwängerte Luft einatmen.
Wenn Sie bei Ihren Spaziergängen im Wald an einem Ameisenhaufen vorbeikommen, stochern Sie bitte nicht mit einem Stock darin herum und ergötzen sich dann an dem emsigen und eifrigen Gekribble der aufgescheuchten Tierchen! Sie ahnen vielleicht garnicht, wie wertvoll für den Forstmann diese Tiere sind. Die rote Waldameise steht unter Naturschutz! Das hat seinen guten Grund. Die Waldameise ist in der Waldwirtschaft ein äußerst wichtiger Faktor. Leider wird die Zahl der Hügel von Jahr zu Jahr immer kleiner, und leider ist eine der Ursachen in der Nachstellung durch den Menschen zu suchen. Sinnlos werden oft die Ameisenburgen mit Steinen und Flaschen beworfen, mit Stöcken durchwühlt und so geschädigt. Der Bau ist ein so kompliziertes Gebilde, daß jede Beschädigung einen tiefen Eingriff in das Leben des Ameisenstaates bedeutet. Feuchtigkeit, Temperatur, Belüftung, das alles ist in diesem Ameisenbau wohl ausgewogen, und die sehr empfindliche Brut wird bei Störungen dieser Funktionen schwer geschädigt. Die Nahrung der Ameisen besteht zu einem großen Teil aus forstlichen Schadinsekten, die in der Umgebung des Ameisenhaufens erbeutet werden. Da der Nahrungsbedarf eines so kleinen „Staates“ sehr hoch ist, stellen die Ameisen einen wichtigen Faktor in der Schädlingsbekämpfung im Walde dar. Der Forstmann geht sogar dazu über, in besonders gefährdeten Gebieten Ameisen anzusiedeln. Daher also hat sich der Naturschutz dieser Tierchen angenommen, und es ist verboten, Ameisenhaufen nach sog. „Ameiseneiern“ (den Puppen) zu durchwühlen, um sie Singvögeln oder Zierfischen als Futter anzubieten.
Der Monat Juni ist noch zu den Hauptbrutmonaten der Vögel zu rechnen. Bitte stören Sie nicht unnötig Ihnen bekannt gewordene Vogelbruten! Nehmen sie auch keine zufällig gefundene Jungvögel aus falschem Mitleid mit, um sie daheim aufzuziehen! Jungvögel brauchen mindestens alle halbe Stunde Futter, da ihre Verdauung dementsprechend rasch von Natur aus eingerichtet ist, und das können Sie daheim nicht bieten. Meist bedeutet dieses Mitnehmen den sicheren Tod für den Vogel. Belassen Sie die Tiere am Fundort, setzen Sie sie ins sichere Gestrüpp! Die Altvögel finden sie schon und nehmen sich ihrer wieder an.
Im nächsten Monat will ich Ihnen einige Hinweise für die Urlaubszeit geben. Auch da werden oft aus Unkenntnis arge Verstöße gegen das Naturschutzgesetz begangen.

Friedrich Münch †
Vor 50 Jahren:
Schönfeld erhält eine eigene Schule

Der 23. Oktober 1961 war für die Gemeinde Greiz-Schönfeld ein Festtag eigener Art, denn sie konnte an diesem Tag das 50jährige Bestehen ihrer Schule feiern. In der Geschichte des vor einem halben Jahrhundert etwa 750 Einwohner zählenden Ortes war es gewiß eine Tat von besonderer Bedeutung, eine eigene Schule zu bauen. Wohl hegte man schon seit langer Zeit den Wunsch, für die Schuljugend Schönfelds eine Schule zu errichten, aber immer wieder scheiterten die Versuche. Im Jahre 1910 war nun die Schule in Reinsdorf, die die Schüler und Schülerinnen aus Schönfeld seit vielen Jahren besuchten, zu klein geworden. Von etwa 200 Kindern in der Schule zu Reinsdorf waren allein 146 aus Schönfeld. Darum faßte der Gemeinderat von Schönfeld, dem weitsichtige und auf das Wohl der Jugend bedachte Männer des Ortes angehörten, im Jahre 1910 den Entschluß, aus dem Schulverband Reinsdorf auszuscheiden und eine eigene Schule zu bauen.

Sonnabend, den 5. Februar 1910 fand im Petzoldschen Gasthof eine Gemeindeversammlung statt.
Auf der Tagesordnung stand:
1. Beschlußfassung über weiteres Verbleiben in der gemeinsamen Schulgemeinde zu Reinsdorf
2. Errichtung einer eigenen Schule in Schönfeld.
Die sehr gut besuchte Einwohnerversammlung entschied sich für den Bau einer Schule in Schönfeld. Es ist hier in der Geschichte der Schule zu Schönfeld recht und billig, der Männer dankbar zu gedenken, die in so fortschrittlicher Weise gewirkt haben:
Max Petzold, Gemeindevorsteher

Ernst Unger Hermann Hähnel
Franz Claus Richard Paul
Franz Gerber Robert Müller

Die vier zuerst genannten Mitglieder der Gemeindevertretung gehörten zugleich dem Schulvorstand an, dessen Vorsitzender Pfarrer Werner aus Reinsdorf war.
Es galt nun, das geeignete Grundstück für das zu errichtende Schulgebäude zu finden. Nach mehreren Besichtigungen und Verhandlungen kam man dahin überein, das Gebäude der ehemaligen Schäferei als Schulgrundstück zu erwerben. Man hatte wirklich den schönsten und besten Platz für den Bau der Schule gewählt. Am sonnigen Bergeshang, etwas abseits vom Lärm der verkehrsreichen Durchgangsstraße Greiz-Reichenbach und doch in der Mitte des Ortes sollte die Schule erbaut werden.
Am 4. November 1910 wurde folgender Kaufvertrag mit dem damaligen Eigentümer des Grundstückes, Dietrich von Kammerstädt, abgeschlossen:
„Die Gemeinde Schönfeld kauft vom Rittergut hierselbst zum Schulbau die Parzellen 34a und 34b (früher Rittergutsgehöft von Unter-Schönfeld)
Parzelle 34a — Schulbauplatz 29 a 15 qm
Parzelle 34b — für Wegezwecke 11 a 40 qm
Das Bauvorhaben wurde ausgeschrieben, und es gingen nicht weniger als 13 Entwürfe von verschiedenen Baumeistern und Architekten ein. Die Gemeindevertretung und der Schulvorstand entschieden sich nach gründlicher Prüfung der einzelnen Entwürfe und nach Besichtigung neuerbauter Schulen für den von Baumeister Franz Lippold, Pohlitz eingereichten Bauplan.
Nachdem die zuständige Behörde ihre Genehmigung zum Bauplan der Schule erteilt hatte, wurde die Oberleitung des Schulbaues Baumeister Franz Lippold übertragen und die Bauausführung an Baumeister Arno Daßler, Mohlsdorf vergeben.
Man ging eifrig ans Werk und schon am 6. Mai 1911 fand die Grundsteinlegung statt. Zur Feier der Grundsteinlegung versammelte sich der Schulvorstand und der Gemeinderat von Schönfeld mit den beiden Lehrern aus Reinsdorf, den Baumeistern und Bauarbeitern, sowie zahlreichen Einwohnern der Gemeinde.
Nun wuchs der Bau rasch empor.
Viele Sitzungen und Verhandlungen des Schulvorstandes waren nötig, um den einzelnen Firmen die Zimmer- und Glaserarbeiten, die Schlosser- und Schmiedearbeiten, die Maler- und Dachdeckerarbeiten, die Heizungs- und Beleuchtungsanlagen zu übertragen. Der Schulvorstand mußte auch für die Beschaffung des Inventars und der Lehrmittel sorgen. Er hat diese Aufgabe in geradezu vorbildlicher Weise erfüllt. So besichtigte er z. B. die Bänke mehrerer Firmen in verschiedenen Schulen, bis er endlich sich für die schönen zweisitzigen Schulbänke einer Schulbankfabrik in Oehringen entschied. Die Freude der Gemeinde über ihre eigene Schule zeigte sich in den für die Schule gespendeten Geldbeträgen und Geschenken.
Die Schuluhr, das Harmonium, zwei Katheder, eine Wandtafel, verschiedene Landkarten, mehrere kunstvolle Gemälde, ein Globus, ein Barren und andere Gegenstände wurden gespendet.
Viele fleißige Hände regten sich, und schon nach einem halben Jahr stand das stattliche Schulgebäude fertig da.
Die Frage der Inneneinrichtung war mustergültig gelöst worden.
Die „Greizer Zeitung“ brachte folgenden Bericht über eine Besichtigung der neuerbauten Schule:
„Das Schulgebäude macht einen imponierenden wie anheimelnden und freundlichen Eindruck. Die erhöhte Lage der Schule inmitten des Ortes am Aschenpöhl läßt seine gefälligen Formen zu guter Gesamtwirkung kommen. Die Vorderfront ist unterbrochen durch einen von wuchtigen Säulen getragenen, überdachten Treppenvorbau. Die Schule besteht aus einem Erdgeschoß, einem Obergeschoß und aus einem ausgebauten Dachgeschoß. Das Ganze wird von einem turmartigen Dachreiter gekrönt, der die Schuluhr trägt, die halbe und ganze Stunden schlägt. Der Sockel ist aus Grünsteinquadern hergestellt und das ganze Schulhaus in Terranova verputzt. Der gelbliche Ton des Putzes paßt gut zu dem leuchtenden Rot des hohen, traulichen Ziegeldaches. Im vorderen gewölbten Giebelfelde ist eine Sonne angebracht.
Schreitet man die Steintreppe hinauf, so tritt man zunächst in eine durch Windfänge abgeschlossene, mit hübschen Malereien gezierte Vorhalle. Von dieser geht es links und rechts in die schönen, luftigen und hellen Klassenzimmer, deren die Schule zwei birgt. Jedes Zimmer ist 3 1/2 m hoch, 10 m lang und 6 1/2 m breit und hat sechs große, dreiflügelige Fenster. Außer den zwei Klassenzimmern enthält das Erdgeschoß noch eine offene Garderobe und hinter dieser ein Lehrmittelzimmer.
Die Schulflurwände sind ebenfalls mit modernen Malereien geschmückt. Im Obergeschoß sind die Lehrerwohnungen angeordnet, die eine größere enthält zwei Wohnstuben, zwei Schlafstuben, eine Küche, eine Speisekammer und den Vorsaal. Die andere Lehrerwohnung hat fast dieselben Räumlichkeiten, aber nur ein Schlafzimmer. Ein großes Zimmer an der Ostseite soll, solange es nicht für Schulzwecke erforderlich ist, als Sitzungszimmer des Schulvorstandes und des Gemeinderates dienen.
Das ausgebaute Dachgeschoß enthält die Hausmannswohnung — Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer, Küche und Vorsaal —, ferner große, geräumige Wäsche- und Trockenböden und weiter hinauf das Uhrgehäuse.
Die Zentralheizungsanlage ist im Keller untergebracht. Im Hofe steht nach dem Berge zu ein kleines Wirtschaftsgebäude mit der Waschanlage und den Aborten für die Kinder. Durch Einzäunung und Planierung sowie durch Anpflanzungen wird auch der Schulplatz ein gefälliges Aussehen erhalten.
Die neue Schule hat mit dem Bauplatz einen Kostenaufwand von 58.000 Mark erfordert. Sie ist aber auch in ihrem schmucken Äußeren und praktischen Innern eine Zierde des Ortes geworden.“
Am 23. Oktober 1911 wurde die neue Schule in Schönfeld eingeweiht. Es war ein Freudentag für die ganze Gemeinde. Der Ort war festlich geschmückt. Ein langer Festzug bewegte sich vom Ortsteil St. Adelheid nach der Schule. Die Spitze des Zuges bildeten sämtliche Schulkinder, geführt von ihrem bisherigen Lehrer Kantor Schlichting, Reinsdorf. Auf den Stufen des Eingangs wurden vom Baumeister die Schlüssel übergeben. Mit dem Gesang eines Liedes des Gesangverein „Sängergruß“ unter Leitung seines Dirigenten des Oberlehrers Hermann Seifert, Aubachtal endete die eindrucksvolle Feier.

Nach der Weihe versammelten sich alle Festteilnehmer zu einer Nachfeier in der Brauerei Schönfeld.
Die Kinder wurden von ihrem neuen Lehrer Friedrich Münch und ihrer neuen Lehrerin Fräulein E. Gurken nach dem Petzoldschen Gasthof geleitet und mit Kuchen und Kaffee bewirtet. Spiele und Gesänge wechselten miteinander ab und erfreuten Kinder und Eltern.
Die Schuljugend Schönfelds hatte ihre eigene Schule, die schönste in weiter Umgebung, die selbst Durchreisenden noch heute Bewunderung abzwingt. Ist es doch nicht selten vorgekommen, daß man die Kinder danach gefragt hat, wem „das schöne Schloß“ auf sonniger Bergeshöh‘ gehöre. Mit welchem Stolz die Kinder geantwortet haben, kann sich jedermann vorstellen.
Am 24. Oktober 1911 lenkte die Schuljugend von Schönfeld das erste Mal freudig ihre Schritte nach ihrer neugeschaffenen, aufs trefflichste ausgestatteten Arbeitsstätte mit ihren hellen, freundlichen Klassenzimmern.
(gekürzt)

RUDOLF SCHRAMM
Zur Geschichte der Obergreizer Orangerie:
Ein Pflanzenverzeichnis der Orangerie aus dem Jahre 1737
1. Fortsetzung

Im Jahre 1737 stellte der Greizer Hof- und Schloßgärtner Tobias Gebhardt bei der Obergreizer Kanzlei den dringlichen Antrag auf Errichtung eines neuen Treibhauses noch vor Wintersanfang für seine gefährdeten Orangeriegewächse.
Zu den botanischen Kostbarkeiten seines Orangeriebestandes zählten ein stattlicher Pisangbaum (Bananenstaude), eine Ingwerstaude, der Kapernstrauch und die unter dem Namen Mimose bekannte Sinnpflanze, deren zarte Fiederblättchen sich bei der geringsten Berührung auf rätselhafte Art falterartig schließen.
Einige der aufgeführten Exoten hatten erst wenige Jahre zuvor Eingang gefunden in europäische Universitäts-, Schloß- und Lustgärten. So dürfte vor allem der Greizer Pisangbaum einer der ersten seiner Art in Europa gewesen sein.
Im folgenden setzen wir die botanisch-geschichtlichen Betrachtungen über die exotischen Pflanzenarten fort, die vor 225 Jahren der Obergreizer Lustgarten zu bieten hatte.

„Ananassen“
„Das Fleisch der Ananassen schmeckt so edel, daß es zugleich nach Erd-Beeren, Aepfeln. Pfersichen, Quitten, Muscatellen, Bergamotten, Kirschen, Abricosen, Zucker, Honig und Rhein-Wein schmecket und doch dabey einen sonderlichen und eigenen Geschmack hat, den man nicht leichtlich aussprechen kan.“
In solchen Lobpreisungen ergeht sich Zedler, der Herausgeber eines um 1730 erschienenen großen Universallexikons, wenn er seinen Zeitgenossen die Geschmacksanalyse der bis dahin kaum bekannten Ananasfrucht erläutert.
Dazu kommt als äußerer Eindruck der bisher bei keiner anderen Frucht bekannte zierliche grüne Blattschopf, der ihren Oberteil krönt und diesem Wundergebilde der Natur ein höchst reizvolles und interessantes Aussehen verleiht. Kein Wunder, daß dieses seltene Tropengewächs, in dessen Frucht sich der Geschmack einer ganzen Reihe einheimischer Früchte in so wunderlicher Weise vereinigt, nicht in dem Bestand bestaunenswerter exotischer Pflanzen der Greizer Lustgartenorangerie fehlen durfte. Wie kaum ein anderes Gewächs aus einer fremden Welt entsprach zu jener Zeit diese außergewöhnliche Pflanze so recht dem Sensationsbedürfnis naturwissenschaftlich interessierter Orangeriebesucher.
Aus der Blattrosette der zu den Bromeliaceen zählenden Ananaspflanze wächst 1 bis 1 1/2 Jahre nach der Pflanzung ein 30 cm langer Blütenstand mit vielen Einzelblüten, aus denen sich zunächst kleine Früchte entwickeln. Im Laufe ihres Wachstums verwachsen sie schließlich mit der Blütenachse zu einer Sammelfrucht. Die Pflanze blüht und fruchtet nur einmal.
Kolumbus fand die Ananas zuerst 1493 auf den westindischen Inseln; hundert Jahre später brachten sie die Portugiesen nach Java. Die Hawai-Inseln in der Südsee stehen heute an der Spitze aller Anbauländer. Ferner gibt es größere Kulturen auf den Westindischen Inseln, in Mittel- und Südamerika und auf den Inseln der chinesischen Meere. In Europa kommen größere Ananaskulturen auf der Krim und den Azoren vor.
Aüs diesen Anbauländern gelangen alljährlich große Mengen Früchte — auch als konservierte Ware — nach Europa. Die seit dem vergangenem Sommer auch in unseren Geschäften zeitweise angebotenen Früchte dürften unseren Handelsbeziehungen mit Kuba zu verdanken sein.
Wenig formschön gewachsene Exemplare werden in ihren Ursprungländern von der
harten Schale und dem Fruchtstrang befreit, geraspelt und zu Marmelade verarbeitet oder sie werden in Scheiben ode Würfel geschnitten, im eigenen Fruchtsaft mit Zucker sterilisiert und gelangen so als Konserve zur Ausfuhr.
Die Ananas findet als Kompottfrucht oder Bowlenzutat ferner in der Süßwarenindustrie und der Feinbäckerei Verwendung. Nicht nur als delikateste Tropenfrucht war die Ananas den Feinschmeckern früherer Zeit bekannt; man schätzte auch ihren gesundheitlichen Wert. Die Volksheilkunde wandte sie an als Heilmittel gegen Fieber, Wassersucht, Erkältungskrankheiten und Hautausschlägen.
Als Kuriosum zitieren wir ein Lob der Ananas aus dem „Nürnbergischen Hesperidum“ von 1714:
„Sie wird in allen denjenigen Schwachheiten, wo die Lebensgeister Noth leiden, als das beste erquickende Mittel, gleich dem herrlichsten Wein, gebraucht, wie es dann diejenigen, die durch allzuvielen Trieb der Liebe, in dem Venus-Kampff sich entkräftet und entgeistert, wundersam erquicket.
Es ermuntert das niedergeschlagene Gemüth, und erwecket gleichsam die eingeschläferten Geister. Wenn das Geblüth in all zu großen Jast geräth, und mit unmäßiger Gewalth in die Herz-Kammer eindringet und selbe ausspannet, kan die Ananas mit ihren süß-säuerlichen Theilen diese Wut besänftigen und dämpfen, daher sie gemeiniglich den Nahmen der zuverlässigsten Herzstärkung trägt.“
Diese auf aphroditische Genüsse anspielende Lobeshymne läßt uns heute nur noch belustigt schmunzeln. Sie mußte einem viel prosaischer anmutenden Urteil unserer Biochemiker weichen, das da lautet:
Infolge eines eiweißverdauenden Ferments; Bromelien genannt, das jedoch beim Konservieren zerstört wird, ist Ananas eines der besten Fleischverdauungsmittel. Rohe, leicht gezuckerte Ananasscheiben zu fettem Braten, Gans oder Ente genossen, heben nicht nur den Geschmack des Bratens, sondern ermöglichen auch manchem schwachen Magen, ein sonst verbotenes Mahl. In der Konserve jedoch büßt die Ananas nicht allein ihr natürliches Aroma, sondern auch ihre besondere diätetische Wirkung ein.
Möglich, daß den feudalen Vielfraßen die verdauungsfördernde Wirkung dieser Frucht bekannt war. So wird uns berichtet, daß große Herren sie „zur Leckerkost auf ihren Tafeln genießen … auch mit Pfeffer, Zimmet und anderen Gewürzen zubereitet.“
Kaum ein Dutzend Jahre vor der Züchtung der Ananas im Greizer Lustgarten weiß man zu berichten von einem im Boseschen Garten zu Leipzig gezüchteten Exemplar mit doppeltem Blätterschopf.
1715 wurde aus Kassel gemeldet, daß es dem Hofgärtner des fürstlichen Hofgartens gelungen sei, Pflanzen mit reifen Früchten zu züchten. Kurze Zeit zuvor brachte der „curieuse Medicus“ Kaltschmidt zu Breslau eine vollausgebildete Frucht zur Reife und sandte sie als Präsent an den kaiserlichen Hof nach Wien. Eine größere Anzahl reifer Früchte erntete 1718 ein holländischer Züchter in der Nähe von Leiden und bot 150 junge Pflanzen zum Verkauf an.
Eine andere Meldung lautet: „Anno 1720 ist in dem berühmten Hochfürstlichen Gothaischen Garten unter der Direction des in seinem Metier sehr verständigen Herrn Ober-Gärtners N. Kreckmeyers die Ananas zur vollkommenen Frucht gebracht worden, wobey sich zugleich auf und um die Frucht, wie auch an dem Stengel sechs Cronen befunden, so zum Verpflanzen dienlich gewesen.“
Von einem Wunderexemplar wird uns 1722 aus Leipzig berichtet, wo in dem Garten eines reichen Bürgers vor dem Peterstor „eine rothe ostindische Ananas-Frucht mit 12 Kronen zu sehen gewesen ist.“

„Coffe Bäumgen“
Die Urheimat des Kaffeebäumchens ist das tropische feucht-heiße Afrika, wo man es bereits vor mehreren hundert Jahren kultivierte und seine Bohnen als Anregungsmittel kannte. Dort, wie auch in vielen Teilen Süd- und Mittelamerikas, zieht man es in Plantagen bis zu 6 m hohen, reich verzweigten aber lockeren Büschen heran, die zur Blütezeit im Schmuck ihrer weißen, köstlich duftenden Blütenbüschel einen herrlichen Anblick bieten. Zur Reifezeit leuchten aus dem dunklen Grün seines Laubes die roten fleischigen Beeren mit je 2 Bohnen als Inhalt.
Ohne Schwierigkeiten läßt sich ein Kaffeebäumchen auch im Zimmer halten. Bedingungen sind nur: ein hoher Topf (Pfahlwurzell), ein Gemisch von Rasenerde, Lauberde und Sand, reichliche Bewässerung im Sommer, weniger im Winter, volle Sonne bei Temperaturen bis 20°, im Winter zwischen 13 und 15°. Freilich braucht man zur Anzucht Bohnen, die noch im Fruchtfleisch stecken. Da eine frische Kaffeefrucht nur schwer zu beschaffen ist, dürfte das Vorhaben einer Eigenzüchtung schon aus diesem Grunde kaum zu verwirklichen sein.
Hier eine Bitte an unsere Leser: Wer könnte unserem Gartenmeister Willy Zeiß – Greiz, Gewächshaus, einige ausgereifte Kaffeefrüchte zum Zwecke der Anzucht beschaffen? Als Getränk wurde der Kaffee in Europa erst um die Mitte des 17. Jahrhunderts bekannt. Von Venedig aus fand er zuerst Eingang in Süditalien, dann durch einen Gesandten aus dem Orient an den Hof Ludwig XIV. und kam um 1670 nach Deutschland.
Um 1740 war der Kaffeetrank an allen deutschen, Höfen und in den Häusern reicher
Bürger bekannt. Er blieb jedoch wegen seines hohen Preises eine Delikatesse bis weit in das 19. Jahrhundert. Zur Zeit, als sich die Greizer Bürger ihres Kaffeebäumchens erfreuten, war das Kaffeegetränk im Volk völlig unbekannt. Man bediente sich zum Frühstück des Branntweins, der Suppen, besonders der beliebten Warmbiersuppe. Nachmittags hielt man sich an eine Kanne Bier.
Doch schon einige Jahre später scheint auch der Greizer Bürger eine Vorliebe für den Kaffeetrunk entdeckt zu haben. Man kann es dem Zeitungsbericht eines Hofer Handelsmannes im „Greizer Intelligenzblatt“ des Jahres 1774 entnehmen. Seine Beobachtung gründet sich auf einen zweimaligen Besuch in Greiz, wobei er fand, „daß diese Leute (gemeint sind die Leineweber) bis auf die ärmsten Kämmer und Spinner sich das Caffeetrinken im höchsten Grad angewöhnt haben und dafür und für Zucker so vieles Geld nach Amerika schicken …“
Lange Zeit blieb es den europäischen Gärtnern ein Rätsel, Kaffeebäumchen aus Samen zu ziehen. Man verdächtigte die Araber, sie würden die Kaffeebohnen, bevor sie solche verschickten, mit siedendem Wasser brühen, um sie auf diese Weise zum Keimen und zur Anzucht außerhalb Ihrer Heimat untauglich zu machen. Der Grund für diesen Irrtum lag darin, daß man immer nur eine einzelne Bohne statt einer ganzen unbeschädigten Frucht samt Schale mit ihren zwei Böhnchen steckte.
1719 gingen im Garten des Grafen von Malmitz bei Sagan im Glogauischen Kaffeefrüchte auf, von denen ausdrücklich vermerkt wurde, „so nicht geteilet, sondern in der braunen Schale gestecket worden.“
Der erste Kaffeebaum wurde im Jahre 1710 aus Mekka nach Amsterdam gebracht, wo er im medizinischen Garten blühte und Früchte trug. Von den hier gezogenen Bäumchen stammten alle in europäischen Gärten kultivierten Exemplare ab. Einen der ersten Abkömmlinge machte der Rat zu Amsterdam Ludwig XIV. zum Geschenk. Dieses Bäumchen, etwa mannshoch und reife Früchte tragend, gelangte in den königlichen Garten nach Marly, andere Exemplare in den Schloßgarten von Versailles.
Aus Frankreich und Holland gelangten Kaffeebäumchen in die vornehmsten Gärten Deutschlands, gingen aber in Unkenntnis ihrer Wartung bald wieder ein.
Erst 1723 gelang es kundigen Gärtnern in den herrschaftlichen Gärten zu Dresden und Gotha Kaffeebäumchen zu kultivieren. Im gleichen Jahr blühte und fruchtete ein Exemplar aus Holland im Apelschen Garten zu Leipzig.
Im Sommer 1725 standen im Garten des Geh. Rats und Berghauptmanns von Münchhausen zu Wolfenbüttel, eines Verwandten des durch seine Abenteuer berühmt gewordenen „Lügenbarons“, vier Kaffeebäume in schönster Blüte und trugen reife Früchte. Wenn man von der Überlegung ausgeht, daß das Jahr 1737 als Zeitpunkt des Nachweises für Pisangbaum, Ananas, Kaffeebäumchen und einige andere bis dahin unbekannte Tropengewächse nicht unbedingt als das ihrer Aufnahme in den Orangeriebestand des Greizer Lustgartens zu gelten braucht, daß also diese Exoten schon einige Jahre früher hätten erworben sein können, so darf man wohl annehmen, daß die kleine Obergreizer Orangerie zu jener Zeit im Hinblick auf Seltenheiten unter ihren Gewächsen mindestens im mitteldeutschen Raum zwar eine bescheidene doch nicht ganz unbedeutende Rolle gespielt hat.
Die Nachricht von dem geglückten Bemühen des gleichen Greizer Schloßgärtners Gebhardt fünf Jahre später, eine Agave nach 25jähriger Pflege erstmalig im Vogtland zur Blüte gebracht zu haben, dürfte diese Vermutung bestätigen.
(Fortsetzung folgt).

Quelle und Literatur:Landesarchiv Greiz, Neues Rep., Kap. Gärten, Nr 4.
Zedler, Großes Universal Lexikon, Halle und Leipzig, 1732 bzw. 1733.
Dr. Johann Georg Krünitz’s ökonomisch-technologische Encyklopädie, Berlin 1810. Ilse Stappenbeck, der Park zu Greiz, Zeulenroda 1939.
Rudolf Schramm, Wiederauffindung eines Riesengemäldes im Greizer Sommerpalais, Greizer Kulturspiegel, Jahrgang 1961, Heft 9.
Dr. Werner Becker, Nachbemerkung zu vorig. Artikel, ebenda, Jahrg. 1961, Heft 10. Rudolf Schramm, Eine Treibhütte für den Pisangbaum und andere Exotika, ebenda, Jahrgang 1962, Heft 3 — und Ein Pflanzenverzeichnis der Obergreizer Orangerie aus dem Jahre 1737, ebenda, Jahrgang 1962, Heft 4.

Greizer Heimatbote Juni 1962
Wohnhaus des LPG-Bauern Rudi Meißer, Nitschareuth, nach der Renovierung 1961
Foto: Hessel

Das deutsche Volk braucht den Frieden wie das tägliche Brot, wie die Luft zum Atmen. Ein neuer Krieg auf deutschem Boden könnte das Ende der Nation sein.
Wohin aber geht die in zwei Staaten gespaltene deutsche Nation? Wohin geht die Deutsche Demokratische Republik? Ihr hat die Geschichte den Auftrag erteilt, dafür zu sorgen, daß niemals wieder vor deutschem Boden ein Krieg ausgeht. Wohin geht die westdeutsche Bundesrepublik? Sie hat das Erbe des deutschen Imperialismus und Militarismus übernommen und den Weg zur Vorbereitung eines neuen Revanchekrieges beschritten.
(Aus dem Nationalen Dokument „Die geschichtliche Aufgabe der Deutschen Demokratischen Republik und die Zukunft Deutschlands“)

Bekanntmachung der Natur- und Heimatfreunde
Alle Natur- und Heimatfreunde, Leser des „Heimatboten“ und Interessenten laden wir zu folgenden Veranstaltungen herzlich ein:
1. Zur Geologentagung des Bezirkes Gera im DKB am 2. und 3. Juni in Gera, Beginn 16.00 Uhr im Bertolt-Brecht-Klub
2. Zur Tagung der AG „Vogtland“ für Mineralogie und Geologie im DKB am 24. Juni in Schöneck. — Beginn 9.00 Uhr in der Bahnhofsgaststätte
3. Zum Burgfest in Ranis vom 23. Juni bis 1. Juli 1962
4. Zur 8. Vogtländischen Tagung der Natur- und Heimatfreunde am 1. Juli in Schöneck, HO-Hotel „Schönecker Hof“ — Beginn 9.00 Uhr.
Alle Interessenten an dieser Tagung möchten sich bitte zwecks gemeinsamer Fahrt im Sekretariat des DKB anmelden.
5. Zum Jocketaer Schul- und Heimatfestvom 1. bis 8.Juli.
Am Sonntag, dem 1. Juli, wird in Jocketa die modernste vogtländische Landschule eingeweiht. Sie erhält den Namen des Dichters Erich Weinert, dessen Witwe der Feier beiwohnen wird.
Am Sonnabend, dem 7. Juli, singt der bekannte Chor der Erweiterten Oberschule Stollberg i. Sa.
Am Sonntag, dem 8. Juli, schließt das Volksfest mit einem Feuerwerk. An beiden Sonntagen ladet die neue Schule zur Besichtigung ein.

PROF. DR. DR. ALBERT KUKOWKA
Wie Greiz sich anno 1770 gegen Seuchen wehrte
Hoher Schnee lag auf den engen Straßen und den Dächern der Häuser von Greiz. Die Stadt sah wirklich schmuck aus in ihrem Winterkleid, jedenfalls besser als sonst. Der Schmutz der Straßen, die holprigen Katzenköpfe und die vielen Pfützen waren verdeckt von dem weißen Teppich. Wuchtig thronte auf dem verschneiten Schloßberg die schneebedeckte Burg der Reußen. Ein eisiger Wind fegte um alle Ecken. Aber das Leben in der Stadt war nicht ausgestorben. Es war ja Silvester, der letzte Tag Anno 1770. Geschäftig trotteten Männlein und Weiblein durch den tiefen Schnee, um im „Braustübel“, beim Bäcker und beim Fleischer die letzten Einkäufe für die nächtliche Feier zu besorgen. Auch sonst war der Tag anders als die anderen. Irgend etwas lag in der Luft. Niemand war es entgangen, daß die Wachen an den Toren der Stadt seit den Morgenstunden verstärkt waren. Vielleicht wollte die Obrigkeit löblicherweise Vorsorge treffen, damit in der Silvesternacht die ehrsamen Bürger der Stadt nicht durch halbstarke und randalierende Burschen aus der Umgebung gestört werden. Der alte brave Weber Matthias Schneider ging gemächlich die Siebenhitze entlang. Er wollte gern noch manches einkaufen, aber das machte ihm Kopfschmerzen, denn in seiner Tasche fand er nur wenige Groschen. Plötzlich machte er einen großen Sprung, und mit einem nicht weniger kräftigen Fluch rettete er sich schnell auf die äußere Straßenseite. Beinahe wäre ihm ein Schlitten in die Beine gefahren. Denn heute gehörte die Straße den Kindern. Jede Gelegenheit nutzten sie, um Straßen und Gassen mit ihren Schlitten zu beherrschen. Ihr gutes Recht. Wozu hatte ihnen der Weihnachtsmann vor ein paar Tagen die Schlitten geschenkt? Natürlich wären sie gern den Schloßberg heruntergerodelt, aber wer hätte es gewagt, den Schnee auf dem hochgräflichen Hoheitsgebiet zu mißbrauchen? Schon setzte der brave Matthias Schneider, nachdem er sich vom ersten Schreck erholt hatte, den übermütigen Buben nach, um sie für den Schabernack mit einer Tracht Prügel zu bedenken, denn er war trotz vieler Arbeit und kargen Lohns ein braver Untertan und sorgte in jeder Lebenslage für Ordnung und Subordination. Da wurde sein erzieherischer Drang plötzlich gehemmt. Nicht weit entfernt stand die hohe Obrigkeit in Gestalt des Polizisten Adolf Stößlreißer mit seinem mächtigen Schnauzbart. Im Takt, genau nach der Dienstvorschrift, schwenkte er die Amtsglocke, und mit Stentorstimme sprach er zu, dem bereits in großer Anzahl versammelten Volk: „Ihr Bürger von Greiz! Ich gebe kund und zu wissen, alldieweil und sintemalen unseren geliebten hochwohllöblichen Grafen und auch Euch, den Untertanen, alt und jung, eine große Gefahr dreuhet, also haben Dero Gnaden geruht, Euch folgendes Mandat gnädigst kundzutun.“ Hier machte er eine kleine Pause, nicht nur, um sich an der Wirkung seiner Amtshandlung zu weiden, auch aus einem anderen Grunde. Vernehmlich und erfolgreich schneuzte er seine ansehnliche, durch die Kälte recht stark triefende Nase. Er tat es achtunggebietend und mit großem Zeremoniell. Angesichts des beißenden Frostes hätte er in diesem Moment viel lieber das Branntweinfläschchen benutzt, das wohlverwahrt in der Patronentasche lag. Aber das hätte seiner Autorität Abbruch getan. Verärgert begnügte er sich also in strammer Haltung als Ersatz mit einer voluminösen Portion des kräftigen Schmalzlers aus seiner mächtigen,Schnupftabakdose. Die alten Spuren des fetten Schnupftabaks waren deutlich am Uniformrock erkenntlich. Manche begannen zu schmunzeln. Dieses unbotmäßige Verhalten unterdrückte Adolf Stößlreißer energisch und prompt mit grimmigem Blick und einem grollenden, bedrohlich ausgestoßenen „Silentium“! Und dann fuhr er in seiner Amtshandlung fort. Nochmals ließ er kurz, ruckartig die Glocke ertönen, entrollte ein mit fünf Siegeln versehenes großes Papier und verkündete dem gehorsamst und untertänigst zuhörendem Volke:

„WiR Heinrich der Andere, Stammes Aeltester, Heinrich der Zwölfte, Heinrich der Elfte, Heinrich der Vier und Zwanzigste, und Heinrich der Dreysigste,
Sämtliche Eltere und Jüngere Reußen, Grafen und Herren von Plauen, Herren zu Greiz, Crannichfeld, Gera, Schleiz und Lobenstein. Fügen, nebst Entbietung Unsers gnädigsten Grußes, denen von der Ritterschaft, Amtleuten, Schößern, Stadt und Land-Richtern, Bürgermeistern und Räthen in Städten, Verwaltern, Richtern, Schultheißen und Gemeinden Unserer Herrschaften und insgemein allen Unsern Unterthanen zu wissen: Nachdem, wie bekannt, in denen Gemeinden der Moldau und Wallachey, auch in Pohlen, durch epidemische Kranckheiten eine große Anzahl Menschen sterben, dieserwegen auch bereits von benachbarten Reichs-Ständen zu Abwendung besorgender weitern Ausbreitung dienende Veranstaltungen gemacht werden: Daß Wir, obgleich der allerhöchste Gott uns, aus Gnaden, noch mit dergleichen Kranckheiten verschonet, jedoch aus gleichmäßiger Landesväterlicher Fürsorge, dem löblichen Vorgang anderer Reichs-Stände beytreten und in Zeiten alles mögliche, so viel an Uns ist, vorkehren wollen. Und weiln daher nöthig, daß alle Fremde, die aus denen Gegenden der Moldau und Wallachey durch Pohlen, Schlesien, Oesterreich, Böhmen kommen, nicht ohne glaubwürdige Zeugniße eingelassen werden; Als wird denen von der Ritterschaft, Amtleuten, Schößern, Stadt- und Land-Richtern, Bürgermeistern und Räthen in denen Städten, Verwaltern, Richtern und Schultheißen derer Gemeinden, auch allen andern Unsern Unterthanen hiermit ernstlich befohlen und auferleget, an denen Grenzen und Pässen, auch sonst in Städten und Dörfern, mit Bestellung tüchtiger Wachen sonderlich aber genauer Examination obbemeldeter Fremden ihrer Pässe und Zeugnisse, daß sie von keinen gefährlichen oder verdächtigen Orten herkommen, binnen Sechs Wochen in- und bey dergleichen sich nicht befunden, keine Waaren daselbst geladen, oder unterwegs inficirte oder auch nur verdächtige Orte berühret, ungesäumt dergestaltige Verfügung zu thun, damit weder jemand, ohne daß die GesundheitsPäße oder die, der gehaltenen Quarantaine halber, bey sich habende Attestete, oder, wofern diese etwa unter wegens irgend wo abgegeben werden müssen, die statt deren gegebene glaubwürdige Bescheinigungen über deren Production und Abgebung, in allen richtig befunden worden, eingelassen, noch bis zu anderweitiger Verordnung, aus Eingangs erwehnten, epidemischer Kranckheiten halber, verdächtigen Landen, etwas von Waaren, so leichtlich Gift fangen, als Pelzwerk, Wolle, wollenen Zeugen, Leinwand, Garn, Flachs, Cameel- und anderen Haaren, Kleidern, Tuchen und dergleichen ins Land gebracht; auch, daß von denenjenigen, welchen die Wache anbefohlen und die die Reisenden wegen ihrer Pässe zu befragen haben, nicht um Gabe, Geschenk, Freundschaft oder anderer Ursache willen, das geringste nachgesehen werde. Alles bey Vermeidung schwerer Verantwortung und Strafe gegen die Verbrecher und diejenigen, die sich dieser Verordnung zuwider, einschleichen möchten, weswegen dann überall tüchtige Personen zur Wache zu bestellen, und diese, ob sie ihrer Schuldigkeit gebührend nachkommen, von denen Vorgesetzten, und auf dem Lande von Richter und Schultheißen, bey Vermeidung scharfen Einsehens und Bestrafung, fleißig zu visitiren sind. Diejenigen aber, die außer Landes zu verreisen Willens oder Waaren verschicken, sollen sowohl in Ansehung derer Personen als Gütere, mit Gesundheits-Päßen sich versehen. Wornach sich also männiglich zu achten. Urkund dessen haben Wir dieses Mandat nicht alleine eigenhändig unterschrieben und mit Unsern gewöhnlichen Hand-Signetten wissendlich besiegeln lassen, sondern auch dasselbe in Abdruck aller Orten bekannt zu machen befohlen. So geschehen, den 31sten December 1770″.

Schwer atmete der Polizist auf, als er endlich das lange Mandat beendet hatte. Es war ihm Wirklich nicht leicht gefallen. Oft mußte er sich räuspern, um nicht über schwierige Worte, die er falsch betonte, vollends zu stolpern. Und oft mußte er die tropfende Nase wischen. Außerdem war er sichtlich verärgert und verschnupft darüber, daß die hochwohllöblichen Grafen in so wenig respektierlicher Art die Unbestechlichkeit der Wachorgane in Zweifel gezogen haben. Aber sofort unterdrückte er seine aufrührerischen Gedanken. Denn wie lautet die Parole: die Obrigkeit hat immer recht. Basta: Er genehmigte sich eine neue Portion des kräftigen Schmalzlers, und damit war seine seelische Harmonie schnell wiederhergestellt. Und dann ging’s stracks ins „Braustübel“, wo ihn der freigebige Wirt mit devoter Verbeugung begrüßte und ihm sofort einen „Echten Grazer“ und alsbald hernach einen doppelten Branntwein kredenzte. Das Volk auf der Straße diskutierte noch lange über das Mandat und lobte die Weisheit und Fürsorge der Landesherren. Nur war man sich nicht ganz einig darüber, ob es den Wachen gelingen werde, den Geschenken der Fremden zu widerstehen. Allmählich leerten sich die Straßen und Gassen. Tief beeindruckt von den Nachrichten und voll banger Angst erwarteten die Greizer das neue Jahr. Silvester 1770 war ihnen verleidet. Das Ratsstübel, das gerade heute so viele Gäste erwartet hatte, war leer. Traurig saß der enttäuschte Wirt hinter seinem Schanktisch und unterhielt sich nur zögernd mit Adolf Stößlreißer. Der aber trank immer wieder sein Gläschen Branntwein. Denn Branntwein sei doch so gut gegen allerlei Seuchen, suchte er dem sichtlich schläfrigen und gelangweilten Gastwirt immer wieder zu beweisen. Am Vormittag des Neujahrstages 1771 traf Adolf Stößlreißer, nachdem er seinen schweren Rausch ausgeschlafen hatte, den ehrwürdigen Stadtphysikus. Er salutierte und sprach mit heiserer, verrosteter Stimme, vorsorglich die Hand vor den Mund haltend: „Ein gesegnetes neues Jahr, Ew. Hochwohlgeboren! Permittieren, gehorsamst mit Verlaub zu fragen, wie schützt man sich am besten gegen die also drohende Seuche?“ Der Physikus lüftete seinen Zylinder, putzte umständlich seine Brille und sprach mit wohlgesetzten Worten: „In casu einer Epidemie sei prima vermerkt — Reinlichkeit der Persona; secundo Reinlichkeit der Stadt und der Brunnen und tertio et ultimo — ein gefährlich Gift ist der Brandewein!“ Stelreißer hielt schnell die Hand vor den Mund, salutierte kurz und entschwand eiligst den Blicken des verduzten Physikus. Am zweiten Januarius Anno 1771 tagte der Rat der Stadt, und in den nächsten Tagen konnten die Bürger von Greiz ein neues Mandat an allen Mauern der öffentlichen Gebäude lesen. Da war allerlei wichtiges vermerkt, geboten und verboten: Jeder kehre vor seiner Tür. Unrat auf Straßen und Wegen, in Häusern und Höfen ist bei Androhung hochnotpeinlicher Strafen sofort zu beseitigen und auf der Stadtwiese beizeiten zu verbrennen. Händereichen ist verboten. Defäkieren und Vomitieren auf Straßen und Wegen wird mit Karzer gesühnt. Derogleichen nicht an Wänden und Zäunen das Wasser abschlagen, wie es Hunden und anderen Getier beliebt. Männer und Frauen sowie auch Kinder müssen zu jeder Tages- und Nachtzeit saubere Schneuztüchlein bei sich tragen. Der Hofapotheker ist gehalten, für Jedermanns stillen Örtchen im Hof gechlorten Kalk zu wohlfeilem Preis bereitzustellen. Der Verbrauch von Seife und Soda muß fleißig erhöhet werden, denn dies ist ein Zeichen höherer Kultur. Wasser muß vor dem Gebrauch und Genuß recht gut gekocht werden. Item Gemüse und Fleisch und Fisch gründlich waschen und nur nach langem Kochen oder tüchtigem Braten am Spieß oder in der Pfanne genießen. Alkohol von jeder Art und Menge ist nur vom Hofapotheker und nur gegen Rezeptur des Physikus erhältlich etc. Die Greizer befolgten als gehorsame reußische Untertanen alle obrigkeitlichen Mandate. Und die Stadt blieb verschont von der drohenden Seuche. Und seither war Greiz eine lange Zeit berühmt wegen seiner sauberen Straßen und weit und breit bekannt und benannt als „Perle des Vogtlands“.

ANITA WALDMANN
Wider eine alte Trägheit
„Von hinten aufgezäumt“ für einen flotten Trab in die neue Spielzeit

Wie die Katze um den heißen Brei, so gehen viele Bürger um die jedem geöffneten Türen unserer größten külturellen Einrichtung des Kreises herum, ums Theater. Sie meinen, lieber Leser, die fast allabendlich gegen 19.45 Uhr sehr belebte Augasse und die Spielpläne mit den Anrechten A, B, C usw. straften diese Behauptung Lügen? Keineswegs! Man darf nur nicht sagen „ich sah Müllers und Schulzens und es war ganz gut besucht“, man muß viel öfter fragen, welche Meiers und Schmidts man nicht gesehen hat und um wieviel besser der Besuch hätte sein können …. So jedenfalls, „von hinten“, werden in der Anrechtsstelle des Theaters „die Pferde aufgezäumt“.

Einschätzung zum Ende der Spielzeit 1961/62
Es sei vorweg betont: Diese Einschätzung gilt nicht für die Spielplangestaltung, nicht für die Qualität der Aufführungen, sondern bezieht sich ausschließlich auf das feste Verhältnis Besucher – Theater, also auf die Gruppen-(Betriebs-) und Einzelanrechte.
„In dieser Spielzeit war die Zahl der Anrechte, verglichen mit den Vorjahren, zurückgegangen”, stellte mit Bedauern Anrechtsstellenleiter Hans-Joachim Argus fest. „Gewiß, gerade in den letzten Monaten wurden in Industrie und Landwirtschaft die Anstrengungen erhöht, um große ökonomische Erfolge zu erreichen. Das aber kann, darf nicht die Ursache sein für jene fallende Tendenz, denn „Die gesamte kulturelle und ökonomische Propaganda und die Arbeit aller Bildungs- und Kultureinrichtungen muß der einen großen Aufgabe dienstbar gemacht werden: dem Kampf um die Steigerung der Arbeitsproduktivität und um die Förderung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts“, wie Walter Ulbricht auf dem 14. Plenum des Zentralkomitees der SED betonte. Daß sich berufliche Aufgaben mit kulturellen Bedürfnissen nicht ,beißen‘ zeigt sich z. B. im Werk III des VEB Textilia, wo 80 Anrechte bestehen.“ Gibt es solche guten Beispiele nur in der Industrie? „Keineswegs. Aus Berga, Neumühle oder Fraureuth kommen Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte regelmäßig zu uns ins Theater“, lautet die Antwort von Hans-Joachim Argus. „Bei den Landgemeinden gar kommt noch eine längere Omnibusfahrt, also größerer Zeitaufwand hinzu — und sie kommen doch! Nitschareuth, Pöllwitz, Culmitzsch und etliche andere Gemeinden könnten da in einem Atemzuge genannt werden. Viele dieser Anrechte bestehen schon seit Jahren. Oder anders: Diesen Anrechtlern ist der Theaterbesuch schon seit Jahren zum Bedürfnis geworden.“
„Und wer ist nun nicht da?“ will ich, auf die eingangs erwähnte Frage zurückkommend, wissen. Hans-Joachim Argus macht ein sehr bekümmertes, beinahe böses Gesicht, und legt gleich los (und das ist wieder ein sehr schlechtes Zeichen — nicht für ihn!): „Das gesamte Volkspolizei-Kreisamt ist nicht mit einem einzigen Gruppenanrecht vertreten, vom Werk I des VEB Feuerungsbau fehlt das gesamte Leitungskollektiv, dem es alle Meister und auch der BGL-Vorsitzende gleichtun; im Hause der SED-Kreisleitung sind die Anrechte gegenüber der Spielzeit 1960/61 um zehn zurückgegangen; von den Beschäftigten des Rates des Kreises zählen rund 80% nicht zu: den Anrechtlern, bei der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung sind es rund 70%. In bezug auf die Jugendlichen besteht in den Betrieben kein genauer Oberblick. In den Schulen — z B. der Goethe-, Lessing-Oberschule, der Erweiterten Oberschule, der BBS ,Junge Garde‘ und ,Magnus Poser‘ — ist man bemüht, die Jugendlichen ans Theater heranzuführen, und das auch mit Erfolg. Leider werden aber diese guten Ansätze, so scheint es uns, später, von den Betrieben nicht genug beachtet und gepflegt. Sonst müßten in den Gruppenanrechten der Betriebe noch mehr Jugendliche vertreten sein.“

Was wird vom Theater getan?
„Seit Jahren geben wir unsere Werbehefte, Mitteilungsblätter (im April-Heft z. B. war eine Vorschau auf die Spielzeit 1962/63) und Programme heraus, die auch sehr gern genommen und gelesen werden — doch folgt diesem Interesse an der Information nicht immer das Interese am Theatererleben.“ Wahrscheinlich sind diese Publikationen doch ein wenig zu sehr „Selbstlauf“. Wie spricht man unmittelbar mit den Menschen? „In allen Betrieben und Institutionen oder Gemeinden, wo Gruppenanrechte bestehen oder die Voraussetzungen dazu gegeben sind, sind Mitarbeiter für uns als Theaterbeauftragte tätig. Mit den Theaterbeauftragten wird z. B. über jede Inszenierung (vor der Premiere) genauso gesprochen wie über organisatorische Angelegenheiten. Diese Kolleginnen und Kollegen sollen jederzeit in der Lage sein, mit ihren Betriebsangehörigen über den Theaterbesuch zu diskutieren. Leider aber bleibt es manchmal noch beim Kartenverkauf. Oder: Die Theaterbeauftragten werden im Betrieb gerade noch als existent betrachtet. von den Funktionären aber nicht unterstützt.
In den letzten Jahren waren oftmals Künstler in verschiedenen Betrieben, um Feiern oder Mittagspausen auszugestalten und einen persönlichen Kontakt zu den Werktätigen herzustellen. In diesen Wochen nun werden wieder einige Künstler in die Betriebe gehen, um mit den Werktätigen wie mit den Funktionären über unsere kulturpolitischen Aufgaben zu sprechen — und dazu gehört auch die Arbeit unseres Theaters.“
Wie soll es weitergehen?
„Für die nächste Spielzeit wollen wir unter allen Umständen mehr Gruppen- bzw. Einzelanrechte verzeichnen“, sagte Hans-Joachim Argus. „Das gute Beispiel besonders bekannter und angesehener Personen im Ort oder im Betrieb kann dabei zu einer spürbaren Hilfe werden. Wir wissen das u. a. aus Nitschareuth und Kleinreinsdorf, wo Bürgermeister Kühnert bzw. Jürgen immer ,mit von der Partie‘ ist. Diejenigen, die ,hin und wieder mal, wenn’s grad paßt‘, ins Theater gegangen sind (und ihrer gibt es nicht wenige, wie erst kürzlich die ,Tannhäuser‘-Gastspiele oder zahlreiche Freiverkaufs-Vorstellungen bewiesen!), würde ein Anrecht oft unmerklich zum kulturellen Erleben-Wollen erziehen. Das dürfte für den ,Laufkunden‘ genauso ein Gewinn sein wie für den Fernsehfreund. Jener hat über den ganz unzweifelhaft aktuellen Blick in die Welt oft schon seit Jahren vergessen, daß ein Theaterbesuch für ihn und seine Frau einen erlebnisreichen und gehaltvollen Abend bringt.
Sozialistische Kulturarbeit soll die Lebensfreude und Kampfbereitschaft der Werktätigen stärken. Das ist für die Mitarbeiter des Theaters eine bedeutsame Verpflichtung des 14. Plenums, die sie auf der Bühne gern realisieren wollen, die aber im Zuschauerraum ihr Echo finden muß. So sollten es alle verstehen, die wir ansprechen, das Theater der Stadt Greiz als Anrechtler zu besuchen!“ Es wäre auch unbegreiflich, wollten wir nicht nutzen, was uns zugänglich ist. „Im grundsätzlichen Unterschied zu Westdeutschland“, heißt es im Nationalen Dokument, „das infolge der Herrschaft der Imperialisten und Revanchepolitiker auf dem Gebiet der Kultur — ebenso wie auch auf dem Gebiet der Sozialpolitik — immer mehr zu einem tatsächlich unterentwickelten Land wird, entsteht in der Deutschen Demokratischen Republik auf der Grundlage der geschichtlich überlieferten eine neue humanistische, eine sozialistische deutsche Kultur. Sie ist dem ganzen Volke zugänglich. Sie ist für das ganze Volk da.“

Zur Uraufführung der Oper
„Dorian Gray“

Greizer Heimatbote Juni 1962
Werbung im Greizer Heimatbote Juni 1962: Konsumgenossenschft Greiz
Nach der bei Presse und Publikum mit großem Beifall aufgenommenen Uraufführung des Kriminalstückes „Verdammtes Gift“, das der Schauspieler Friedrich Schmidt schrieb, bemüht sich das Theater der Stadt Greiz um eine zweite Uraufführung. Diesmal wird sich das Opernensemble mit der phantastischen Oper „Dorian Gray“ der Öffentlichkeit präsentieren.
Komponist ist Robert Hanell, der 1. Kapellmeister der Komischen Oper Berlin. Hanell wurde hauptsächlich durch die Vertonung von Georg Kaisers Anti-Kriegs-Stück „Die Spieldose“, die an vielen Bühnen unserer Republik lief, bekannt.
„Einer der Gründe, weshalb ich diese Literatur-Oper schrieb, war, mitzuwirken bei den Bestrebungen, den alten Opernzopf zu vernichten, der althergebrachten Opernbranche Abbruch zu tun. Wir müssen endlich erreichen, daß auf der Opernbühne nicht mehr Nur-Sänger, sondern singende Schauspieler stehen. Dazu brauchen wir jedoch Werke, die eine lebensechte und wahre Darstellung auf der Bühne nicht nur ermöglichen, sondern erzwingen.”
Diese Worte, für die „Spieldose“ geschrieben, haben auch für den „Dorian Gray“, Hanells vierte Oper, seine volle Berechtigung. In Oscar Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ fand Hanell ein Sujet, das alle geforderten Voraussetzungen mitbringt und das darüberhinaus noch eine Fülle musikalischer Impressionen und Situationen gibt.

Dorian Gray, ein junger, verwöhnter Aristokrat, wird von dem Maler Basil Hallward porträtiert. Im Bewußtsein seiner Schönheit, das ihn wie ein Rausch überkommt, versteigt sich Dorian zu dem Wunsch, das Bild möge statt seiner altern. Auf sonderbare Weise geht seine Bitte in Erfüllung; Die Jagd nach Abenteuern, nach unersättlichem Lebensgenuß, zu der ihn die höchst verderblichen, skrupellosen Ansichten Lord Henrys verführen, steht nun nichts im Wege. Dorian verstrickt sich immer mehr in Schuld, er sinkt seelisch und moralisch ständig tiefer. Das Bildnis wird der Spiegel seines Gewissens und als Dorian sich des verhaßten Anblickes entledigen will, gibt er sich selbst den Tod. Das Bild erstrahlt wieder in voller Schönheit, vor ihm liegt ein alter, von allen Lastern gezeichneter Leichnam.
In der Greizer Inszenierung — an der Uraufführung sind noch die Städtischen Bühnen Magdeburg und die Staatsoper Dresden beteiligt — hat MD Joachim-Dietrich Link die musikalische Leitung. Die Regie liegt in den Händen von Wilhelm Wehner, für die Ausstattung zeichnet Günter Altmann verantwortlich. Die Titelpartie singt Georg Czekalla. Die Premiere findet am 14. Juni statt.
Margarete Thomas

DR. ERICH MARTIN
Unsere größten Talsperren
Mehrere Tageszeitungen, unter anderen auch die „B.Z.“, die Berliner Zeitung, brachten kürzlich ein sehr interessantes Bild vom Bau der Mauer für den neuen Stausee im Triebtal. Leider aber hat die irrtümliche Beschriftung allerlei Verwirrung hervorgerufen.
Welche Talsperre ist die größte? Als die größte Talsperre muß die angesehen werden, deren Stausee die größte Wassermenge fassen kann. Das ist in Deutschland die am Bleiloch bei Saalburg mit 215 Millionen Kubikmetern. Will man sich diesen Raum vorstellen, so muß man an einen Würfel denken mit einer Seitenkante von 600 Metern Länge. Der Bleilochsperre folgt der Größe nach in Westdeutschland die im Edertal mit 205 Millionen. In der Rangordnung liegt diese zwischen den beiden großen Saaletalsperren, von denen die bei Hohenwarte oberhalb Saalfeld 185 Millionen aufnehmen kann. In der DDR ist sie also die zweitgrößte. Erst als drittgrößte schließt sich die im Tale der Rappbode an. 107 Millionen werden durch dieses Werk im Harz gestaut. Die neue Sperre im Triebtal wird den vierten Platz einnehmen. Mit 63 Millionen wird sie größer sein als die bisher in Sachsen gebauten.
Zu einer anderen Reihenfolge kommen wir allerdings, wenn wir nach der Höhe der Mauern ordnen wollen. Wir stehen staunend an ihnen, ohne ermessen zu können, welchen Nutzeffekt sie haben. Bei dem starken Gefälle der Harztäler war an der Rappbode eine Mauer von 105 Meter aufzuführen. Die Mauer bei Hohenwarte hat eine Höhe von 74 Metern, die der Bleilochsperre in einer Diabas-Schlucht des Burgkwaldes ist nur 65 Meter hoch. Die Krone der neuen Mauer im Triebtal verläuft in einer Höhe von 50 Metern über dem Talgrund. Auch hier begünstigt eine Schlucht im felsigen Diabasgestein die Anlage des Stauwerkes.

DR. ERICH MARTIN
Sommerwetter zu Ostern
Der April liebt zu necken. So überraschte uns dieser Monat zu Ostern mit sommerlichen Temperaturen und mit einem Gewitter am Karfreitag. Es blieb jedoch nicht bei diesen hohen Wärmegraden, in den letzten Tagen trat wieder eine empfindliche Abkühlung ein. Nach Dekaden betrachtet ergibt sich folgendes Wetterbild:

Monatsdrittel Temperatur Bedeckung Niederschlag
1. – 5,7° 60% 15,2 mm
11.-20. 7,9° 68% 6,8 mm
21. -30. 11,1° 60% 7,3 mm
im April 8,2° 63% 29,3 mm

Löst man die 9 warmen Tage aus diesem Verbände, dann heben sich diese kräftig heraus:

Tage Anzahl Wärme Bewölkung Niederschlag
1. -17. 17 5,6° 61% 22,0 mm
18. -26. 9 14,5° 54% 0,7 mm
2,7. -30. 4 5,0° 87% 6,6 mm
im Monat 30 8,2° 63% 29,3 mm

An den 5 Frosttagen des ersten Abschnittes war es am 11. mit -1,4° am kältesten, dann waren der erste und der dritte Ostertag Sommertage mit einem Thermometerstand von 27,5°. Die Vegetation, die sich vorher nur zögernd entwickelt hatte, bekam in diesen angenehmen Tagen einen mächtigen Aufschwung.

Greizer Heimatbote Juni 1962
Werbung im Greizer Heimatbote Juni 1962: Feutron -Spezialbetrieb für industrielle Feuchtemessung