Dr. Frank-Walter Steinmeier, Fraktionsvorsitzender der SPD bei Prominente im GesprächFrank-Walter Steinmeier beantwortete die zahlreichen Fragen der Gäste.

Die Welt sucht nach einer neuen Ordnung
GREIZ. Dass es die Projektreihe Prominente im Gespräch seit über zwanzig Jahren gibt, war für den SPD-Fraktionsvorsitzenden im Deutschen Bundestag, Dr. Frank-Walter Steinmeier zur Veranstaltung am Dienstagabend in der Stadtkirche St. Marien einige lobende Wort wert. Ich hoffe, so der Politiker, dass Sie, liebe Greizer und auswärtige Gäste, diese Reihe auch weiterhin so wertschätzen.
Steinmeier referierte an diesem Abend in der mit hunderten Interessierten gefüllten Kirche über ein brisantes Thema: Asien, Afrika, Naher Osten – Perspektiven sozialdemokratischer Außenpolitik in Zeiten des globalen Wandels.
Der derzeitige Konflikt in Nordkorea sei dramatisch und die ängste, dass die Situation aus den Fugen gerät, durchaus berechtigt. Steinmeier vermutet zudem, dass die idiotische Regierung gar nicht einschätzen kann, wie diese Aktion weltweit empfunden wird. Korea als gespaltenes Land, das im Norden unterentwickelt ist und im Süden wirtschaftlich erfolgreich, habe nicht die Möglichkeit, die Teilung des Landes zu überwinden, so wie es in Deutschland im Jahr 1989 vollzogen wurde. Dass die Situation dennoch nicht eskaliert, sieht Frank-Walter Steinmeier mit Zuversicht und prognostiziert, dass es in Korea keine militärische Auseinandersetzung geben wird. Ich sehe, dass die Chinesen ihr Interesse erkennen und hoffe, dass deren Einfluss ausreicht, diesen Konflikt zu beenden. Als großer Nachbar leiste China wirtschaftliche Unterstützung für das verarmte Nordkorea und versuche, es von notwendigen Reformen zu überzeugen.
Sehe man derzeit in die Welt, so scheint es, dass die Zahl der weltweiten Konflikte steigt, wie Frank-Walter Steinmeier sagte. In seinen Betrachtungen geht er zurück in das Jahr 1990, als der kalte Krieg endete. Dieser barg Gefahren, aber es wurde damit auch eine gewisse Übersichtlichkeit geschaffen, so der Politiker: Es gab die klassische Zweiteilung der Welt also auf der einen Seite die Amerikaner im Westen, auf der andern im Osten die Russen. Man bezeichne dies auch als zynische Gewissheit des kalten Krieges, so der Politiker und ehemalige Außenminister der Bundesrepublik Deutschlands. Mit der Auflösung dieser Blöcke sei diese Gewissheit vorbei gewesen, was zur Folge hatte, dass die alte Ordnung zusammengebrochen war, aber keine neue an deren Stelle trat. Die Welt sucht nach einer neuen Ordnung, zeigte sich Steinmeier überzeugt, wobei er weiß, dass sich die weltwirtschaftlichen Gewichte verschoben haben und Europa nicht mehr der Nabel der Welt ist. Mittlerweile seien aus den G8-Staaten die G20-Staaten geworden und diese versuchten, die Welt in Balance zu halten.
Steinmeier bestätigte auch, dass sich die Arten der Auseinandersetzungen geändert haben; standen sich früher Armeen gegenüber, gehe es heute oft weit unterhalb der staatlichen Ebene zu. Oft seien es Gruppen eines Staates, die sich in fundamentaler Art angreifen. So würde sich für Deutschland immer wieder die Frage stellen: Aus den Konflikten heraushalten oder sich einmischen? Dabei solle man kein Patentrezept suchen, das gebe es nicht. Sich generell herauszuhalten, findet Steinmeier schlichtweg falsch. Man solle den Einzelfall in allen Facetten prüfen und abwägen, ob man sich an Konflikten beteiligt. Als Beispiel nannte der Politiker den Irak-Krieg im Jahr 2003, an dem sich Deutschland nicht beteiligte, weil die Gründe für einen Kriegseinsatz nicht vorhanden gewesen sind.
Dass man sich in Afghanistan einmische, habe vor allem daran gelegen, dass man befürchtete, der Angriff auf das World Trade Center vom 11. September 2001, für den die al-Qaida verantwortlich gemacht wurde, sei der Beginn einer groß angelegten Angriffsserie. Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan sei eine richtige Entscheidung gewesen, müsse allerdings nach zehn Jahren Einsatz auf den Prüfstand gestellt werden. In diesem Land die Demokratie nach unseren Vorstellungen zu errichten, war eine harte Lektion in puncto europäischer Selbstüberschätzung urteilt Frank-Walter Steinmeier.
Was ihm weit mehr Sorgen bereite, sei der Konflikt im Nahen Osten. Es sei fast ausweglos, diesen zu lösen und die Gefahr, dass sich die Auseinandersetzungen zu einem Flächenbrand in der gesamten Region ausweiten, nicht von der Hand zu weisen. Steinmeier äußerte die klare Erwartung, dass die israelische Regierung am Friedensprozess im Nahen Osten festhalte und mit Energie die Zwei-Staaten-Lösung verfolge. Dies sei der einzige Weg für die Menschen, in Sicherheit und Frieden leben zu können.
Die Menschen würden oft die Kraft der Außenpolitik unterschätzen, mutmaßt der Politiker und sprach den Wunsch aus, dass auch die USA den notwendigen Mut aufbringen wird, ihre Verantwortung im Nahen Osten wahr zu machen.
Die Welt ist nicht einfacher geworden, nur anders resümierte Dr. Steinmeier und appellierte an die Menschen, mit neuem Blick auf die veränderte Welt zu sehen, keineswegs aber wegzuschauen. Die Bundesrepublik kann sich nicht aus der Weltgemeinschaft verabschieden, so das Resümee des Politikers.
Im Anschluss an das Referat bekamen die Gäste die Möglichkeit eingeräumt, Fragen an den Politiker zu stellen.
Bereits im Vorfeld fand im Gemeindehaus Dietrich Bonhoeffer eine Pressekonferenz mit Dr. Frank-Walter Steinmeier sowie Vertretern der evangelischen Kirche statt. Superintendent Andreas Görbert vermittelte dem Politiker viele interessante Fakten zur Stadt Greiz im Allgemeinen und dem kirchlichen Leben in Geschichte und Gegenwart im Besonderen.
Nach dem Abendgebet in der Stadtkirche lud der Superintendent zum Kirchentag in Hamburg ein, der vom 1. bis 5. Mai in Hamburg stattfindet und in dessen Präsidium auch der Gast des Abends, Frank-Walter Steinmeier sitzt.

Antje-Gesine Marsch @09.04.2013