Ansicht auf Greiz vom Tempelwald, um 1850Ansicht vom Tempelwald, um 1850 Lithografie eines unbekannten Zeichners

Kleiner geschichtlicher Rückblick in die Geschichte der Stadt Greiz – Große Fortschritte durch den Bahnbau

GREIZ. Im Jahr 1838 hatte Greiz 5.840 Einwohner, 1864 überschritt die Stadt die 10.000er Grenze, im Jahr 1880 lebten hier 15.000, zehn Jahre später – 1890 bereits 20.000 Menschen.
Abgelegen von den großen Verkehrswegen brachte erst der Bahnbau im Jahre 1864 rascheres Wachstum. Die Folgen des großen, verheerenden Stadtbrandes des Jahres 1802 waren selbst im Jahre 1838 noch nicht ganz überwunden; wurde doch das Rathaus erst im Jahre 1845 fertig – bis dahin tagten die Ratsherren im Ratsstüb’l (ehemalige Gaststätte auf dem Puschkinplatz, d.A.).

„Als vor längerer Zeit die alte verfallene Fabrik gegenüber dem Parkpalais beseitigt wurde, wanderten auch hier meine Gedanken um 100 Jahre zurück“, erinnert sich der Dichter Gotthold Roth (1866-1955) Anfang der 1950er Jahre. „Bis 1810 dröhnten hier die Schläge des Blechhammers. Er wurde vom Quirlbach getrieben mit einem großen Wasserrad, aber im Jahre 1811 abgebrochen, da es an Eisenerz mangelte.“ Das Erz hatte man in der Gegend der heutigen Elften Stunde in Richtung Gommla gegraben.
Übrigens: Elfte Stunde ist ein bergmännischer Begriff – wichtig für das Bergwerk war der stand der Sonne vormittags um 11 Uhr.
Anstelle der „Hammers“ errichtete man hier eine Baumwollspinnerei, die später in eine Kammgarnspinnerei umgewandelt wurde – getrieben durch Wasser-und Dampfkraft.
Die Weiße Elster wurde im Jahr 1824 durch ein neues Wehr am Palais aufgestaut; der Fluss trieb die Räder der Spinnerei.
Im Jahr 1880 wurde das Weh wieder entfernt, ebenso wie das oberhalb des Küchengartens (heute Schlossgarten, d. A.), weil durch Eisgang ungeheurer Schaden an Brücken, Ufern und besonders im Park zu verzeichnen war.
Am Anfang der heutigen Waldstraße – die Neustadt gab es noch nicht – standen die Scharfrichterei, die Abdeckerei, Luderhütte und dahinter bis zum Jahr 1866 der kleine Schießplatz für das reußische Miltär.
Der Scharfrichter war ein ehrenwerter Mann, allerdings im Volke verachtet und gefürchtet. Ins Gasthaus brachte er sein eigenes Trinkgefäß mit und an einem besonderen kleinen Tischchen an der Tür sitzen.

Anstelle der oberen Elsterbrücke (heute Friedensbrücke, d.A.) gab es nur einen hölzernen Steg über die Elster, höchstens für eine Schubkarre befahrbar. Die untere Brücke (heute Freiheitsbrücke, d.A.) war eine große Dachbrücke, die zum Gasthof „Zum schwarzen Adler“ (heute Verkehrskreisel, d.A.) führte.
Zum Kammergut Tryfle kam man über eine Art Feldsteg durch fruchtbare Fluren.
Eine Fahrstraße wurde erst nach dem Jahr 1848 gebaut.
Die Brückenstraße war so eng, dass breit beladene Wagen oft die Fensterläden abrissen.

Man muss sich – wie gesagt – noch die Neustadt wegdenken. Zu beiden Seiten der heutigen Carolinenstraße ragten später prächtige Pappeln, die letzten sah man noch um 1900 vor dem Tryfle. Auf dem Anger standen zu Beginn der Neustadt-Bebauung kleine, teils einstöckige Häuser, deren Bewohnen beim großen Eisgang von 1799 in große Lebensgefahr gerieten, bis sie vom Gasparinenberg aus mit Flößen und Kähnen gerettet wurden.
Im Jahr 1875 wurde der Bahnhof in Betrieb genommen. Noch Jahre später war die jetzige Carolinenstraße rechts und links von einem fast metertiefen Wassergraben zur Ableitung von Küchen-, Regen- und Hochwasser gesäumt.

Auch nach Irchwitz und Pohlitz gab es noch keine Fahrstraßen. Eine Schlucht oberhalb der Aufbauschule (heute Kreisvolkshochschule, d.A.) führte nach Irchwitz. Ebenfalls eine Schlucht hinter der Lehmgrube ermöglichte den Aufstieg nach Pohlitz – mussten doch alle Verstorbenen – auch bei Winterkälte – bis 1849 über den steilen Abhang gebracht werden, den heute die Himmelsleiter mit 220 Stufen bedeckt.

Nach Gründung des Zollvereins im Jahre 1834 belebte sich der Greizer Handel mit Schleiern, Tibets, Tuchen und Wollgeweben.
Kleine Faktoren fuhren mit Schubkarren, große Kaufherren mit Frachtwagen nach Gera und zur Leipziger Messe.

Antje-Gesine Marsch @06.02.2018