Gottesackerkirche zu GreizVorderfront der Gottesackerkirche Greiz

Anlässlich des Tages des offenen Denkmals 2007 stellte die Greizerin Christina Klinner eine historische Betrachtung zur Gottesackerkirche vor

GREIZ. Der beigefügte Artikel ist bereits zehn Jahre alt. Anlässlich des Tages des offenen Denkmals 2007 stellte die Greizerin Christina Klinner eine historische Betrachtung zur Gottesackerkirche vor. Der interessante Artikel soll an dieser Stelle noch einmal veröffentlicht werden: Die Bilder sind aktuell – sie stammen vom Tag der Theaterherbst-Eröffnung am 15. September 2017, als sich die Kirche in der Friedhofstraße wunderschön beleuchtet zeigte:

„1740 legte man unterhalb des Reißberges einen neuen Friedhof an, da der an der Stadtkirche zu klein geworden war.
1742 wurde die zeitgleich mit einem Bahrenhaus errichtete Friedhofskapelle eingeweiht (29.09.1742) (im Volksmund hieß sie bald das „Singehaus“). Sie war ganz schlicht eingerichtet, nicht heizbar und besaß bis 1836 nicht einmal Sitzbänke. Dieser beinahe scheunenartige Bau hatte eine bewegte Geschichte:
– während des Siebenjährigen Krieges (1756 — 1763) diente die Kapelle als Truppenquartier und
1813 als Feldlazarett für die Verletzten der Völkerschlacht bei Leipzig
– seit der Zerstörung der Greizer Stadtkirche beim Stadtbrand 1802 bis zu deren Wiederaufbau 1805 wurden hier die Gottesdienste für die Greizer Gemeinde gehalten.
– 1866 wütete auch in Greiz die Cholera. Die Kapelle wurde in dieser Zeit ausschließlich zum Leichenhaus.
– seit Mitte des 19. Jahrhunderts und nach geringfügigen baulichen Verbesserungen im Inneren fand sich hier die Gemeinde regelmäßig zu Gottesdiensten zusammen (in erster Linie für die Kranken des gegenüberliegenden Spitals und ärmere Bürger, die sich wegen ihrer Kleidung scheuten, an den Gottesdiensten in der prächtigen Stadtkirche teilzunehmen).
– Nach fast 170 Jahren wurde am 11. November 1911 der letzte Gottesdienst abgehalten und die Gottesackerkapelle abgerissen und es entstand von 1912 bis 1913 ein Neubau unter Leitung von Stadtbaumeister Hugo Hüfner und seines Bauassistenten A. Thomas auf den Grundmauern des Vorgängerbaus.Erster Spatenstich war am 11. April 1912
– Turm gerichtet am 27. Juli 1912
– Turmkreuz aufgesetzt am 29. August 1912
– Einweihungstag der Kirche: 20. April 1913

Die neu gebaute Gottesackerkirche trug der gewachsenen Einwohnerzahl von Greiz Rechnung, war Friedhofskapelle und diente den Nordbezirken der Kirchgemeinde Greiz für Gottesdienste.

Erst 1934 erhielt der Turm mit Turmkranz sein Geläut.
Aus Fröbersgrün kam die um 1600 gegossene Bronzeglocke, die mit einem Durchmesser von 64 cm und einem Gewicht von 201 kg wohl zu den kleinsten der Region zählte. Das rettete sie aber nicht davor, für die Kriegswirtschaft beschlagnahmt zu werden. Doch glücklichen Umständen ist es zu verdanken, dass die aus dem 16. Jahrhundert stammende Glocke 1947 in einem Hamburger Glockenlager aufgefunden werden konnte. Über die Zonengrenzen kam sie im Sammeltransport 1949 nach Greiz zurück. Eine den Klang beeinträchtigende Beschädigung erforderte 1953 einen Umguss in den Apoldaer Werkstätten. Dort gegossen aus jahrhundertealtem Material, erhielt sie das Christusmonogramm und die Inschriften „VERBUM CARO FAKTUM EST“ und „ICH BIN DIE AUFERSTEHUNG UND DAS LEBEN“. Seit dem 14. Juli 1953 schmückt sie nun den auf die Dachmitte aufgesetzten kleinen Turm. Dort befindet sich auch das aus dem Vorgängerbau übernommene Uhrwerk nebst Schlagwerk.

– Im 2.Weltkrieg diente der Keller den Anwohnern als Luftschutzraum. (kein Lazarett!!!) Nach der Bombardierung von Greiz wurden die Toten der Weberstraße im Keller aufgebahrt (ca.8-10 Menschen).

Architektur und Inneneinrichtung blieben bis heute unverändert erhalten.

Stilgeschichtlich betrachtet handelt es sich um eine kurze Phase des Überganges zwischen Jugendstil und Bauhaus (zwischen 1910 und 1919). Der schlichte Bau trägt einen auf die Dachmitte aufgesetzten Turm mit einer Glocke.
Die Innenausstattung ist ein Zeugnis der Spendefreudigkeit der Gemeinde (Kanzel, Lesepult, Taufbecken, Buntglasfenste – siehe Inschriften der Fenster von jeweiligen Stiftern; Chronik auf Glas)

1957 wurde die Kirche umfassend renoviert und der Altarraum erhielt ein großes Holzkreuz.
– Durch ein großes Ochsenauge und die vier quadratischen Fenster darunter gelangt warmes gedämpftes Licht in den Raum. Die Glasmalerei der Halbfigur des gekreuzigten Heilands verkörpert rein optisch eine Fortsetzung und Krönung des großen Altarkreuzes.

Darunter befinden sich die Glasmalereien mit den Symbolen der vier Evangelisten (v.l.n.r.)
Matthäus: Engel
Markus: Löwe
Lukas: Stier
Johannes: Adler

– Die beiden großen Glasfenster besitzen auch symbolische Bedeutung:
Das Lamm Gottes ist das häufigste Symbol Christi. Es hat seinen Ursprung in Textstellen der „Offenbarung des Johannes“: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt.“ (Joh. 1 , 21)

– Pelikan: Nach dem Physiologus, einer naturgeschichtlichen — religiösen Schrift aus der Spätantike vermag der Pelikan durch das Öffnen seiner rechten Brust seine toten Jungen zum Leben zu erwecken. Aus diesem Grund gilt er als das Symbol der Liebe Gottes zu den Menschen und als Symbol der Erlösung durch den Opfertod Christi.
Seitlich vorn rechts bzw. links sind die von Clara und Christian Jahn gestifteten Fenster mit dem Auge Gottes bzw. der Taube des Heiligen Geistes zu sehen.

Die Glasfenster wurden von der Anstalt für Glasmalerei W. Franke, Hoflieferant aus Naumburg a.S. entworfen und ausgeführt. Die Kunstglaserei zählte zu den 17 bedeutendsten ihrer Art in Mitteldeutschland.

Lohnenswert ist ein Blick auf die schöne Kanzel mit ihrer Schnitzerei. Die Weinrebe verrät den Einfluss des Jugendstils (gestiftet von Kommerzienrat Hermann Arnold, Greiz).
Das Lesepult wurde von Herrn Zäbisch 1938 zum 25. Kirchweihjubiläum gestaltet.
Das Taufbecken ist von Frau Elly Viola Nahmmacher.
Die Orgel ist von der Fa. Emil Hammer, Orgelbau Hannover. Die gute Akustik des Raumes wirkt sich auf den Klang der Orgel positiv aus.

Stifter der Kirchenfenster:

Lamm Gottes: von Anwohnern der Leonhardtstraße, Friedhofstraße und Siebenhitze
Pelikan: von Paul Arnold, Geh. Kommerzienrat Greiz 1912
Auge Gottes: von Frau Färbereibesitzer Clara Jahn
Taube: von Herr Färbereibesitzer Christian Jahn
Halbfigur des gekreuzigten Heilands und die vier Evangelisten — Fenster: von Kommerzienrat Hermann Arnold, Greiz
Fenster im Eingangsbereich: von den am Kirchenbau beschäftigt gewesenen Handwerksmeistern

Quellen: Kirchen im Greizer Land (1. Auflage 1981)
Gottesackerkirche — Historische Aussage
Gottesackerkirche — Kunsthistorische Aussage

Christina Klinner @18.09.2017

Von Leserpost