Postkarten/Fotos/Dokumente – Greiz 20.JahrhundertVon 1930 bis 1957 befand sich die Greizer Bibliothek im Unteren Schloss.

Erst seit September 1993 sind alle Bereiche repräsentativ unter einem Dach vereint
GREIZ. In wenigen Wochen jährt sich zum 85. Mal der Tag, an dem in Greiz die erste Bibliothek entstand. Am 27. April 1930 wurde durch den Rat der Stadt in den Räumen des Unteren Schlosses die Stadtbibliothek mit etwa 2800 Bänden eröffnet. Drei Räume befanden sich im Obergeschoss (heute Teil des Museums) und einer im Erdgeschoss, in dem ein „Lesezimmer“ ( heute Bereich Magazin-und Werkstatträume) eingerichtet wurde. Die Benutzungsbedingungen sahen vor, dass man zwei Bücher mitnehmen konnte – einen Roman und ein Sachbuch. Für jedes entliehene Buch wurde eine Lesegebühr von 10 Pfennig erhoben; Jugendliche von 14 bis 18 Jahren zahlten die Hälfte; Erwerbslose, Klein-und Sozialrentner befreite man von der Gebühr. Nach drei Jahren des Bestehens wurde die Bibliothek in den Beginn der faschistischen Herrschaft in Deutschland hineingezogen: ab 1933 mussten viele Bücher fortschrittlicher und jüdischer Autoren aus dem Bestand entfernt werden. Trotzdem wuchs der Buchbestand und machte die Arbeit in den Räumen des Unteren Schlosses immer schwieriger – mittlerweile war der Bestand im Jahr 1943 auf etwa 10.000 Bände angestiegen. 1943 wurde das „Lesezimmer“ aufgegeben und nach dem Einbau einer Verbindungstreppe zu den darüber liegenden Ausleihräumen in ein Büchermagazin umgewandelt. Im April 1945 wurde die Stadtbücherei geschlossen. Es folgten Wochen und Monate, in der die faschistische Literatur – insgesamt 3556 Bände – entfernt wurde. Am 15. Oktober 1945 folgte dieser Erneuerung die Wiedereröffnung; zum Leiter wurde Hugo Klinkenberg (1900-1975) ernannt. In dieser entbehrungsreichen Zeit stand einem großen „Lesehunger“ zunächst nur ein bescheidenes Angebot gegenüber. Ergänzend muss berichtet werden, dass am 1. Oktober 1949 – zunächst im Unteren Schloss, ab 1952 in der Brauhausgasse – eine Musikbibliothek (Leitung Dr. Herbert Zimmer) und im Jahr 1951 eine Jugendbücherei (Leitung Traute Nilius) eingerichtet wurden. In der Hauptbibliothek im Unteren Schloss wuchsen die Bestände stetig weiter. Ende des Jahres 1953 wurden 17.146 Bände gezählt. Bereits am 1. Januar 1953 war die Benutzung kostenfrei gestellt worden. Im Mai 1954 kam es zu einer kritischen Situation: Die Bücherei wurde wegen zu starker Deckenbelastung durch die Bauaufsicht gesperrt. Ein Ortswechsel war nunmehr nicht länger aufzuschieben, doch sollten bis zur Realisierung noch einige Jahre vergehen. Am 1. Januar 1955 vereinigte sich die Stadtbücherei mit der Kreisstelle für Bibliothekswesen zur Stadt-und Kreisbibliothek, deren Leiter Walter Opitz wurde. Um die Ausleihe im Unteren Schloss nach der baupolizeilichen Sperre zu entlasten, wurde im Jahr 1956 eine sogenannte Ladenbibliothek in der Straße des 1. Mai (heute Thomasstraße) eröffnet. Ein Jahr später verlegte man sie in das bisherige Geschäft „Samen-Seydel“ am Kirchplatz 5, wo sie als „Bibliothek am Röhrenbrunnen“ zwanzig Jahre lang den Greizern ins Bewusstsein ging. Am 8. Oktober 1957 konnte die Hauptbibliothek im Unteren Schloss endlich ihr Domizil verlassen und fand auf dem Gartenweg 3 – bis zum Jahr 1989 – ihr neues Domizil. Der Bestand war um diese Zeit bereits auf 40.704 Bände erweitert worden; ebenso entstanden die Nebenstellen Pohlitz (1952) und Irchwitz (1959). In der Bücherei am Röhrenbrunnen wurde im Jahr 1962 begonnen, von der „gebunden Ausleihe“ – das heißt, dass der Benutzer selbst keinen Zugang zu den Büchern hatte, sondern nur durch Vermittlung und Beratung des Bibliothekars dazu gelang – zur „Freihandausleihe“ überzugehen. Der Leser konnte nach einer völligen Neustrukturierung und -orientierung der Bibliothek selbst zwischen den Bücherrücken entlanggehen und seine Wahl treffen. Da sich der Gesundheitszustand von Walter Opitz drastisch verschlechterte und er das Amt aufgeben musste, wurde Ende 1960 Hugo Klinkenberg wieder als Leiter eingesetzt, mit dessen Namen die große Entwicklung der Greizer Bibliothek untrennbar verbunden ist. Im Jahr 1975 verstarb der verdiente, langjährige Leiter der Greizer Bibliothek. Zu seinem Nachfolger wurde Dipl.-Bibliothekar Erwin Beran benannt. Aus gesundheitlichen Gründen musste dieser bereits nach zwei Jahren die Stellung wieder aufgeben. Von Juli 1979 bis Januar 1980 war Dipl.-Kulturwissenschaftler Hans-Georg Kupfer mit der Bibliotheksleitung betraut; anschließend übernahm Beate Tryonadt die Bibliotheksleitung.
Bereits im Jahr 1972 war als eine besondere Abteilung innerhalb der Bibliothek der Regionalbestand gebildet worden, der zunächst in der Bibliothek am Röhrenbrunnen und nach deren Verlagerung im Jahr 1976 in die neue Bibliothek in der Straße der DSF 3 (heute Marstallstraße) gebracht wurde. Am Ende des Jahres 1979 – kurz vor ihrem 50-jährigen Bestehen – erreichte die Greizer Bibliothek die Grenze zum 100.000-Bände-Bestand. Das 50-jährige Bestehen der Einrichtung wurde am 30. April 1980 festlich begangen. In Zusammenarbeit mit dem FDGB-Kreisvorstand und anderen Partnern organisierte die Stadtbibliothek im Theater der Stadt Greiz (damaliges Kreiskulturhaus „DSF“) zehn Literaturbälle, die unter verschiedene Themen gestellt wurden.
Im Jahr 1993 gab es im Bibliothekswesen der Stadt Greiz eine Zäsur: Die Stadt-und Kreisbibliothek erhielt auf dem Kirchplatz im ehemaligen, komplett neu sanierten Lyzeum ein neues, repräsentatives Domizil und offeriert seitdem Literatur für Groß und Klein, Zeitschriften, Tonträger, moderne Medien und den Regionalbestand unter einem Dach. Seit 16. September 1993 leitet Corina Gutmann die Bibliothek, die sich zudem durch Ausstellungen, Vorträge, Lesungen und lebendige Kooperationsverträge mit Greizer Schulen einen Namen gemacht hat.

Antje-Gesine Marsch @05.02.2015