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20 Jahre SPD in Greiz

Feierstunde zum 20-jährigen Bestehen der SPD Greiz im Unteren Schloss

20 Jahre SPD in Greiz
»Wir für Sie im Landkreis Gera« – Heike Taubert zeigt eine Liste von vor 20 Jahren
Foto: Vs
GREIZ. Feierstunden sind festliche Anlässe, um innezuhalten, Geleistetes zu würdigen und gemeinsame Ziele für die Zukunft aufzuzeigen. An die Gründung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) am 24. November 1989 im Lutherhaus in der Gerichtsstraße wollten die Greizer Genossen am Montagabend im Weißen Saal des Unteren Schlosses erinnern. Was hat uns damals getrieben? fragte eingangs MdL Heike Taubert.
Die frischgebackene Thüringer Sozialministerin hatte sogar ihr erstes Parteibuch einen roter Zettel und die 1. Kreistagsliste aus dem Jahr 1989 mitgebracht. Wolfgang Seifert, der seinerzeit über das Neue Forum in die SPD kam, und als Moderator der Veranstaltung fungierte, hatte vier Zeitzeugen eingeladen, die an dieser friedlichen Geschichte mitgeschrieben haben: Pfarrer i. R. Klaus Böhme, Günter Kramer, Harald Seidel und Karsten Schaarschmidt. Wenn Zeitzeugen die besten Geschichtslehrer sind, dann gaben diese durch die unterschiedliche Betrachtungsweisen eine besondere Lektion in punkto Historie. Pfarrer Böhme erinnerte sich vor allem an die Stimmung und Atmosphäre vor zwanzig Jahren und das Gefühl, wenn die Kirche plötzlich voll ist.
Die hohe Verantwortung dieser Institution für die politischen Geschehnisse wurde ihm damals ebenfalls sehr bewusst. In mir kamen plötzlich Erinnerungen an das Dritte Reich hoch. Vielleicht hatte die Kirche nicht laut genug geschrieen das sollte uns nicht noch mal passieren! An die Gründung der SDP, die sich im Januar 1990 in SPD umbenannte, im brandenburgischen Schwante, am 7. Oktober 1989, erinnerte Harald Seidel; gab dazu auch einige Details seiner ganz persönlichen Geschichte preis, wie es dazu kam, dass er Sozialdemokrat wurde. Dass die BRD nicht das non plus ultra darstellt, war ihm bereits Ende der 60er Jahre bewusst. Ich hätte mir für unser Land Reformen gewünscht. Doch nach den Ereignissen um Wolf Biermann, Jürgen Fuchs und Reiner Kunze in den 70er Jahren habe die DDR bei ihm abgegessen. Ein wichtiger Schritt in Richtung Sozialdemokratie sei die Rede Richard von Weizsäckers im Jahre 1985 gewesen, in sich dieser zur deutschen Verantwortung für die nationalsozialistische Vergangenheit bekannte.
Karsten Schaarschmidt erinnerte in seinen Ausführungen noch einmal an die Zeit vor der SPD. Die aufgestaute Unzufriedenheit habe viele Menschen zum Nachdenken gebracht, wobei im Neuen Forum, dessen Mitbegründer er war, die Forderung nach Dialog Vorrang besaß. Die Kirche gab uns damals Schutz, so Schaarschmidt, der das NF als Sammelbecken vieler Meinungen sah. Er appellierte außerdem, das hohe Gut der Presse- und Meinungsfreiheit zu schätzen. Die heutige Verklärung der DDR rege ihn auf. Natürlich erlebten wir auch glückliche Momente, doch das hatte nichts mit dem System zu tun, in dem es Unterdrückung, Mauertote und Eingesperrtsein gab.
Günter Kramer, der eigentlich gar nichts mit einer Partei zu tun hatte, habe wie viele seiner Zeitgenossen geistig im Westen gelebt und hier sein Dasein verrichtet. Besonders die Dummheit und Ignoranz der Funktionäre hätten ihn gestört.
Nachdem sich das damalige System in Auflösung befand, übernahmen die beiden Greizer Mitglieder der neu gegründeten SPD Harald Seidel und Dieter Kostial die Aufgabe der Mitgliedergewinnung und die Organisation der Gründung eines Greizer SPD-Ortsvereins. Eine Initiativgruppe habe sie dabei unterstützt; ebenso die Evangelische Kirche, das Neue Forum sowie die Familien Gerhard, Regina und Reiner Hartmann, Matthias Pöhland, Klaus Böhme und Rudolf Kuhl. So wurden erste Ziele fixiert und eine Organisationsstruktur aufgebaut, wie Günter Kramer betonte, der einen Riesenstapel mit historischen Dokumenten vor sich türmte. Gelebte Erinnerungen steuerte auch Wolfgang Seifert bei und wies auf die 1. Greizer Kunst-Auktion im Greizer Kino im Jahre 1990 hin, wo sogar zwei echte Bärbel-Bohley-Bilder unter den Hammer kamen. Oder die Besetzung der Stasi-Zentrale in der Schmidtstraße, die im Schichtsystem durchgeführt wurde. Feierstunden müssen nicht immer bierernst sein. Bürgermeister Gerd Grüner besann sich in seinem Schlusswort etwa auf die berühmte Fahrt nach Rosenheim vor zwanzig Jahren, die mit allerlei Pleiten und Pannen verbunden war. Grüner, der an diesem Abend wie zahlreiche Genossen für 20-jährige Mitgliedschaft in der SPD geehrt wurde, dankte allen Wegbegleitern, die mit gesundem Menschenverstand etwas bewegt hätten und lud im Anschluss zum Empfang mit erinnerungsseligen Gesprächen ein. Für die wunderbare musikalische Ausgestaltung des Abends sorgte das Ehepaar Sarah (Klavier) und Artashes (Violine) Stamboltsyan.
Antje-Gesine Marsch @30.11.2009

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