Bürgermeister Gerd Grüner zu Gast bei »Prominente im Gespräch«Gerd Grüner, Bürgermeister der Stadt Greiz, referierte im Weißen Saal des Unteren Schlosses über die Zukunft der Stadt.

Es sollte kein hellseherischer Blick in die Glaskugel werden, sondern die Schilderung einer Vision, wie die Schloss-und Residenzstadt im Jahr 2030 aussehen könnte.
GREIZ. Es sollte kein hellseherischer Blick in die Glaskugel werden, sondern die Schilderung einer Vision, wie die Schloss-und Residenzstadt im Jahr 2030 aussehen könnte. Der Bürgermeister der Stadt Greiz, Gerd Grüner (SPD) war am Montagabend Gast der Reihe Prominente im Gespräch, die dieses Mal von Karsten Schaarschmidt moderiert wurde. Wo kommen wir her, wo gehen wir hin? stand dabei als zentrale Frage im Mittelpunkt der Ausführungen. Zeit sei eine relative Größe, deshalb müsse man Entscheidungspunkte finden, die nicht nur den nächsten Tag betreffen, sondern auf Weitsicht setzen. Dabei dürfe man die demografischen Fakten nicht außer Acht lassen. Es sei nicht der massive Wegzug, sondern die Relation von Geburten zu Todesfällen, die in Greiz bei 120 zu 450 liege. Besonders in dem Sektor der 35-bis 50-Jährigen würde eine große Lücke klaffen. Diese Entwicklung sei allerdings nicht nur Greiz – sondern bundesspezifisch zu betrachten. Ein weiterer Fakt ist, dass die Entwicklung einer Stadt im Bereich Finanzen von außen vorgegeben wird. Im Verwaltungshaushalt waren konstant 25 Mio. Euro eingestellt bis vor zwei Jahren; seitdem habe man 5 Mio. weniger Einnahmen. Dabei müsse die Mehrausgabe von 2 Mio. Euro für Leistungen laut Kreisumlage extra geschultert werden, was eine Differenz von insgesamt 7 Mio. Euro ausmache. Das wird sich in Zukunft sicher fortsetzen, so Bürgermeister Grüner. Auch habe sich der Wettbewerb zwischen Orten gleicher Größe immer mehr herausgebildet. Dabei sei man nur durch Investitionen für die Zukunft gewappnet, so etwa im Bereich des Gesundheitswesens. Man solle man sich auch die Frage stellen Was passiert mit unseren Einrichtungen? Sie zu nutzen und zu erhalten sei eine primäre Aufgabe, da die Angebote für alle Bevölkerungsschichten interessant sind: Vogtlandhalle, Kinocenter, Eisbahn, Bibliothek, Sporthallen oder der Breitband-Ausbau. Die Erhaltung von Einrichtungen schaffe auch ein Angebot, um Jugendliche verstärkt an die Stadt zu binden. Es sei eine extreme Herkulesaufgabe, dies sicherzustellen. Einige Überlegungen stellte Gerd Grüner ebenfalls in den Raum: Stellen wir uns das Ziel, uns zu einer Seniorenstadt zu entwickeln? Oder wollen wir vordergründig eine Gewerbe-und Industriestadt werden? Investoren zu akquirieren sei nicht nur in topografischer Hinsicht schwierig. So plane man beispielsweise das Gebiet Goldene Aue als Retentionsfläche, um im Falle eines wiederholten Hochwassers dieses als Überflutungsfläche zu nutzen. Die Fläche wird also zurückgebaut und steht nicht mehr zur Verfügung. Alternativ müsse man Altstandorte nutzen. In der Talkessellage hat die Industrie keine Chance mehr, wie Gerd Grüner betont. Das sei aber nicht als Absage an die gewerbliche Entwicklung zu werten. Im Gegenteil: Die gewerbliche Entwicklung wird vorangehen, vor allem bei den intelligenten Technologien und im IT-und Dienstleistungsbereich. Auch dass sich Greiz als Tourismus-und Erlebnisstadt etablieren wird, kann sich das Stadtoberhaupt vorstellen. Wir haben Pfunde, mit denen wir wuchern können, wie er unterstreicht. Nur Schlösser und Park würden allerdings nicht genügen: Wir müssen Angebote schaffen, die der Tourist der Neuzeit auch will. Für unwahrscheinlich erachtet Gerd Grüner den Mehrtages-Tourismus; sieht die Zukunft eher im Städtetouristen, der einen Tag lang bleibt. Am Beispiel des Oberen Schlosses zeigte Herr Grüner auf, wie man mit Weitsicht plante, Inhalt ins Schloss zu bringen. Von den avisierten 30 Mio. Euro, die die Gesamtmaßnahme Oberes Schloss kosten wird, seien zum jetzigen Zeitpunkt 15 Mio. Euro eingeflossen. Für die nahe Zukunft habe man den Plan, im Haus Nummer 6 eine Unterbringungsmöglichkeit in Form eines Hostels oder einer Jugendherberge zu schaffen. Die Vogtlandhalle, die in die ganze Region ausstrahlt und eine regelrechte Sogwirkung erzielt, habe man zehn Jahre vor dem Bau bereits geplant. Es gehörte viel Mut dazu, sich solchen Objekten zu stellen. Auch der energetischen Entwicklung werde man sich in Zukunft vermehrt stellen müssen, wobei Bürgermeister Grüner die Abwasserwärmenutzung und die dadurch gewonnene thermische Energie favorisiert. Eine Vision für einen Teil der Neustadt hatte Herr Grüner auch im Blick: den Abriss des maroden Thüringer Hofes in der Heinrich-Fritz-Straße und dadurch gewonnenen Parkanlagen für Autos. Einen Hinweis gab der Bürgermeister auch zum Projekt Wohnstandort Innenstadt, das zum Ziel hat, derzeit brachliegende Immobilien und Baulücken aktiv zu entwickeln und neue Nutzer zu finden.
Einfach wird die Zukunft sicher nicht so Gerd Grüner, vor allem weil sich die Gemeindestrukturen einer gravierenden Entwicklung stellen werden müssen. Ob er persönliche Träume habe, wollte Karsten Schaarschmidt wissen: Ich möchte, dass die Greizer ihre Selbstsicherheit zurück gewinnen und sich bewusst werden, dass die Lebensqualität in der Region ohne die Stadt Greiz sehr gering wäre. Wie könne man aber die Identifikation der Greizer mit ihrer Stadt steigern? Die Greizer müssten besser auf ihre eigene Wahrnehmung achten und mehr Selbstbewusstsein entwickeln, wünschte sich das Stadtoberhaupt abschließend.
Die sich anschließende Diskussion wurde von vielen der einhundert Veranstaltungsgäste genutzt. So vermisst etwa Gerd Deckinger die Vermarktung von Greiz, um die Schönheiten der Stadt nach außen zu tragen. Wir sind auf gutem Wege antwortete Herr Grüner. Durch die mediale Präsenz, etwa während des Hochwassers, sei Greiz richtig wahrgenommen worden. Die Zahl der Stadtführungen habe stark zugenommen. Der Bürgermeister räumte aber auch ein, dass gute Öffentlichkeitsarbeit mit Geld zusammen hänge. Steffen Maak mahnte, sich bei Neubauten vorsichtiger zu verhalten. Er habe Angst, diese nicht halten zu können. Chancen zum Neubau wird es in zehn Jahren sicher nicht mehr geben, antwortete Gerd Grüner dazu. Wir müssen intelligente Finanzierungsmöglichkeiten dazu suchen. Für Peter Kniebel wurde zu wenig über das Wie? gesprochen. Die Ausgabenseite sei das Hauptproblem – jede Ausgabe doppelt und dreifach zu hinterfragen, ist für das Stadtoberhaupt ein erster Ansatzpunkt; die Halle sei deshalb auch nicht im Haushaltsplan der Stadt Greiz enthalten.
Nach dem Aufzug zum Oberen Schloss erkundigte sich Ralf König. Natürlich prüfe man jede Möglichkeit der Lösung, wobei die Bauarbeiten zuerst abzuschließen seien. Wir haben bei Grabungsarbeiten einen zweiten Brunnen gefunden, vielleicht lässt sich ein Aufzugsschacht bauen, stellte das Stadtoberhaupt in Aussicht. Musikalisch umrahmt wurde der Abend von Sarah (Klavier) und Artashes Stamboltsyan (Violine).

Antje-Gesine Marsch @01.10.2013