"Dr. Jekyll & Mr. Hyde" in der VogtlandhalleSieben Inhaftierte der JVA Hohenleuben führten in der Vogtlandhalle Greiz das Stück "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" auf. Schauspielerische Unterstützung bekamen sie von der Greizerin Raliza Pavlova.

Am Mittwochabend erlebten die Gäste im großen Saal der Vogtlandhalle Greiz die Aufführung des Stückes „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ – Akteure waren sieben Inhaftierte der JVA Hohenleuben

GREIZ. Stehende Ovationen und nicht enden wollender Beifall krönten am Mittwochabend die Aufführung des Theaterstückes „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ in der Vogtlandhalle Greiz. Die Akteure waren Inhaftierte der Justizvollzugsanstalt Hohenleuben, die unter Leitung der Freizeitbeamtin Anke Hartmann das Stück auf die Bühne brachten.

Kraftsport, Tischtennis, Volleyball, gern auch Basteln sind typischen Freizeitbeschäftigungen von Gefangenen. In der JVA Hohenleuben gibt es seit einigen Jahren eine eigene Theatergruppe namens „Mauersegler“, die – selbstredend in wechselnder Besetzung – bereits die verschiedensten Stücke aufführte. Shakespeares „Hamlet“ stand dabei genauso auf dem Programm wie Goethes „Faust“ oder Büchners „Woyzek“. Regie führt die Beamtin Anke Hartmann, die sich diesmal an Robert Louis Stevensons „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“ wagte. Frei nach dieser Novelle schrieb die Greizerin das Drehbuch, das zum Teil auf der klassischen Ebene basiert, zum anderen surreale Einblicke in den Justizvollzugsalltag bietet.

Zweimal wöchentlich vier Stunden, oft auch am Wochenende, wurde drei Monate lang geprobt. Bei der Aufnahme in die Theatergruppe spielte es keine Rolle, aufgrund welchen Deliktes die jungen Männer inhaftiert sind. „Ein Antrag wird gestellt, über den entschieden wird“, nannte Anke Hartmann das Kriterium.
Die erste Aufführung des Stückes ging in der Justizvollzugsanstalt Tonna über die Bühne. Dass es schwierig ist, einen geeigneten Raum zu finden und ganz besonders, vor „eigenen Leuten“ zu spielen, verschweigt die Beamtin dabei nicht.
Als Chefin des Greizer Spontantheaters kann Hartmann auf einen großen Erfahrungsschatz zurückblicken; sie begeistert zudem immer wieder genügend Inhaftierte, um auch im Vollzug in die Theaterwelt einzutauchen.

Diesmal sind es sieben Mitwirkende – und Raliza Pavlova vom Spontantheater – die am Stück mitwirken.

Das Theaterspiel im Vollzug nimmt einen wichtigen Stellenwert ein, stärkt die Sozialkompetenz und bringt oft ungeahnte Fähigkeiten zutage. Zum einen sei es Neugierde, literarisches Interesse, aber auch die Langeweile eines geschlossenen Raumes, die die Inhaftierten motiviere, sich der Theatergruppe anzuschließen, weiß Frau Hartmann. „Der Auftritt in der Vogtlandhalle war für die Inhaftierten unheimlich wichtig –auch das Lampenfieber war unendlich groß“, so die Regisseurin.
Dass die Schauspieler ihre Hausaufgaben gemacht hatten, bewiesen sie zur Aufführung: Der ehrgeizige Dr. Jekyll sucht mit Verbissenheit einen Weg, um das Böse in der menschlichen Seele zu isolieren. Er testet das Serum in einem Selbstversuch. Nach unsäglichen Schmerzen und von Krämpfen geschüttelt, wird er bewusstlos – und zu Mr. Hyde. Der Gefangene Jakobi fühlt sich von diesem Lesestoff fasziniert und immer mehr in dessen Bann gezogen.
Was folgt, ist die Vermischung beider Geschichten und die letzliche Frage: „Dr. Jekyll ist tot, Mr. Hyde ist tot. Und was ist mit mir?“ Die Erkenntnis „Ich bin“ schließt den Kreis in die Realität. Straftataufarbeitung, Drogentests, Dealen, Gespräche, Anträge auf Lockerung, Bewährungsversager, Streit und Gewalt und immer wieder die Reflektion auf das eigene Leben stellen die zentralen Themen, die von den Mimen beleuchtet werden.

Textsicher, mit einer großen Portion Können, Authentizität und Ausstrahlung agiert nicht nur die Hauptfigur, sondern spielen auch die Protagonisten wechselnde Rollen. Die unterschiedlichen Dialekte der Schauspieler – sie reichen vom feinen hochdeutsch, über fränkisch bis hin zu vogtländisch – offerieren das Einzugsgebiet der Inhaftierten, die einzeln oder in der Gruppe die Story tragen.
„Wann nimmt man sich die Zeit, im Knast diese Unmengen von Texten zu lernen“, war eine Frage aus dem Publikum, dem sich die Theatergruppe im Anschluss stellte. „Na, am Wochenende, zur Probe oder abends, wenn in der Zelle keiner nervt“, so die Antwort eines Inhaftierten.
Ob er auch nach der Entlassung weiter Theater spielen werde, bejahte der Hauptdarsteller. Wenn Anke Hartmann mit den Proben für das neue Stück „Die drei Musketiere“ beginnt, das im November in der Vogtlandhalle Greiz aufgeführt wird, gehört er nicht mehr zum Ensemble. „Ich werde draußen alles versuchen, um wieder auf die Beine zu kommen.“ Das Stück gab ihm zudem die Einsicht: „Es spiegelt den Menschen im Allgemeinen wider – seine gute und schlechte Seite. Schließlich hat jeder eine Leiche im Keller.“

„Ich bin sehr stolz und froh, dass ich vor acht Jahren gemeinsam mit Anke Hartmann das Gefängnistheater-Projekt auf den Weg brachte“, erinnert sich der ehemalige Anstaltsleiter Joachim Fritzsche – gibt aber auch zu: „Es war ein Wagnis. Wenn es beim ersten Mal schiefgegangen wäre, hätte mich das meinen Kopf gekostet.“

Antje-Gesine Marsch @22.06.2017