Ernst Volland stellt bei »Prominente im Gespräch« das Werk des sowjetischen Fotografen Jewgeni Chaldej ( 1917-1997) vorErnst Volland zeigt Fotos von Jewgeni Chaldej

Ernst Volland stellt bei »Prominente im Gespräch« das Werk des sowjetischen Fotografen Jewgeni Chaldej ( 1917-1997) vor

GREIZ. Als „Manifestation gegen Antisemitismus, Nazigewalt und die NPD“ wollte Harald Seidel die Veranstaltung der Reihe „Prominente im Gespräch“ vom Donnerstagabend im Weißen Saal des Unteren Schlosses Greiz verstanden wissen. Im Zentrum des Abends, der von der Thüringer Friedrich-Ebert-Stiftung mitorganisiert wurde, stand das Schaffen des russischen Fotografen Jewgeni Chaldej, über das der Berliner Künstler und Verleger Ernst Volland in Wort und Bild berichtete. Volland gilt als profunder Kenner des Werkes Chadejs; schließlich verfügt er über einen großen Teil des Nachlasses des „vergessenen Fotografen“, wie er ihn nannte. Auch veröffentlichte Volland das Kriegstagebuch von Jewgeni Chaldej, das dessen Tochter Anja vor drei Jahren mit nach Berlin brachte.

Man fand es zufällig beim Betrachten des Nachlasses. Es ist umso wertvoller, als es bei Todesstrafe verboten war, subjektive Eindrücke des Kriegsgeschehens zu verfassen. Wie er es schaffte, das Tagebuch zu führen, das 1943 allerdings abrupt abbricht, ist nicht bekannt. Vor zwanzig Jahren habe Volland den Fotografen noch gar nicht gekannt, wie er gestand. Der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Walter Momper, habe ihn im Jahre 1991 eingeladen, mit einer Kulturdelegation nach Moskau zu reisen, wo eine große Gedenkveranstaltung zum 50-jährigen Gedenken an den Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion stattfand. Dort lernte Volland den Fotografen kennen, der zum beredten Zeugen und Fotografen des „Großen Vaterländischen Krieges“ wurde und das Kriegsgeschehen dokumentierte. Auch den Rückzug der deutschen Wehrmacht und den Vormarsch der Sowjetarmee bis Berlin hielt er mit seiner „Leica“ fest. Weltberühmtheit erlangte Chaldej mit dem Bild des Rotarmisten, der auf dem Berliner Reichstag die Sowjetflagge hisste. Warum er allerdings so in Vergessenheit geriet, vermochte Ernst Volland nicht zu sagen. Chaldej lebte in einer winzigen Wohnung von umgerechnet 80 D-Mark Rente. Die Dunkelkammer befand sich im gleichen Zimmer, in dem Chaldej aß und schlief.

„Wenn es das Attribut des besten Kriegsfotografen überhaupt gibt, dann ist es Jewgeni Chaldej“, wie Volland unterstreicht. Er arbeitete auch den Nachlass des Fotografen auf, der selbst ein unvorstellbares Schicksal trug: im Rahmen eines Pogroms wurde die Mutter Chaldejs erschossen, als er ein Jahr alt war; Vater und drei Schwestern wurden von den Deutschen in einer Kohlengrube ermordet. Chaldej   arbeitete für die Nachrichtenagentur TASS, wurde aber vermutlich wegen seiner jüdischen Herkunft nach dem Krieg entlassen und war einige Jahre für die „PRAWDA“ tätig. Das Werk Chaldejs publik zu machen, hat sich der Berliner Künstler Ernst Volland mit aller Kraft vorgenommen. „Es sind anklagende Bilder, die jeglicher Worte entbehren.“ Dabei wollte mit den Veranstaltungsbesuchern im Anschluss auch keine rechte Diskussion aufkommen – so stark wirkten die Bilder nach. Das letzte Foto zeigte einen überdimensional großen Haufen mit Stahlhelmen. „Zu jedem Helm gehört ein Mensch“, wie Vollands sparsamer Kommentar ausfiel. Eine Veranstaltung, die betroffen machte. Nicht zuletzt durch die Untermalung mit gewaltigen Tönen Sergej Prokowjews, die Konzertpianistin Sarah Stamboltsyan virtuos zu Gehör brachte.

Antje-Gesine Marsch @12.01.2012