Jürgen Grässlin bei Prominente im GesprächBereits im vergangenen Jahr war Jürgen Grässlin Gast der Veranstaltung "Prominente im Gespräch".

Jürgen Grässlin referiert im Weißen Saal über die Machenschaften der Politik und Rüstungsindustrie
GREIZ. Es war schwere Kost, die Jürgen Grässlin am Donnerstagabend im Weißen Saal des Unteren Schlosses servierte. Dass Banken und Konzerne vom Waffengeschäft profitieren – darüber hatte der pazifistische Friedensaktivist bereits bei seinem Vortrag vor eineinhalb Jahren gesprochen Auch, wie tief die große Politik darin verstrickt ist, konnte man damals erfahren. Wer entscheidet letztendlich über Waffenlieferungen? „Der Bundessicherheitsrat – eine Dame und neun Herren – hinter weitgehend verschlossenen Türen“, so Grässlin. In seinem im Jahr 2013 erschienen „Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient“ hatte der Freiburger neue brisante Fakten zu Rüstungsexporten publiziert. In bisher 89 Lesungen dieses „Bestsellers der Friedensbewegung“ ging er immer wieder der Frage nach: Wie kann es sein, dass deutsche Waffen in menschenrechtsverletzende Länder verkauft werden und dort zum Einsatz kommen. Licht ins Dunkel der legalen wie illegalen Machenschaften der deutschen Rüstungsindustrie zu bringen, ist das Ansinnen des wohl bekanntesten deutschen Rüstungsgegners seit vielen Jahren. Beim Vortrag zeigte Jürgen Grässlin einige Statistiken mit erschreckenden Zahlen von Rüstungsexporten – Deutschland nimmt dabei weltweit den dritten Platz ein. Dabei nannte der Freiburger Lehrer auch ganz exakte Fakten und Firmen, die die Rüstungsindustrie in Deutschland vorantreiben: Beispielsweise den Konzern Jenoptik mit seiner Militärelektronik – die übrigens mit der Medizintechnik in einer Abteilung entwickelt wird – , auch Mercedes, Airbus, die Deutsche Bank oder die Rheinmetall AG. Die Firma Heckler& Koch – eine der „ganz Großen“ in diesem Gewerbe, liefert Kleinwaffen und gilt als Nr. 1 im Export von Gewehren. Dagegen kämpft Jürgen Grässlin seit nunmehr 30 Jahren an; getrieben von den Schicksalen der Opfer, die er bei seinen Reisen in Kriegs- und Krisenregionen traf. „Ich kenne persönlich 220 Fälle von Opfern deutscher Waffen“, so der Freiburger Lehrer, der im Frühjahr wieder in ein Krisengebiet fliegt, um mit den Menschen dort zu sprechen. Mit Kleinwaffen würden weltweit die meisten Menschen getötet und verstümmelt. „Zwei Drittel aller Kriegstoten werden mit Gewehren erschossen“, so Grässlin, der nicht müde wird, die Verlogenheit der Regierung und das grenzenlose Profitdenken der Konzerne anzuprangern. So sei es kein Wunder, dass es in Deutschland „klopf, klopf“ mache und Menschen kämen, die Schutz brauchen. Das Schreckliche sei, dass deutsche Kriegswaffen beispielsweise nach Afghanistan und Syrien geliefert würden – die Herkunftsländer der Flüchtlinge seien die gleichen. „Das heißt, wir produzieren Flüchtlinge“, brachte Jürgen Grässlin das Absurde auf den Punkt. Das Perfide sei zudem: die Kanzlerin reise in Länder, in die Waffen exportiert werden – oft sogar in Begleitung der Industriellen. Zwar will Frau Merkel keine Soldaten in den Irak schicken; dafür wurden 8000 Sturmgewehre mit 7 Mio. Schuss Munition geliefert. „Heuchlerischer kann Politik nicht sein“, so Jürgen Grässlin. Dennoch hat der Pazifist den Eindruck, in Deutschland tue sich etwas. Immerhin haben sich 78 Prozent für eine totalen Stopp deutscher Waffenlieferungen ausgesprochen. „Wir brauchen jede Kraft, die sich dagegen stemmt“, ermunterte Jürgen Grässlin auch die Gäste des Abends, sich aktiv in die Friedensbewegung einzubringen und somit den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen. Auch eine Aktie der Konzerne zu kaufen, mache durchaus Sinn. „Ich besitze drei Stück“, so der Rüstungsgegner. Das befähige ihn – der durch den Kauf gleiches Recht wie Großaktionäre genieße – sich als Kritischer Aktionär zu engagieren. „Wir dürfen nicht aufgeben“, nannte auch Harald Seidel als Credo der zweistündigen Veranstaltung.
Musikalisch umrahmt wurde der Vortrag von Hermann Losch (Klavier), Jens Wunderlich (dr) und Harald Seidel (b).

Antje-Gesine Marsch @20.02.2015