Greizer Geplauder mit Harald SeidelModerator Stefan Schmidt (r.) im Gespräch mit Harald Seidel.

Start der neuen Gesprächsreihe der Bürgerinitiative „Weil wir Greiz lieben“
GREIZ. Seit über zwanzig Jahren geben sich bei Harald Seidel Prominente aus Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur die Klinke in die Hand. Längst hat die Projektreihe „Prominente im Gespräch“ in der Stadt Greiz und weit darüber hinaus Kultstatus errungen. Am Freitagabend wurde im „Holzwurm“ der Spieß umgedreht: Harald Seidel stand beim „Greizer Geplauder“ Rede und Antwort. Initiiert wurde die lockere Runde von der Bürgerinitiative „Weil wir Greiz lieben“. „Es handelt sich dabei um eine Gesprächsreihe, in der Greizer im Mittelpunkt stehen, die wir interessant finden“, so der Moderator der Veranstaltung, Stefan Schmidt, der sich gut vorbereitet zeigte. Harald Seidel hat in all den Jahren wie kein anderer die Kulturszene der Stadt Greiz mitgeprägt – nicht zuletzt durch die Musik in der Jazzformation „media nox“, sein Wirken im Kulturausschuss der Stadt Greiz und des Landkreises, als Mitglied der Bundesmedienkommission der SPD und der Versammlung der Thüringer Landesmedienanstalt oder eben die erwähnte Reihe, die er heute eher „Begegnungen“ nennen würde. Der Begriff „Prominente“ sei mittlerweile in den Medien mit einem elitären oder durch die Regenbogenpresse verursachten Touch versehen. Nichts sei Seidel allerdings suspekter, als Menschen, die nicht widersprechen oder von allem Ahnung haben. „Die sind verdächtig“, so der Greizer lachend. Da es sich bei einem Glas Rotwein besonders gut plaudern lässt, zeigte sich Harald Seidel den Fragen von Stefan Schmidt sehr aufgeschlossen und plauderte auch ein wenig aus dem Nähkästchen. So erfuhren die Gäste über die Anfänge der legendären Jazzband, deren erste Proben in einer Gartenlaube auf dem Hainberg abgehalten wurden. Es war die Musik von Little Richard, die die jungen Männer damals inspirierte. Fragt man Seidel nach seinen besten Freunden und Mitstreitern, fallen sofort die Namen Günter Ullmann und Rudolf Kuhl. „Wir fühlten uns als Ost-68er, die mit ihrer Musik natürlich auch gegen das Establishment rebellierten“, gestand der Greizer. Keine einfache Sache, zudem der Bezirk Gera als „kulturfeindlichster“ der DDR galt. Politisch gesehen wollte man eine „bessere DDR“, war „mit Marx befreundet“. Natürlich stellt sich in jedem Interview mit Harald Seidel sofort die Frage nach Manfred „Ibrahim“ Böhme, der von 1966 bis 1977 in der Elsterstadt lebte. „Böhme war ein hochintelligenter, begnadeter Mann“, urteilt Seidel, der nie vermutet hätte, dass er und seine Freunde von ihm bespitzelt wurden. In der Stasi-Akte „Protest“ sei vermerkt, dass man Seidel zum „politisch günstigsten Zeitpunkt liquidieren“ wollte. Dass es die Stasi-Leute durchaus ernst meinten, sei ihm bewusst geworden, als die Radmuttern am Fahrzeug seiner Ehefrau abgeschraubt und die Plastekuppen fein säuberlich darüber gesteckt wurden. Dass das Marxsche Modell letztendlich „Schiffbruch“ erlitten habe und das „böse Erwachen“ nicht lange auf sich warten ließ, machte Harald Seidel betroffen. Da er ein sehr politischer Mensch ist, ließen ihn natürlich auch die aktuelle Themen nicht kalt. „Es sieht nicht gut aus in der Welt“, so sein Statement zu den Unruhen und Kriegen weltweit. Doch gebe es – etwa mit Papst Franziskus – Hoffnungszeichen für die Welt. Auf die lokale Ebene heruntergebrochen, wünschte sich der engagierte Greizer einen „besseren Ton“ im Greizer Stadtrat. Man solle endlich wieder zu Sachthemen zurückkehren, als persönliche Befindlichkeiten auszuleben. Lobend erwähnte Seidel, dass die Stadt Greiz mit ihren Kultureinrichtungen Vogtlandhalle, Eissportfläche, Kino, Bibliothek und vielem mehr reich gesegnet sei. „Dafür sollten wir Greizer dankbar sein“, wie er sich wünscht.

Antje-Gesine Marsch @30.11.2014