Geballte Lyrik in Greizer Buchhandlung BücherwurmHarald Seidel am Bass.

Die Idee der Projektreihe Prominente im Gespräch entstand bereits in den 1960er Jahren
GREIZ. Fernab jeglichen Medienrummels begeht Harald Seidel heute seinen 70. Geburtstag. Nur die engsten Freunde treffen sich in einem Greizer Traditionslokal, um auf dieses Jubiläum anzustoßen. Wer kennt ihn nicht – den stets ruhelosen Mann mit weißem Bart, der seit über zwanzig Jahren schon manchen Künstler, Politiker oder Wissenschaftler in die Schloss-und Residenzstadt lockte, um sie bei „Prominente im Gespräch“ zu Wort kommen zu lassen. Seine Hartnäckigkeit – manchmal über Jahre hinweg – zeichnet den Greizer aus, der mit der Projektreihe weit über die Stadtgrenzen hinaus Historie geschrieben hat. Harald Seidels Gedanken, so eine Runde zu veranstalten, gehen Jahre zurück: Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre traf man sich unter Leitung von Dr. Kurt Kuhlmann, Seidels väterlichem Freund, in regelmäßigen Abständen im damaligen Klub „Alexander von Humboldt“, damals noch in Regie des Kulturbundes der DDR, zum „weltanschaulichen Gesprächskreis“. Erst das Verbot im Jahre 1977 beendete die Diskussionen um Poppe, Freud und Nietzsche. Protegiert wurde dieser Kreis vom damaligen Kreissekretär des Kulturbundes, Manfred Böhme. Jener Manfred Böhme, der sich später Ibrahim nannte und dessen doppeltes Spiel nach Bekanntwerden viele seiner engsten Freunde und Bekannten erschütterte. Nach 1977 – dem Jahr des Weggangs Böhmes – war es nicht mehr möglich, Veranstaltungen dieser Art durchzuführen. So beschloss man, diese Gespräche fortan im „Tabak-College“ bei Pfarrer Klaus Böhme fortzusetzen. Bereist Ende der 70er Jahre erhielt Harald Seidel Büchersendungen von Carl-Friedrich von Weizsäcker – wobei nicht alle auch beim Empfänger ankamen. In dieser Zeit keimte auch der für diese Zeit noch recht utopische Gedanke auf, Weizsäcker einmal ins „Tabak-College“ einzuladen. Dass Seidels Traum Jahre später Wirklichkeit wurde, war da noch nicht abzuschätzen. Und doch: Erster Gast der Veranstaltung „Prominente im Gespräch“ in der Greizer Stadtkirche war jener Physiker, Philosoph und Friedensforscher. Doch nicht nur die Prominenten-Reihe allein ist es, was den Greizer Harald Seidel zu dem macht, was er ist: ein politisch interessierter und engagierter Bürger, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Dabei schließt sich der Kreis zum Jahr 1989. Schließlich war es Seidel, der in diesem Jahr, als noch keiner wusste, in welche Richtung die politische Entwicklung der DDR gehen würde, zu den Gründungsmitgliedern der SDP in Schwante gehörte. Als medien-und kulturpolitischer Sprecher war der Greizer bis zum Jahre 2004 Mitglied des Thüringer Landtags; gegenwärtig ist er für die SPD im Kreistag und Greizer Stadtrat aktiv. Nicht zu vergessen ist seine Liebe zur Jazzmusik. Seit vielen Jahren hält er der Formation „media nox“ die Treue und beschreitet seit letztem Jahr mit „jailbreak“ auch neue experimentelle Wege. Die Beatbewegung hatte Harald Seidel in den 60er Jahren regelrecht infiziert. Angesteckt wurden auch seine Freunde Rudolf „Ruby“ Kuhl, Günter „Charly“ Ullmann und Jürgen „Natz“ Kornatz, die viel Idealismus entwickelten, um in einer kleinen Gartenlaube auf dem Hainberg erstmals zu proben. In den fünf Jahrzehnten ihres Bestehen hat sich die von den „gallow birds“ später in „media nox“ umbenannte Gruppe einen Höchstrang in der deutschen Modern-Jazz-Szene erspielt. Harald Seidels emotionsgeladene Spielweise und vor allem die Freude am Musizieren begeistern noch heute die Zuhörer. Günter Ullmann, der im Jahr 2009 verstorbene Greizer Lyriker und Weggefährte Seidels beschrieb ihn einmal so: „Harald und ich haben unsere Kindheit und einen Großteil unserer Jugend gemeinsam verbracht. Waren es anfangs die Sammelleidenschaft und das Spielen, was uns verband, entwickelte sich unsere Freundschaft über viele Jahre weiter. Harald ist sehr belesen, ihm verdanke ich viele Anregungen und gute Gespräche. Er war stets kritisch, auch in Zeiten, wo dies einen gewissen Mut voraussetzte. Er ist ein guter Freund.“
Dem ist wohl nichts hinzuzufügen. Dem Jubilar die allerbesten Grüße und Wünsche, viel Gesundheit, persönliches und familiäres Wohlergehen und noch viele wichtige kulturelle Impulse für unsere Stadt Greiz.

Antje-Gesine Marsch @22.01.2015