Gottesdienst in Greizer Kirche erinnert an MauerfallEs ist bereits die "zweite Mauer", die Ralf König einreißt.

Gleichnis zur Mauer von Jericho – „Mauer“ vor dem Gotteshaus mit Hammer und Meißel bezwungen
GREIZ. Am Sonntag jährte sich zum 25. Mal der Jahrestag des Mauerfalls – der Grenzöffnung zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland. Damit wurden das Ende des über vierzig Jahre währenden “Kalten Krieges” und der Beginn des zügig voranschreitenden deutsch-deutschen Einigungsprozesses eingeleitet. Auch die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Greiz gedachte dieses historischen Tages mit einem Gottesdienst, den Pfarrer Michael Riedel mit Reiner Kunzes „Vers zur Jahrtausendwende“ einleitete: „Wir haben immer eine Wahl, und sei’s, uns denen nicht zu beugen, die sie uns nahmen.“ Vor einem Vierteljahrhundert zog es im heißen Wendeherbst tausende Greizer in die Stadtkirche. Die Zahl der Gottesdienstbesucher an diesem Sonntag war überschaubar und man vermisste diejenigen, die vor fünfundzwanzig Jahren zu den Fürbitten luden oder in der ersten Reihe der friedlichen Demonstrationen schritten – doch setzte der Gottesdienst den damaligen Geschehnissen ein würdiges Zeichen. Ein Gleichnis zum Mauerfall am 9. November 1989 legte Pfarrer Michael Riedel in der Predigt dar: Im Buch Josua des Alten Testaments ist von der Stadt Jericho berichtet, die von den Israeliten erobern werden sollte. Zu diesem Zweck marschierten die Israeliten sechs Tage lang je einmal um die Stadt, wobei Posaune blasende Priester den Kriegern voran gehen sollten. Am siebten Tag lief die Menge sieben Mal um die Stadt und blies die Posaunen. „Daraufhin ist die Mauer in sich zusammengestürzt“, so Pfarrer Riedel. Rückblickend resümierte er, dass das SED-Regine auf alles gefasst war, auf Gewalt und Eskalation – nur nicht auf Kerzen und Gebete. Mit dem „Marsch des Josua“ von Georg Friedrich Händel, den Ralf Stiller mit tiefer emotionaler Ausdruckskraft auf der Orgel und Trompete zu Gehör brachte, gestaltete der Kantor den Höhepunkt des Vormittags. Im Anschluss konnten die Gottesdienstbesucher der vor dem Kircheneingang errichteten „Mauer“ mit Hammer und Meißel zu Leibe rücken. „Mauerspecht“ Daniel Jäger machte den Anfang und viele folgten ihm. „Das ist schon die zweite Mauer im Leben, die ich einreiße“, scherzte der Greizer Ralf König, bevor er zum Werkzeug griff. Bis zum Ende der Friedensdekade soll die „Mauer“ in ihren Resten noch zu beschauen und zu bearbeiten sein, wie Pfarrer Michael Riedel informierte.

Antje-Gesine Marsch @10.11.2014