FREIA-Ruine: Letztes Kapitel eingeläutetSo sieht die Ruine des ehemaligen FREIA-Betriebes kurz vor dem Abriss Mitte Oktober 2016 aus: Foto: Peter Mallon

Mit dem Abriss der FREIA-Ruine in der Grünen Linde endet eine Tradition des Greizer Automobilbaus

GREIZ. Am gestrigen Montag wurde mit den Vorbereitungen zur Sicherung des Geländes der ehemaligen FREIA-Manufaktur an der Grünen Linde begonnen. Die zum Schandfleck und inzwischen auch zum erheblichen Sicherheitsrisiko geratene Ruine soll am Mittwoch, den 12.10.2016 niedergelegt werden. Ein Schritt der längst überfällig ist, bevor der in stolzer Erinnerung gebliebene Begriff „FREIA“ noch zum Synonym für ein tragisches Unglück wird.

Zur Geschichte der FREIA:

Wer es noch nicht (oder nicht mehr) wußte, der kann jetzt in einem schönen neuen Buch aus dem Transpress-Verlag für Verkehrswesen nachlesen: „ Ahnen unserer Autos“ von Paul Gränz und Peter Kirchberg. Es befaßt sich mit den Anfängen des Kraftfahrzeugbaus auf dem Gebiet der DDR und reicht vom Anbeginn (etwa 1890) bis 1939. Da erfährt man, daß es Reihe Unzahl kleiner Firmen gab, die sich mit dem Bau von Automobilen abgaben. Oft bestanden sie nur wenige Jahre, wurden dann von größeren Firmen übernommen oder gingen stillschweigend wieder ein.

Darunter war auch eine Firma in Greiz: die „Freia „-Automobil-AG. Auf Seite 210 lesen wir darüber folgendes:
Am 18. Februar 1920 wurde in Greiz die „Kleinautobau-AG“ gegründet, die unter der Direktion von Arthur Schuh die Entwicklung eines Kleinwagens begann. Ende 1922 erfolgte die Umwandlung zu obiger Firma. Bemerkenswert an der Freia-Konstruktion war die tiefe Schwerpunktlage infolge der Federanordnung über dem Rahmen (Underslung), die sonst nur im Rennwagenbau gebräuchlich war. Auch sonst unterschieden sich Freia-Wagen durch sorgfältiger durchdachte und aufwendigere Konstruktion von anderen Kleinwagen ihrer Zeit.

Ende 1923 wurde der vorher seitengesteuerte 15-PS-Motor mit getrenntem Getriebe durch ein modernes Aggregat ersetzt: Eine geringe Hubraumvergrößerung und hängende Ventile mit obenliegender, durch Königswelle angetriebener Nockenwelle brachten eine Leistung von 20 PS. Motor und Getriebe waren nun verblockt. Die hervorragende Straßenlage und hohe Motorleistung brachten den „Freia „-Wagen sportliche Erfolge. 1927 wurde die Produktion eingestellt, Ersatzteile sind noch lange Johre hindurch angeboten worden. Arthur Schuh ging zu Rasmussen und wurde Direktor im damaligen Werk „Audi“!
Nur wenige Jahre wurden also in Greiz Personenkraftwagen gebaut. Die Produktionsstätte befand sich in jener Zeit in dem Gebäude Grüne Linde 1, wo nach Einstellung der PKW-Produktion noch bis in die ersten Nachkriegsjahre hinein unter der Firma „Freia“-Automobil-AG eine Kraftfahrzeugwerkstatt bestand.

Man könnte nun denken, daß fünfzig Jahre danach, längst keines der hier gefertigten Autos mehr existiert. Weit gefehlt! In dem genannten Band ist auf einer großen, farbigen Abbildung ein noch heute fahrbarer „Freia“-Wagen dargestellt, dessen Besitzer (K. Göckeritz in Gera) ihn liebevoll pflegt und sogar auf Oldtimer-Treffen vorführt. Es ist ein leuchtend gelb lackierter „Freia“-Rennwagen vom Typ S 23, gebaut um 1924, mit Drahtspeichenrädern.

Und auch ein zweiter Wagen dieser Firma ist noch im Bilde zu sehen, den Frau Gringmuth in Dresden besitzt. In der Unterschrift zu diesem Bild heißt es:
Dieser „Freia“ S 23 besaß einen Vierzylindermotor, aus dessen 1,3 l Hubraum 20 PS Leistung kamen, die dem nur zweiradgebremsten Fahrzeug zu beachtlichen Fahrleistungen verhalfen.
Solche frühen Automobile genießen heute hohes Ansehen. Die wenigen noch vorhandenen Exemplare werden als technische Kulturdenkmale erhalten, für alte Filme und dergleichen sind sie unentbehrlich. Die Verfasser des Buches bedauern lebhaft, daß es in der DDR noch keine zentrale staatliche Stelle gibt, die sich mit der Sammlung und Pflege alter Automobile befaßt. Für Motorräder ist das Museum auf der Augustusburg zuständig, die PKW jedoch werden z. Z. nur von einigen privaten Liebhabern erhalten und gepflegt.

Die Staatlichen Museen Greiz sollten versuchen, eine kleine Dokumentation über die Jahre des Kfz-Baus in Greiz zusammenzustellen. Als Glanzstück einer solchen Sammlung wäre natürlich auch der Erwerb eines hier gebauten Wagens ins Auge zu fassen. Ohne etwa damit Greiz in den Rang einer „Automobilstadt“ erheben zu wollen, wäre ein solcher Versuch doch gerechtfertigt.

Wolfgang Theilig @Heimatbote 01.10.1976

Von Leserpost