Hygiene und InfektionsbekämpfungDer Leitende Chefarzt der Kreiskrankenhaus Greiz GmbH, Dr. med. Peter Gottschalk; Hygienefachschwester und Landesvorsitzende des Vereins Deutsche Hygienefachkräfte, Gabriele Göring; Oberarzt Dr. med. Hans-Joachim Güther, Hygienebeauftragter Arzt und Oberarzt Dr. Volkert – Erster Hygienebeauftragter Arzt. Foto: KKH Greiz

Krankenhausspiegel Thüringen veröffentlicht Maßnahmen und Qualität bei Hygiene und Infektionsbekämpfung – Im Kreiskrankenhaus Greiz besteht seit mehr als 25 Jahren eine aktive Hygienekommission unter Vorsitz des Leitenden Chefarztes
GREIZ. Die Verabreichung von Antibiotika in der Tiermast und die häufige und oft unnötige Verordnung von Antibiotika bei Patienten mit nichtbakteriellen Infekten lassen immer mehr multiresistente Erreger (MRE) entstehen. Viele Menschen sind inzwischen Träger solcher Keime – meist ohne es zu wissen. Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf das Gesundheitswesen und die Krankenhäuser, denn MRE werden von Patienten in die Krankenhäuser getragen. Wie der Krankenhausspiegel Thüringen mit seinem am 19. Mai veröffentlichten neuen Schwerpunktthema „Krankenhaus-Hygiene“ zeigt, ist das Niveau der Thüringer Krankenhäuser beim Infektionsschutz sehr hoch. Durch speziell fortgebildetes Fachpersonal und ein engmaschiges Netz von Maßnahmen und Kontrollen wird das Auftreten von Infektionen, insbesondere von MRE, frühzeitig entdeckt und wirksam bekämpft. Die Kreiskrankenhaus Greiz GmbH nimmt zu diesem Zweck seit 2012 am MRE-Netzwerk und am Thüringer AlertsNet, einem bundesweit einmaligen Erfassungsprojekt, teil.
Jedes Jahr erkranken in Deutschland Menschen an so genannten nosokomialen Infektionen – Infektionen, die sie sich in geschwächtem Zustand und im Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt zuziehen. Die häufigsten nosokomialen Infektionen sind Lungenentzündung, Sepsis (Blutvergiftung), Harnwegsinfektionen und Wundinfektionen nach Operationen. Ein wesentliches Ziel der Krankenhäuser ist es, nosokomiale Infektionen zu vermeiden. Besonders gefürchtet sind Bakterien, die nicht mehr mit gängigen Antibiotika bekämpft werden können. Normalerweise töten Antibiotika Bakterien ab. Aufgrund des massenhaften Einsatzes von Antibiotika – insbesondere in der Tiermast – haben sich aber manche Bakterienstämme angepasst und sind resistent geworden, so dass viele Antibiotika nicht mehr helfen.

Unterschätzte Gefahr: MRSA und Multiresistente Fäkalbakterien
Der am meisten verbreitete und bekannteste Erreger ist der Methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA), der auf der Haut angesiedelt ist und Wundinfektionen, Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen auslösen kann. Als Folge gezielter und konsequenter Hygienemaßnahmen hat die Häufigkeit von Infektionen durch MRSA in den letzten Jahren jedoch stetig abgenommen. Massiv unterschätzt hingegen wurden bisher die im Darm angesiedelten Fäkalbakterien; die Resistenzen dieser Erreger dramatisch zu. Vorbeugende Hygienemaßnahmen sind hier nicht möglich, weil ein mit multiresistenten Fäkalbakterien besiedelter Darm, im Gegensatz zu mit MRSA besiedelter Haut, nicht durch spezielle Maßnahmen saniert werden kann. Viele Menschen tragen multiresistente Fäkalbakterien im Darm, ohne es zu wissen und ohne daran zu erkranken. Jedoch können sie diese Erreger bei einer akuten Erkrankung ins Krankenhaus mitbringen. Es handelt sich dabei unter anderem um VRE (Vancomycinresistente Enterokokken) und MRGN (Multiresistente gramnegative Stäbchenbakterien).

Patienten sind häufig Quelle von Krankenhausinfektionen
Eine wichtige Quelle der im Krankenhaus erworbenen Infektionen sind die Patienten selbst, da sie häufig schon Erreger mitbringen, die dann auf andere Patienten übertragen werden können – meist durch Kontakt, z.B. über Hände oder auch durch Medizingeräte oder Pflege-Utensilien. Auf diesem Wege gelangen sie in offene Wunden oder in die Schleimhäute. Mit besonderen medizinischen und hygienischen Präventionsmaßnahmen können Infektionen durch multiresistente Erreger verhindert werden. Wie der Krankenhausspiegel Thüringen anhand der jetzt veröffentlichten Informationen und der neuesten Qualitätsdaten zeigt, sind die Thüringer Krankenhäuser hier sehr erfolgreich.

Bundesweit einmalig: Das AlertsNet in Thüringen
In Thüringen ist zudem ein bundesweit einmaliges Projekt angesiedelt: das AlertsNet. Seit 2011 werden im Rahmen des AlertsNet in Thüringen die Daten von Patienten zusammengeführt und analysiert, bei denen krankheitsauslösende Keime im Blut nachgewiesen worden sind. Diese Daten können zum Beispiel Aufschluss darüber geben, welcher Keim eine Infektion ausgelöst hat und welches Ausmaß die Antibiotika- Resistenz in Thüringen erreicht hat. Damit werden gezielt Schritte zur Infektionsprävention und zu einer verbesserten Diagnostik möglich. Am AlertsNet nehmen in ganz Thüringen 36 Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen sowie 18 mikrobiologische Labore teil. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Gesundheit und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die Leitung von AlertsNet ist am ZKS im Universitätsklinikum Jena angesiedelt. Das Projekt wird erstmalig in Deutschland repräsentative Daten für eine Bevölkerung von über 2,3 Millionen Einwohnern zur Häufigkeit von krankheitsauslösenden Erregern im Blut, zu aufkommenden Resistenzen sowie zum Antibiotikagebrauch liefern. Thüringen nimmt hier eine Vorreiterrolle ein und soll als Modell für weitere Bundesländer dienen.

MRE-Netzwerke in Thüringen
Für ein abgestimmtes und einheitliches Vorgehen bei der Vermeidung von Infektionen durch MRE haben sich außerdem in Thüringen auf Ebene der Landkreise und der kreisfreien Städte MRE-Netzwerke gebildet. An diesen nehmen Gesundheitsämter, örtliche Krankenhäuser, Fach- und Reha-Kliniken, Zentren für ambulantes Operieren und Dialyse, Alten- und Pflegeeinrichtungen, Laboratorien, niedergelassene Ärzte, Krankentransporte und Rettungsdienste sowie Apotheken teil. Alle MRE-Netzwerke haben sich zum „MRE-Netzwerk Thüringen“ zusammengeschlossen, das vom Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz unterstützt wird.

Hygienekommissionen und Hygiene-Fachpersonal
Seit 2012 gibt es in Thüringen die „Verordnung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen“. Sie schreibt unter anderem vor, dass jedes Krankenhaus eine Hygienekommission bilden muss. Diese besteht aus der ärztlichen, pflegerischen, technischen, hauswirtschaftlichen und der Verwaltungsleitung, den Hygieneexperten und dem Krankenhausapotheker und entwickelt Hygienepläne, in denen alle Verfahren zur Infektionsvermeidung detailliert und verbindlich festgelegt sind. Zudem sind die Krankenhäuser mit Beginn des Jahres 2016 verpflichtet, qualifiziertes Hygiene- Fachpersonal zu beschäftigen.

In der Kreiskrankenhaus Greiz GmbH besteht seit mehr als 25 Jahren eine aktive Hygienekommission unter dem Vorsitz des Leitenden Chefarztes.
Im Krankenhaus arbeiten 4 ausgebildete hygienebeauftragte Ärzte, wobei ein Arzt die spezielle Ausbildung nach dem ABS (Antibiotic Stewardship) absolviert hat.
Mit ABS ist ein programmatisches, nachhaltiges Bemühen um Verbesserung und Sicherstellung eines rationalen Einsatzes von Antiinfektiva gemeint. Darunter werden Strategien bzw. Maßnahmen verstanden, die die Qualität der Antiinfektivabehandlung bezüglich Auswahl, Dosierung, Applikation und Anwendungsdauer sichern, um das beste klinische Behandlungsergebnis unter Beachtung einer minimalen Toxizität für den Patienten zu erreichen.
Eine Hygienefachkraft ist im klinischen Alltag Ansprechpartner für alle Beschäftigten und vermittelt die Maßnahmen und Inhalte zur Infektionsprävention.
Darüber hinaus sind 16 Mitarbeiter als Hygienebeauftragte der Pflege nach dem Curriculum der VHD (Verband der Hygienefachkräfte Deutschlands) im 1. Halbjahr 2014 ausgebildet worden und somit wertvolle Mittler und Multiplikatoren zwischen den Stationen und dem Hygieneteam. Sie können entscheidend zur Akzeptanz und Umsetzung empfohlener Maßnahmen beitragen. Dazu gehört insbesondere eine systematische Händedesinfektion vor und nach jedem Patientenkontakt.
Unterstützt wird das Hygieneteam von einem externen Facharzt für Mikrobiologie sowie einer Fachärztin für Krankenhaushygiene.
Zwei Pflegefachkräfte befinden sich derzeit in einer zweijährigen Hygieneweiterbildung.

Routine-Tests auf MRSA
Um die Verbreitung multiresistenter Erreger zu verhindern, führt das Krankenhaus Greiz bei bestimmten Patientengruppen sogenannte selektive Aufnahme-Screenings durch. Dies geschieht routinemäßig bei der Aufnahme von Patienten, die ein erhöhtes Risiko haben, Träger des relativ verbreiteten MRSA-Erregers zu sein. Das sind unter anderem Patienten aus Ländern mit bekannt erhöhtem MRSA-Vorkommen, Patienten, die beruflich direkten Kontakt zu Tieren in der landwirtschaftlichen Tiermast haben, Patienten mit chronischen Wunden, Brandverletzungen oder offenen Zugängen wie LuftröhrenKanülen oder Blasenkatheter sowie Patienten aus Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen. Zudem werden Tests auf weitere Krankenhauskeime wie MRGN und VRE durchgeführt, sofern dies angezeigt erscheint.

Schutzmaßnahmen bei MRE-Patienten
Im Umgang mit MRSA- und anderen MRE-Patienten gelten besondere Schutzmaßnahmen sowohl für das Klinikpersonal als auch für Besucher. Diese Patienten werden im Krankenhaus räumlich getrennt von anderen Patienten untergebracht. Ärzte, Pfleger und Besucher müssen Schutzkittel, eventuell Mund-Nasenschutz und Einmalhandschuhe tragen. Die direkte Umgebung und Gebrauchsgegenstände dieser Patienten werden besonders häufig desinfiziert, Pflegeutensilien nach Gebrauch sicher entsorgt sowie Bettwäsche, Handtücher und sämtliche Kleidung täglich gewechselt und gewaschen. Sofern es sich nicht um Notfallsituationen handelt, werden bei diesen Patienten weitere Maßnahmen mit dem Ziel einer Befreiung von den Keimen ergriffen.

Thüringen sehr gut bei der Vorbeugung von Wundinfektionen
Das hohe Niveau bei der Vermeidung von Infektionen in Krankenhäusern spiegelt sich in den guten Qualitätsergebnissen im Bereich der Infektionsvorbeugung und der Infektionsraten wieder. Von den über 140 Qualitätsmerkmalen, die im Thüringer Krankenhausspiegel veröffentlicht werden, drehen sich 14 um das Thema Infektion. Ein Beispiel sind Operationen zum Einsatz künstlicher Hüftgelenke. Vor der Operation sollten möglichst alle Patienten vorsorglich Antibiotika erhalten, um Wundinfektionen zu vermeiden, die zu erheblichen Komplikationen führen können. Dosierung und Zeitpunkt der Verabreichung sind entscheidend für eine ausreichende Wirkung der Medikamente. In den Thüringer Krankenhäusern wurden im letzten Auswertungsjahr 99,9 Prozent dieser Patienten mit Antibiotika versorgt, noch mehr als im ohnehin schon hohen Bundesdurchschnitt (99,7 Prozent). Auch beim Einsatz künstlicher Kniegelenke, bei der Operation von Oberschenkelhalsbrüchen, bei Kaiserschnitten sowie bei Bypass- und Herzklappen-Operationen erreichen die Thüringer Krankenhäuser hervorragende Werte. Die überdurchschnittlichen Thüringer Qualitätsergebnisse sind eine Folge wirksamer Hygienemaßnahmen, aseptischen Arbeitens, gewebeschonender moderner Operationstechniken und einer systematischen Antibiotikagabe vor der Operation.
Im Krankenhausspiegel Thüringen legen 21 Thüringer Krankenhäuser ihre medizinische Qualität zu 14 besonders häufigen bzw. komplizierten Behandlungsgebieten jährlich offen.

Weitere Informationen unter: www.krankenhausspiegel-thueringen.de
Pressemitteilung Kreiskrankenhaus Greiz GmbH @22.05.2015