2.Bundesliga Nord Ringen: AC Werdau gegen RSV Rotation Greiz

AC 1897 Werdau – RSV Rotation Greiz: 9:10

Radoslaw Kisiel (blaues Trikot) muß sich eines Angriffes von William Stier erwehren
Radoslaw Kisiel (blaues Trikot) muß sich eines Angriffes von William Stier erwehren
WERDAU. Das Drehbuch hätte von einem Hollywoodfilm stammen können. Dort werden seit Jahrzehnten Filme mit der Thematik Sport produziert. Ein Athlet oder eine Mannschaft erleidet alle vorstellbaren Tiefschläge und ist am Ende doch der strahlende Sieger. Ähnlich erging es den Greizer Ringern in dieser Saison. Nach guten Start mit drei Siegen folgte eine durch Verletzungen und Krankheiten geprägte Leidenszeit mit dem Ausfall der halben Mannschaft, die drei Niederlagen – die Vogtlandderbys in Markneukirchen und Pausa waren besonders schmerzhaft – nach sich zogen. In der Vorwoche leisteten die mit einigen Ersatzleuten antretenden Gelenauer Aufbauarbeit, nun stand der Spitzenkampf gegen den schon vor der Saison auf Grund seiner hochkarätigen Zugänge als Mitfavorit für den Staffelsieg gehandelten Tabellenzweiten AC 1897 Werdau an. Die Werdauer gehörten zu DDR-Zeiten mit ihrem langjährigen und heute noch im Jugendbereich aktiven Trainer Horst Hinze zu den führenden Teams des Landes. Seit der Wende gelang aber kein Sieg mehr gegen Greiz. Das sollte sich am Sonnabend nach Vorstellungen der Gastgeber ändern. Die Erwartungen bei den Westsachsen waren riesig. Bernd Schröder, der aus Greiz stammende Hallensprecher, in seiner Heimatstadt ein begeisterter Fortschritt-Turner, hoffte vor dem Kampf:„Mein größter Wunsch ist es, noch einmal einen Sieg gegen Greiz zu erleben. So gut wie heute standen die Chancen noch nie.“ Wie immer, wenn Greiz auswärts auftritt, freut sich der Schatzmeister des Gastgebers. So auch in Werdau, wo mehr als doppelt so viele Zuschauer wie an normalen Kampftagen begrüßt wurden. Wieder hatten viele Greizer Ringkampfanhänger die Reise nach Werdau angetreten. Sie unterstützten ihr Team vorbildlich und erlebten im wahrsten Sinne ‚großes Kino‘. „So einen spannenden Kampf habe ich mit der Greizer Mannschaft noch nie erlebt.“, meinte nach Schluss der sichtlich geschaffte, aber überglückliche Swen Lieberamm, der mit Tino Hempel die Greizer betreute.
Ringkampf lebt von Emotionen. Doch sollte man bei aller Begeisterung die fundamentalen Grundlagen von Sportlichkeit und Fairness nicht vergessen. Kampfrichter Robert Reitmeier aus Nürnberg konnte einem leid tun. Waren es zur Pause die Greizer Anhänger, die vieles monierten, so ließen am Ende die Werdauer, – hier schlossen sich auch Funktionäre der teilweise äußerst drastischen Kritik an –kein gutes Haar am Unparteiischen.
Der Kampf begann noch besser als erwartet. Der Junioren-Vizemeister aus Luckenwalde, Alexander Röll schien von Vladimir Codreanu (57 kg/Freistil) so beeindruckt, dass er keine eigene Aktion startete und nur bemüht war, keine Angriffsfläche zu bieten. Es nutze ihm nichts. Nach 110 Sekunden lag er auf den Schultern. (Kampfstand aus Greizer Sicht:4:0) Mehr als 21 kg betrug der Gewichtsunterschied zwischen dem erstmals im Schwergewicht aufgestellten Thomas Leffler (130 kg/greco) und dem Tschechen Tibor Kucsera, einem der 5 ausländischen Stützen der Gastgeber. Der Werdauer punktete erwartungsgemäß im angeordneten Bodenkampf, der Greizer kam gestützt auf seine Kondition immer mehr auf und verkürzte mit einer lehrbuchmäßigen Rolle am Boden, bei der die fast 110 kg seines Gegners jede Bodenhaftung verloren, auf 3:6. (4:2) Florian Crusius (61 kg/greco) wurde in der Startphase vom moldawischen Juniorenmeister Ion Lefter zu Boden gebracht. In der zweiten Hälfte scheiterte der immer mehr aufkommende Greizer knapp im Bodenkampf. (4:3) Artem Grinko (98 kg/frei) traf auf den gleich schweren, untersetzten, ligaerfahrenen Franco Büttner. Bis zu zwei Punkte Differenz werden beim Ringen mit einem Mannschaftspunkt belohnt. Von 3 bis 7 Punkten gibt es zwei Zähler, von 8 bis 14 dann drei. Fünfzehn Sekunden vor Schluss hatte sich der Werdauer Neuzugang 8 Punkte, meist durch Hinausdrängen aus der Kampffläche gesammelt, wurde aber Augenblicke vor dem Schlussgong von einem blitzschnellen Beinangriff des Greizers überrascht, der auf 2:8 verkürzte.( 4:5) Die Dramatik im Kampf von Radoslaw Kisiel (66 kg/frei) gegen den dem Juniorenalter entwachsenen
William Stier war kaum zu überbieten. Die Kritik der Greizer am Kampfrichter fußte in zwei Angriffsaktionen des Werdauers, nach denen Kisiel mit aufrechtem Oberkörper auf der Matte saß. Der Kari sah hier eine gefährliche Lage und vergab jeweils 4 Punkte. Kisiel kämpfte sich im nimmermüden Einsatz heran, musste aber noch eine 4 abgeben und unterlag unglücklich nach einem mitreißenden, die Gemüter erregenden Kampf 15:18 (4:7) Tom Linke (86 kg/greco) und der Tscheche Vojtech Kukla kämpften auf Augenhöhe, die bessere Kondition ermöglichte dem Greizer eine Verwarnungseins. (5:7) Brian Tewes (66 kg/greco) überraschte Niklas Ohff in der Anfangsphase mit drei Schulterschwüngen und siegte am Ende verdient mit 14:2. (8:7) Nach fünfwöchiger Wettkampfpause stand Daniel Sartakov (86 kg/frei) wieder im Team und musste gleich aufrücken, wo er auf den Ex-Thalheimer Chris Schneider traf. Der 6:2 Sieg des Greizers hätte den Kampfanteilen nach höher ausfallen können, doch sein Gegner verteidigte sich mit artistischer Behändigkeit und war aus der Sägebockstellung einfach nicht zu Boden zu bekommen. (10:7) Ein Spitzenkampf stand noch aus, Adam Sobieraj (75 kg/frei) musste sich mit dem ungarischen Auswahlringer Zsombor Gulyas auseinandersetzen, der bis 6 Sekunden vor Schluss 3:0 führte. Mit der letzten Aktion holte Sobieraj zwei Punkte und gab so nur einen Punkt ab. (10:8) Das war äußerst wichtig, denn nun durfte Toni Stade (75 kg/greco) gegen den Tschechen Matous Morbitzer sogar 2 Punkte auf der Matte abgeben und hätte trotzdem den Sieg sichergestellt. Und der Greizer Mannschaftskapitän machte es, wie in einem guten Film, bis zum letzten Moment spannend, als er den Kampf zwar dominierte, aber sich als Obermann im Boden überschieben ließ und so nach 2:30 Minuten bereits zwei Punkte abgegeben hatte. Die Werdauer Zuschauer witterten Morgenluft und feuerten ihren Mann frenetisch an. Ein weiterer Punkt des Tschechen hätte ihnen das Remis gebracht. Aber unter dem Jubel der Greizer Fans brachte Toni Stade das Ergebnis über die Zeit und stellte so den 10:9 Auswärtssieg sicher, die seinem Team wieder den zweiten Tabellenplatz einbrachte.

Stimmen zum Kampf:
Thomas Fähndrich, Präsident des RSV: „Die Spannung war nicht zu überbieten. Besser geht Werbung für den Ringkampfsport nicht.“
Tino Hempel, RSV-Trainer: „Alle unserer Sportler haben phantastisch gekämpft. Jeder hat sich in den Dienst der Mannschaft gestellt, alle Verlierer haben gegen ganz starke Gegner nur sehr knappe Niederlagen hinnehmen müssen. Wer diesen Kampf nicht gesehen hat, hat etwas verpasst.“
Hallensprecher Bernd Schröder: „Aus meinem Wunsch ist wieder nichts geworden, aber wir haben einen Superkampf erlebt.“
Werdaus Trainer-Urgestein Horst Hinze: „Büttner hat den Kampf verloren. Wenn man 8:0 führt, darf man drei Sekunden vor Schluss nicht noch zwei Punkte abgeben.“
Erhard Schmelzer @26.10.2014

Stilart AC Werdau gegen RSV Rotation Greiz Ergebnis
57kg Freistil Alexander Röll vs. Vladimir Codreanu 0:4-SS-0:6-01:50
61kg Gr.-röm. Ion Lefter vs. Florian Crusius 1:0-PS-2:0-06:00
66Akg Freistil William Stier vs. Radoslaw Kisiel 2:0-PS-18:15-06:00
66Bkg Gr.-röm. Niklas Ohff vs. Brian Tewes 0:3-PS-2:14-06:00
75Akg Gr.-röm Freistil Zsombor Gulyas vs. Adam Sobieraj 1:0-PS-3:2-06:00
75Bkg Gr.-röm. Matous Morbitzer vs. Toni Stade 1:0-PS-2:0-06:00
86Akg Freistil Chris Schneider vs. Daniel Sartakov 0:2-PS-2:6-06:00
86Bkg Gr.-röm. Vojtech Kukla vs. Tom Linke 0:1-PS-0:1-06:00
98kg Freistil Franco Büttner vs. Artem Grinko 2:0-PS-8:2-06:00
130kg Gr.-röm. Tibor Kucsera vs. Thomas Leffler 2:0-PS-6:3-06:00
[Gr.-röm. – Greco-Roman] = griechisch-römischen Stil / [F] = Freistilringen

Von Erhard Schmelzer

Der Mohlsdorfer Erhard Schmelzer ist nicht nur ein engagierter Trainer im Jugendbereich des RSV Rotation Greiz - er zeichnet sich auch durch interessante Berichterstattungen im sportlichen Bereich aus. Ebenso ist er als Vorsitzender des Vereins Reußische Fürstenstraße tätig. Mehr zu Erhard Schmelzer