Greizer Bürgermeisterwahl 2018Sechs Kandidaten wollen zur Bürgermeisterwahl am 15. April auf den Greizer Rathausstuhl.

Wahlausschuss der Stadt Greiz beschloss am Dienstagabend erneut über Einzelbewerber

GREIZ. Eine Woche nach der ersten Sitzung des Wahlausschusses der Stadt Greiz musste sich dieser nochmals mit den bisher abgelehnten Einzelbewerbern für die Kandidatur zum Bürgermeisteramt David Köckert und Torsten Röder befassen.
Beide hatten „Einwendungen“ gegen die 13.3.2018 beschlossene Ungültigkeit ihrer Wahlvorschläge erhoben, so dass sich der Wahlausschuss gemäß § 17 (4) S. 4 und 5 des Thüringer Kommunalwahlgesetzes (ThürKWG) erneut mit den Wahlvorschlägen auseinandersetzen musste.

Am Dienstagabend tagte der 5-köpfige Wahlausschuss unter Vorsitz der Gemeindewahlleiterin Anja Weidlich (Hauptamtsleiterin) mit den Beisitzern Ulrich Zschegner (CDU), Wolfgang Seifert (SPD), Dieter Kanis (IWA) und Helgard Gothe (DIE LINKE). also

Formalien eingehalten, umfassende Schriftsätze zum Lesen

Anja Weidlich begründete die nochmalige Abstimmung mit den sich aus § 17 (4) ThürKWG ergebenden formalen Abläufen. Alle Anforderungen bzgl. der Wahlvorschläge (auch der bisherigen) seien ebenso wie Fristen voll eingehalten worden.
Der Beschluss zu Tonbandaufnahmen zwecks Protokollierung wurde mit 5 Ja-Stimmen einstimmig angenommen. Anschließend gab Weidlich bekannt, dass beide betroffenen Einzelbewerber fristgerecht ihre Einwendungen eingelegt haben. Beide werden inzwischen anwaltlich vertreten, wobei bei Röder die eigene Begründung der Einwendung offenbar ausreichte.
Der stellvertretende Wahlleiter Frank Rapp übergab den Beisitzern die umfassenden Schriftstücke mit dem Hinweis, diese in Ruhe zu lesen und ggf. Fragen zu stellen.
Dann war es rund 20 Minuten so still im großen Ratssaal, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
Großes Interesse in der Greizer Bevölkerung war nicht gegeben – lediglich sechs Besucher hatten sich eingefunden.
Dieter Kanis (IWA) fragte zwischendurch, warum man dies nicht vorher hätte lesen können.
Frank Rapp erwiderte, dass dies nicht möglich sei, da der Wahlausschuss öffentlich tage.
Gegen 17.25 Uhr legten alle Beisitzer die Schriftstücke beiseite; Fragen gab es keine.

Torsten Röder auf Listenplatz 6 nun vom Wahlausschuss zugelassen

Anja Weidlich ging dann auf die Einwendungen des Wahlbewerbers Torsten Röder ein. Sein Vortrag, dass alle erforderlichen Erkenntnisse bereits bekannt und in den archivierten Personalakten der Stadtverwaltung verfügbar seien, „gehe fehl“.

„Nur bereits bekannte Tatsachen seien durch den Wahlausschuss zur berücksichtigen“, trug die Gemeindewahlleiterin vor.
Eine Herausgabe der Personalakten könne schon aus Gründen des Datenschutzes nicht erfolgen.
Auch sei das von Röder vormals angeforderte und nun im Rahmen der Einwendung „dem Wahlausschuss überlassene Gutachten des Landesbeauftragten Thüringen für die Stasi-Unterlagen (LStU) aus dem Jahr 1997 veraltet“.

Da die Aufarbeitung der Akten beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) fortlaufend fortgesetzt werde, sei nicht ausgeschlossen, dass heute andere Erkenntnisse vorliegen. Bisher lägen aber keine neuen Erkenntnisse der BStU vor.

Der juristische Vortrag Röders bezüglich der erforderlichen Einzelfallprüfung (unter Hinweis auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Weimar bzw. des Verwaltungsgerichtes Gera – jeweils bereits aus 2003) gab dann offenbar den Ausschlag. Anja Weidlich musste einräumen, dass „eine Einzelfallprüfung geboten ist und dabei insbesondere auch der zeitliche Abstand zur MfS-Verstrickung zu beurteilen ist“. Ebenso, wie sich der Wahlbewerber seither zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewährt habe. Diese Einzelfallprüfung habe nicht stattgefunden, so Weidlich.

Nach der Ablehnung durch den Wahlausschuss war Röder zwischenzeitlich selbst in die Offensive gegangen. Er hatte Teile seiner Stasi-Akte online gestellt. Hieraus ist zu entnehmen, dass er 1982 kurzzeitig bei den Grenztruppen der DDR für die Hauptabteilung I (Militärabwehr, vielen NVA – Gedienten auch als Verwaltung 2000 bekannt) tätig war. Zu diesem Zeitpunkt war er an der Unteroffizierschule als Ausbilder/ Hauptfeldwebel in einem Sonderlehrgang für Militärische Auslandskader (MAK) aus Mocambique eingesetzt, die er „allseitig aufklären und absichern“ sollte. Der entsprechende Auftrag wurde von Röder nicht unterzeichnet. Im Internet ist aus der Stasi-Akte zudem belegt, dass nach eigener Dekonspiration (Offenlegung der Zusammenarbeit) die Staatssicherheit das Interesse an Röder verlor und die Zusammenarbeit wegen „Unzuverlässigkeit“ selbst beendete.

Auch die Rechtsaufsichtsbehörde im Landratsamt Greiz wurde in die rechtliche Prüfung einbezogen. Mit Schreiben vom 16.03.2018 meldete diese „erhebliche Bedenken zur Ablehnung des Wahlbewerbers Röder“ an, die letztlich bis zur Wahlanfechtung der Bürgermeisterwahl führen könne. Die Rechtsaufsicht forderte eine umfassende Prüfung.
Aus diesem Grund empfahl Gemeindewahlleiterin dem Wahlausschuss, den Wahlvorschlag zuzulassen. Lediglich Wolfgang Seifert (SPD) stimmte mit Nein, die übrigen vier Mitglieder mit Ja. Somit wird der Name „Torsten Röder“ auf Listenplatz 6 auf dem Wahlzettel stehen.

David Köckert wurde erneut einstimmig vom Wahlausschuss abgelehnt

Zuletzt stellte Anja Weidlich den Einzelbewerber David Köckert erneut vor. Sie wiederholte das Ergebnis der Vorprüfungen (Mitgliedschaft in der NPD bzw. bei Thügida) in Verbindung mit den Darlegungen von Köckerts Rechtsanwalt. Dennoch rechtfertige dies ihrer Meinung nach nicht, dass dieser Bewerber bei erfolgreicher Wahl in ein Beamtenverhältnis berufen werden könne.
Köckert erhielt ebenfalls Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Er stellte klar, dass er nicht – wie von Weidlich dargestellt – „Anmelder eines Rechtsrock-Konzertes war“. Sichtlich angespannt drückte Köckert sein Unverständnis darüber aus, dass hier alte SED-Kader über seine Bewerbung abstimmen, während „im Kreis Saalfeld-Rudolstadt Sprengstoff bei angeblichen Musterdemokraten der linken Szene gefunden wurde“.

Er monierte, dass der Wahlausschuss mit seinen lediglich fünf Mitgliedern weiterhin das Votum von über 200 Greizern negiere, die ihn mit ihrer Unterschrift unterstützt hätten.
Wörtlich sagte Köckert: „Ich sitze nicht umsonst im Greizer Stadtrat und im Kreistag. Dort habe ich in den letzten fünf Jahren bewiesen, dass ich mich sehr wohl an demokratische Spielregeln halten kann“.

Trotz dieser Einwände folgte der Wahlausschuss der Empfehlung der Gemeindewahlleiterin und lehnte erneut einstimmig den Wahlvorschlag ab. Köckert bleibt somit nur der Gang vor das Verwaltungsgericht. Unwägbarkeiten für die Stadt Greiz bleiben. U.a. auch, weil Beschlüsse des Wahlausschusses (sofern wie hier Einwendungen nicht abgeholfen wird) gemäß § 17 (5) ThürKWG „nur im Wege der Wahlanfechtung und Wahlprüfung (§§ 31 und 32) nachgeprüft werden“ können.
Zuständig wäre die Rechtsaufsichtsbehörde. Bekommt Köckert Recht, wäre die Bürgermeisterwahl ungültig und zu wiederholen.

VS @20.03.2018

Von Leserpost