Bürgermeister Gerd Grüner beim vorstellen des Bürgerhaushalts für Greiz

Nur sieben Interessierte fanden den Weg in die Vogtlandhalle Greiz, wo Bürgermeister Gerd Grüner den Bürgerhaushalt vorstellte

Bürgermeister Gerd Grüner beim vorstellen des Bürgerhaushalts für Greiz
Bürgermeister Gerd Grüner stellte in der Vogtlandhalle Greiz den Haushalt 2012 vor.
GREIZ. Es ist schon enttäuschend: Lediglich sieben Interessierte fanden am Donnerstagabend den Weg in den Konferenzraum der Vogtlandhalle, wo Bürgermeister Gerd Grüner (SPD) den Bürgerhaushalt vorstellte. Fand die erste Veranstaltung dazu bereits vor der Bürgermeisterwahl am 12. April in Caselwitz statt – da waren etwa zwei Dutzend Bürger anwesend – gestaltete sich der Vortrag des Stadtoberhaupts fast zur Privatlehrstunde in Sachen Kommunalpolitik. Dass der Haushalt 2012 noch immer nicht beschlossen sei, habe daran gelegen, dass man bekannterweise erst zwischen Weihnachten und Neujahr 2011 aus Erfurt die Zahlen bekommen« habe, die Mitte des Jahres nur grob avisiert« wurden, so Grüner. Der Bürgerhaushalt ist ein Novum«, wie der Bürgermeister zur Thematik ausführte. Das Wichtigste sei dabei, die Bürger noch intensiver einzubeziehen und an der Planung, bspw. von Straßen, mitzuwirken zu lassen. Die Stadt bemühe sich dadurch um mehr Haushaltstransparenz und lasse die Bürger zumindest über Teile der freiwilligen Leistungen mitbestimmen. Die Pflichtaufgaben werden nicht diskutiert, verwies Grüner beispielsweise auf die Kindertagesstätten, die in der Betreibung mit 4,5 bis 5 Millionenen Euro pro Jahr zu Buche schlagen. Derzeit arbeite man mit einer vorläufigen Haushaltführung, wie er erklärte, unterstrich aber auch, dass die rechtlichen Verpflichtungen, wie Lohnzahlungen oder laufende Baumaßnahmen weitergeführt werden müssen. Was aber schon absehbar war: dass dem Haushalt der Stadt Greiz zwei Millionen Euro durch Kürzungen von Schlüsselzuweisungen aus der Landeshauptstadt vorenthalten wurden, wie der Bürgermeister weiß. Relativiert wurde das lediglich durch ein neues Gesetz, das der Landtag Mitte Dezember 2011 beschloss. Es bescherte uns 300000 Euro zusätzlich, dass es „nur“ noch 1,7 Millionen Defizit gibt. Mit diesem Haushaltloch gehe man nun in das neue Haushaltsjahr. Im Vergleich zum Jahr 2009 verzeichne man ein Defizit von 3 Mio. Euro. Mit dieser nicht nachvollziehbaren Rasenmäherentscheidung aus Erfurt könne man eine Kommune nicht steuern, wie der Bürgermeister betonte. Das Minus habe man nur im Verwaltungshaushalt stopfen können. Sowohl in der Kämmerei als auch in den ämtern habe man sorgfältig jeden Posten auf den Prüfstand gestellt. Nicht variabel seien etwa die Schulumlage, die mit 1,2 Mio. Euro veranlagt ist, sowie die Personalkosten für 200 Mitarbeiter mit etwa 10,5 Mio. Euro. Trotzdem müsse der Haushalt nun in trockene Tücher. Am 17. Februar sei er dem Stadtrat vorgelegt und im März/April in den Ausschüssen und Fraktionen beraten worden. Am 9. Mai wurde er im Hauptausschuss diskutiert; die Diskussion und Beschlussfassung plane man für die Stadtratssitzung am kommenden Mittwoch ein. Abschließend präsentierte das Stadtoberhaupt noch einige Bilder der Projekte, die baulich in Angriff genommen wurden oder in Planung sind: etwa das Haus Nr. 8 auf dem Oberen Schloss, das fortan das Stadtarchiv beheimaten wird oder die August-Bebel-Straße, deren Fertigstellung für Oktober dieses Jahres geplant ist. Vieles stemme man über Fördermittel, die vom Bund, dem Denkmalschutz oder der Städtebauförderung kommen, wie Gerd Grüner erklärte: Wir sollten auch weiterhin die Chancen der Zeit nutzen.
Schade, dass nicht mehr Greizer Bürger die Möglichkeit genutzt haben, sich einen Einblick in die finanzielle Lage und Planung der Stadt zu verschaffen. Als einzige Vertreter des Stadtrates waren Ines Watzek (SPD) und Jens Geißler (IWA) anwesend.
Antje-Gesine Marsch @24.05.2012

Ein Gedanke zu „Chancen der Zeit nutzen“
  1. Bei Licht betrachtet besuchten die Veranstaltung zum städtischen Haushalt von 11 Anwesenden lediglich vier „normale“ Bürger. Effektiv eigentlich nur drei, die tatsächlich kein politisches Amt etc. haben oder hatten. Denn einer der vier Bürger war früher Ortsteilbürgermeister (OT-BM) von Reinsdorf. Die weiter anwesenden Herren Jatho und Geißler sowie Frau Watzek gehören dem Stadtrat an und sind somit direkt oder indirekt (Opposition) die „Verursacher“ des Haushaltes. Zieht man die zwei Pressevertreter, den Bürgermeister (BM) Grüner , die Stadtkämmerin und den Ex-OT-BM ab, bleiben ganze drei Bürger zum „Bürgerhaushalt“! Traurig. Traurig ist schon, dass BM Grüner zwar bei Wikipedia nachgelesen hat, wo der Bürgerhaushalt herstammt. Aber offenbar nicht verstanden hat, was ein Bürgerhaushalt ist. Denn hier dürfen Bürger mitarbeiten, sogar mitbestimmen! Das gab es in Greiz noch nie und wird es allem Anschein nach auch nie geben. Auch das ist traurig, denn Jena, Erfurt und auch andere Städte machen nach anfänglicher Skepsis durchaus gute Erfahrungen mit dem Bürgerhaushalt.

    Noch trauriger war das Trauerspiel dieser Veranstaltung. Man kam sich vor wie bei einer Privatfehde. Zuerst verweigert Herr Geißler den angebotenen Handschlag des BM, weil er „niemanden die Hand gibt, der mich als rechts bezeichnet“. Nun kann man über Kinderstube streiten. Aber bestimmte Totschlagargumente gehören nicht in eine faire politische Auseinandersetzung. Zu den „no go ´s“ gehört zweifelsfrei, jemanden in die rechte Ecke zu stellen, um diesen zu diskreditieren. Und das er Menschen gern diskreditiert und „dumm macht“, bewies BM Grüner auch an diesem Abend.

    Jens Geißler (übrigens von seiner IWA- Fraktion völlig allein gelassen) versuchte gegen den Bürgermeister zu argumentieren, ohne jedoch harte Fakten zu präsentieren. DIE LINKE glänzte völlig mit Abwesenheit- weder von der Fraktion, noch vom Ortsvorstand noch Basismitglieder hielten es für nötig, sich zum Haushalt zu informieren. Das sollte sich der „gemeine Wähler“ merken. Denn im Kommunalwahlkampf 2014 werden uns die gleichen Leute sicher erzählen wollen, welche nicht vorhandenen Bäume sie in und für Greiz ausreissen wollen, um ein vergütetes Stadtrats- oder Aufsichtsratsmandat zu ergattern. Der Bürgermeister nutzte das eigene Schaulaufen genüsslich, um immer wieder zu betonen, dass es ja „einige Fraktionen nicht zu begreifen scheinen“. Als Gast konnte man dies wahlweise auf die Fraktion der IWA oder LINKE beziehen. Denn auch hier wurde der BM nicht müde zu betonen, dass DIE LINKE in völliger Unkenntnis der Rechtslage (Anspruch auf KiTa- Platz ab 1. Lebensjahr) einen Antrag eingebracht habe, den Neubau der Kindertagesstätte in der Greizer Neustadt zu canceln. Er meinte: „Ich wünsche schon viel Spaß bei diesen Prozessen“. Natürlich hat auch der Bürgermeister im Alleingang den Personalbestand in der Stadtverwaltung von 500 (1994) auf 200 (2012) abgesenkt. Wirklich? Der Personalbestand ist Teil des Haushaltes und den beschließt der Stadtrat. Bei Personalausgaben vom 10.549.000 €‚¬ macht das bei 200 Leuten im mathematischen Durchschnitt ein erkleckliches Jahressalär in Höhe von 52.745,00 €‚¬. Das hat in der freien Wirtschaft mancher Abteilungsleiter nicht, der auch nicht jeden Brückentag „mitnehmen“ kann.

    Außer dem Bürgermeister scheint übrigens überhaupt kein Greizer Ahnung zu haben. Dieser Eindruck drängte sich den anwesenden Bürgern auf, die den Mut hatten, Fragen zu stellen oder Anregungen zu geben. Mit Blick auf den geplanten Neubau der KiTa wurde nachgefragt, warum denn angesichts veränderter rechtlicher Rahmenbedingungen nicht die KiTa „Juri Gagarin“ im Nebaugebiet voll ausgelastet werde? Aktuell sind dort Räume an die Volkssolidarität vermietet. „Weil uns das gerade mal zwei Räume bringen würde“, fertigte der BM den Bürger ab. Konkrete Zahlen, an welchen der acht städtischen KiTas denn tatsächlich welcher Bedarf zu erwarten ist, blieb der Bürgermeister aber schuldig.

    Zum Schluss betonte der Bürgermeister, dass er den Anwesenden nun ausführlich den Haushalt und das Einsparpotenzial dargelegt habe. Wieder stand ein Bürger auf und fragte nach: „Herr Bürgermeister, irgendwie ist bei Ihrem Vortrag an mir vorbeigegangen, wo Sie denn nun konkret das Defizit von 1,7 Millionen Euro ausgleichen wollen. Könnten Sie das nochmals darlegen?“. Die Reaktion des Bürgermeisters war, dass der Bürger das Einsparpotenzial in dieser Übersicht nicht sehen könne und es deswegen für ihn nicht verständlich wäre. Die Einwohnerzahl habe mit dem Haushalt gar nichts zu tun, sondern nur mit der Steuermeßkraft, so eine andere Reaktion des Bürgermeisters. Er nannte 22.000 Einwohner, was nur stimmt, wenn man Neumühle einbezieht. Die Stadt Greiz hat laut Statistischem Landesamt per 30.06.2011 noch 21.618 Einwohner und „Sie können pro Jahr 500 abziehen“, so der Bürgermeister. Also kann man auch zu einem anderen Schluss kommen: je weniger Einwohner/ Beschäftigte, desto weniger Zuweisungen z.B. aus der Einkommenssteuer oder Umsatzsteuer (weniger Kaufkraft). Als der Bürger dann noch nachfragte, wo man sich denn detaillierter informieren könne, wurde er vom BM ganz abgewatscht. Das ginge nicht, weil „die Einsparungen aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen bestehen, dass wären endlos lange Listen“. Transparenz sieht anders aus. Wenn man offenbar problemlos im Haushalt 1,7 Millionen Euro einsparen konnte, wäre es spannend gewesen zu erfahren, wo die Greizer offenbar bisher „ausgenommen“ wurden. Laut Bürgermeister beträgt die Pro-Kopf-Verschuldung in Greiz lediglich 1.000 €‚¬. Laut Statistischem Landesamt waren es 2010 schon 1.113 €‚¬. Ob da die Schulden für die Vogtlandhalle (771 T€‚¬ jährlich) schon drin sind, wäre noch zu hinterfragen. Wie das Defizit tatsächlich ausgeglichen wurde und welche Rolle dabei die „Schattenhaushalte“ kommunaler Gesellschaften spielen, blieb auch am Ende der Veranstaltung im Dunkel. Wer schon mal Stadtratssitzungen in Greiz besucht hat, hattebei dieser „Bürgerveranstaltung“ den gleichen faden Beigeschmack im Mund. Wenn Stadträte auf der Basis von bröckchenweise dargebotenem Halbwissen entscheiden sollen und bei Nachfragen genauso abgewatscht werden, kann einem für die Zukunft von Greiz nur Angst und Bange werden. Fazit: Diese Veranstaltung hatte weder etwas mit „Bürgerhaushalt“ noch mit „Bürgernähe“ zu tun. Das lag zunächst an den Bürgern selbst, aber auch alten und neuen Stil des Greizer Bürgermeisters. Auch das sind vertane Chancen, die Greiz nicht voranbringen.

    Torsten Röder, Greiz@ 25.05.2012

Kommentare sind geschlossen.