Gewissermaßen für alle eine Reise ins Ungewisse".Mario Schnepf in der Hamburger Speicherstadt Foto: Timo Heine

363 km in 5 Tagen – zu Fuß und in voller Einsatzkleidung – alles für den guten Zweck

Hamburg./ Thüringen./ Sömmerda. Der 34- jährige Hamburger Berufsfeuerwehrmann Mario Schnepf wird am 21. September 2020 zu seiner größten persönlichen Herausforderung aufbrechen. „Ich werde an den St. Pauli Landungsbrücken am Hamburger Hafen starten und dann knapp 400 Kilometer nach Sömmerda in Thüringen laufen, wo am 26. September 2020 der Run4Kids Benefizlauf, ein Hindernislauf deren Veranstalter sich die Hilfe für todkranke Kinder auf die Fahne geschrieben haben, stattfinden wird. Diesen werde ich, insofern ich das dann noch kann, auch noch mitlaufen“, so Mario Schnepf mit einem Augenzwinkern. Zu dieser Herausforderung wird er direkt nach seinem Dienst in der Feuer- und Rettungswache Osdorf aufbrechen. Bei seiner Challenge trägt er die typisch feuerfeste Kleidung eines Feuerwehrmannes, inklusive Schutzhelm und Einsatzstiefel. Dies bedeutet circa 25 kg Zusatzgewicht am Körper. „Als Berufsfeuerwehrmann habe ich fast täglich mit schicksalhaften Situationen zu tun. Ich möchte mit dieser persönlichen Herausforderung dazu beitragen, auf das Schicksal der über 50.000 Familien aufmerksam zu machen, deren Kind oder auch Kinder von einer lebensverkürzenden Krankheit betroffen sind. Diese brauchen Entlastung und Begleitung in dem oftmals kräftezehrenden jahrelangen Pflegeprozess, rund um ihr geliebtes Kind. Die Deutsche Kinderhospiz- und Familienstiftung setzt sich für diese Betroffenen ein. Diesen Auftrag möchte ich von Herzen gern unterstützen“, so Mario Schnepf.

Interview mit Mario Schnepf:

Herr Schnepf, warum sind Sie Feuerwehrmann geworden?
„Ganz spontan würde ich da antworten: Ich habe ein ausgeprägtes Helfersyndrom. Aber ich habe mich schon immer für Technik und das Berufsbild interessiert. Das ist so, solange ich zurückdenken kann. Über die Jugendfeuerwehr und als Einsatzkraft bei der Freiwilligen Feuerwehr konnte ich schlussendlich mein Hobby zum Beruf machen. Das klingt vielleicht ein wenig kitschig, ist aber so.“

Wie sieht Ihr Alltag in der Feuer- und Rettungswache Osdorf aus?
„Meine Kolleginnen, Kollegen und ich haben eine 48 Stunden Woche. Das bedeutet, wir arbeiten 24 Stunden am Stück, also zwei oder drei Mal die Woche immer von 7 bis 7 Uhr. In der Regel sind wir schon vor dem offiziellen Dienstbeginn in der Wache und halten noch gemütlich ein Pläuschen bei einer Tasse Kaffee. Dann erfolgt die Übergabe mit den abzulösenden Kollegen, der Anwesenheitscheck, die Funktionseinteilung und die tägliche Überprüfung der Fahrzeuge mit den Gerätschaften. Wenn wir zu den gemeinsamen Mahlzeiten zusammenkommen, sprechen wir über aktuelle und vergangene Einsätze. Das ist enorm wichtig. Zur regelmäßigen Aus- und Fortbildung kommen tägliche Sporteinheiten. Ach ja, und zwischendurch haben wir auch noch den ein oder anderen Einsatz“, sagt Schnepf und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Körperliche Fitness ist also wichtig?
„Fitness ist nicht nur wichtig, vielmehr lebenswichtig für meine Kameraden und mich persönlich. Schon beim sportlichen Auswahlverfahren im Einstellungsprozess wird selektiert, wer die Vorgaben nicht erfüllen konnte. Das ist auch wichtig, da dieser hohe Anspruch oft abgefordert wird. Man muss seinen Fitnesslevel halten. Dies wird auch regelmäßig überprüft. Wenn man ins 7. oder 8. Obergeschoss in voller Montur aufsteigen muss, darf man nicht schlapp machen.“

Wie kam Ihre Verbindung nach Thüringen zu Stande?
„Ich komme gebürtig aus Böblingen / Baden-Württemberg, wurde dort zum Berufsfeuerwehrmann ausgebildet und habe bei der dortigen Feuerwehr dann auch gearbeitet. Bereits seit 1988, also schon vor der Wende gab es eine Partnerschaft mit der Freiwilligen Feuerwehr in Böblingen und der Freiwilligen Feuerwehr im thüringischen Sömmerda. Mit der Wiedervereinigung gab es bis heute viele gegenseitige Besuche. Innige Freundschaften sind entstanden. Diesen Kontakt habe ich auch nach meinem beruflichen Wechsel mit in die Hansestadt genommen und gerne gepflegt.“

Welcher Unterschied besteht zwischen der Freiwilligen Feuerwehr Böblingen und der Freiwilligen Feuerwehr Sömmerda?
„Ich würde da zuerst von Gemeinsamkeiten sprechen. Beide Wehren setzen sich tagtäglich für ihre Mitmenschen auf vielfältige Art und Weise ein. Oft auch unter Einsatz des eigenen Lebens. Der Wirkungsbereich in Böblingen umfasst die Absicherung von 52.000 städtischen Einwohnern und 386.000 Bürgern im Landkreis. In Sömmerda sind es aktuell 78.000. Die freiwillige Feuerwehr Böblingen hat aktuell 21 Hauptamtliche und über 160 ehrenamtlich aktive Einsatzkräfte. Sömmerda hingegen zwei Hauptamtliche und mehr als 50 Ehrenamtliche. Das Einsatzgebiet beider Wehren beinhaltet städtebauliche Infrastruktur, große Industrieanlagen und Autobahnabschnitte.“

Wie sind Sie auf die Aktion zu Gunsten Familien mit todkranken Kindern gekommen?
„Ehrlich gesagt: spontan. Ich verfolge via Social Media die Aktionen der Freiwilligen Feuerwehr Sömmerda und dem Verein Run4Kids für schwer kranke Kinder und deren Familien seit geraumer Zeit und bin überwältigt von dem langfristigen Engagement meiner Thüringer Freunde. So hat die gesamtgesellschaftliche Herausforderung der Corona Pandemie massive Auswirkungen auf existenziell wichtige Spenden für ein Kinder- und Jugendhospiz, für die sich meine Sömmerdaer Freunde mit allen Kräften einsetzen. Deshalb war und ist es für mich wichtig, gerade jetzt diese Aktion zu starten. Wenn ich damit, neben Aufmerksamkeit für die Sache, einen prall gefüllten Spendentopf generiere, wäre das fantastisch.“

Wie bereiten Sie sich auf den Lauf vor?
„Gar nicht! Ich trainiere für den Lauf mit Absicht nicht. Meine spartanische Vorbereitung soll symbolisieren, dass sich die betroffenen Eltern von lebensverkürzt erkrankten Kindern auch nicht auf eine solche alles ändernde Lebenssituation einstellen können. Über 6.500 Familien erhalten pro Jahr in Deutschland die Diagnose, das ihr geliebtes Kind oftmals das Erwachsenenalter nicht erreichen wird. Gewissermaßen für alle eine Reise ins Ungewisse“.

Woraus besteht Ihr Laufoutfit?
„Ich werde in feuerhemmender Einsatzkleidung laufen. Diese schützt mich kurzfristig bis zu 1000 Grad, aber ich denke so warm wird es nicht werden. Dazu werde ich einen Feuerwehrhelm tragen und ganz normale eingelaufene Einsatzstiefel. Alles Kleidungsstücke, die wenig atmungsaktiv sind. Das ist definitv nicht bequem,
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setzt aber ein Ausrufezeichen hinter die Aktion. Sollte ich unterwegs an einem Brand vorbeikommen, bin ich aber bestens ausgestattet,“ erklärt Mario Schnepf mit einem Lachen. Die Kleidung wird durch Sponsoren bereitgestellt und wiegt circa 25 Kilogramm.

Was sagt Ihr Umfeld zu Ihrer Idee?
„Zuerst habe ich meine Familie und enge Freunde informiert, danach meine Kollegen und Bekannten. Nach Publizierung der Aktion in den sozialen Medien habe ich tolles Feedback in Form von Zuspruch und auch schon Spendengeldern aus dem gesamten Bundesgebiet erhalten. Alle unterstützen mich wie sie können, einfach klasse!“

Wie können wir uns den Lauf vorstellen?
„Vom Grunde her sehr spartanisch. Ich werde an meine persönliche Grenze gehen müssen. Mir wird der Schmerz bestimmt in den Knien hängen, aber das ist kein Vergleich zu dem Schmerz den betroffene Eltern fühlen müssen, die ihr geliebtes Kind verlieren. Meine Herausforderung sind 363 Kilometer. Von den Hamburger Landungsbrücken bis in die Innenstadt von Sömmerda, wenn ich mich unterwegs nicht verlaufe. Das entspricht einem Tagespensum von 70 Kilometern und einer aktiven Laufzeit von 14 bis 16 Stunden pro Tag. Ich werde keinen Begleiter dabei haben und alles autark stemmen. Aber vielleicht ergibt sich da in den kommenden Wochen noch etwas. Wir werden sehen. Ab der Landesgrenze des Freistaates Thüringen werde ich dann von meinen Thüringer Freunden begleitet. Das wird wohl irgendwo im Harz sein.“

Wo werden Sie starten und wie werden Sie sich unterwegs versorgen?
„Ich starte am 21. September 2020 um 9 Uhr, direkt nach meinem 24- Stunden- Dienst an den Landungsbrücken im Hamburger Hafen, dem sprichwörtlichen Tor zur Welt. Dann geht es durch den „Alten Elbtunnel“ immer Richtung Südosten. Um Gewicht zu sparen, versorge ich mich spontan und tagesaktuell in Supermärkten auf der Strecke. Ich will ja pünktlich am 26. September 2020 um 10 Uhr im Sömmerdaer Stadtpark zum Run4Kids Hindernislauf da sein.“

Der Verein Run4Kids in Sömmerda. Was können wir uns darunter vorstellen?
„Auf Initiative meines Freundes und Vorstandsvorsitzenden des Sömmerdaer Feuerwehrvereins Daniel Voigt wurde im vergangenen Jahr ein eigener gemeinnütziger Verein gegründet, der „Run4Kids Sömmerda e. V.“. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit verschiedenen Aktionen wie zum Beispiel dem jährlichen Benefizlauf, caritative Zwecke zu unterstützen. Letztes Jahr traten zu diesem Highlight mehr als 440 Teilnehmer zu dem Hindernisparcour an, der Der Thüringer Innenminister Georg Maier war der damalige Schirmherr. Der Hindernisparcour kann in den Längen 2km, 6km oder 8km absolviert werden. Die Strecke ist mit mehreren Hindernissen präpariert, für deren Überwindung man klettern, tauchen oder man sich auch abseilen muss. Alle Startgelder kommen der Arbeit des Thüringer Kinder- und Jugendhospizes Mitteldeutschland zu Gute, was auch ein Förderprojekt der Deutschen Kinderhospiz- und Familienstiftung ist, für die ich mich aktiv einsetze.“

Danke für das Gespräch.
Das Gespräch führte Stephan Masch.