Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert besuchte die Stadt GreizAuf Initiative von Christian Tischner (r.) besuchte der Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Stadt Greiz. Hier trägt er sich im Beisein von Ines Watzek in das Goldene Buch der Stadt Greiz ein.

Kulturpolitik ist keine Nebensache

GREIZ. Auf Initiative von Christian Tischner (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Tourismus, Kultur und Soziales, besuchte der Präsident des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert (CDU) am Freitagabend die Stadt Greiz. Dem Eintrag in das Goldene Buch der Stadt und einer Führung durch die neu sanierte Stadtkirche St. Marien durch Superintendent Andreas Görbert folgte eine Gesprächsrunde, an der etwa sechzig Interessierte teilnahmen. Die Einladung anzunehmen sei aus zweierlei Gründen erfolgt, wie Lammert zugab. Zum einen könne er dann eine „ärgerliche Lücke in seiner Biografie schließen“ und zum anderen mit Leuten ins Gespräch kommen, denen Kultur am Herzen liegt. Diese sei ein wichtiger Gestaltungsbereich im gesellschaftlichen Leben und drücke den wahren Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft aus was weder Wirtschaft, noch Politik und Geld vermögen.

In seiner flammenden Kulturrede gab der Bundestagspräsident auch zu verstehen, dass es auf der Welt nur wenige Länger gebe, in denen die Kunst-und Kulturförderung als öffentliche Aufgabe gesehen werde. In keinem anderen Land existieren so viele Orchester, Theater und Bibliotheken. Jährlich werden in Deutschland für die Förderung von Kunst und Kultur 10 Milliarden Euro ausgegeben, brachte Norbert Lammert auch Zahlen ins Spiel. Würde man allerdings bedenken, dass dies nur 2 Prozent der Gesamtausgaben sind, eine relativ geringe Summe. Natürlich musste der Kulturpolitiker den Zusammenhang von Kultur und Geld ansprechen – nämlich, dass die öffentlichen Haushalte am ehesten im Kulturbereich sparen könnten, was natürlich falsch sei. Auch widersprach er dem öffentlichen Vorurteil, nirgends werde so viel Geld durchs Fenster geschmissen wie im Bereich Kunst und Kultur. Als Verallgemeinerung sei diese These ebenso unrichtig. Lammert unterstrich aber auch, dass die Politik nicht für die Kultur zuständig sei, sondern lediglich für die Schaffung optimaler Bedingungen. Dazu zitierte er Reiner Kunzes Gedicht Ermutigung nach 200 Jahren (auf dem Weg nach Hause von einem Orgelkonzert): Zu Füßen Gottes, wenn Gott Füße hat, zu Füßen Gottes sitzt Bach, nicht der Magistrat von Leipzig. Nichts würde seine Überzeugung besser auf den Punkt bringen, gab Prof. Lammert zu verstehen. Dabei erkenne man die Größe eines Kulturpolitikers am stärksten an seiner Einsicht in die eigene Bedeutungslosigkeit.

In der offenen Fragerunde meldete sich Martin Warmuth, Inhaber eines Autohauses in Zeulenroda-Triebes zu Wort. Er bemängelte, dass viele kulturelle Einrichtungen der Region noch nicht für Rollstuhlfahrer geeignet seien. Die Träger müssen endlich erkennen, dass es wichtig ist, allen Menschen Zutritt zu verschaffen, so der Unternehmer. Prof. Lammert stimmte ihm zu, gab aber auch zu bedenken, dass zu keiner Zeit als der heutigen mehr dafür getan wurde. Der Greizer Harald Seidel lobte das Kulturland Thüringen und unterstrich, dass im Landkreis Greiz und der Kommune großes Verständnis für Kunst und Kultur herrscht. Stephan Marek, Wirtschaftsförderer und Tourismuskoordinator der Stadt Greiz bemängelte, dass immer weniger Euros für die Kommunen bereitgestellt und somit die Aufrechterhaltung der Kultur und die Bewahrung der Kulturschätze der Stadt immer schwerer gemacht würden. Thüringens Sozialministerin Heike Taubert (SPD) versicherte, dass sie froh sei, dass der Landkreis Greiz immer zur Kultur gestanden hat. Auch Landrätin Martina Schweinsburg (CDU) hob hervor, sich immer zu den kulturellen Leistungen bekannt zu haben und führte als Beispiel die Vogtland Philharmonie Greiz/Reichenbach an, die bereits im Jahr 1992 als länderübergreifendes Projekt gegründet wurde und auf eine 22 prozentige Einspielquote verweisen kann. Dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert gab die Landrätin mit auf den Weg nach Berlin und warf einen Blick in Richtung der sanierungsbedürftigen Kreutzbach-Jehmlich-Orgel – sich stärker mit Investitionszuwendungen einzubringen.

Info: Norbert Lammert, geboren 1948 in Bochum, studierte Politikwissenschaft, Soziologie, Neuere Geschichte und Sozialökonomie in Bochum und Oxford; er promovierte 1975. Seit 1980 ist er für die CDU Mitglied des Bundestages, unter anderem als kultur- und medienpolitischer Sprecher. Seit Oktober 2005 ist er Präsident des Deutschen Bundestages.

Antje-Gesine Marsch @10.01.2014