Jennifer Teege stellt bei »Prominente im Gespräch«Jennifer Teege stellte im Greizer "Bücherwurm" ihr Buch "Amon-Mein Großvater hätte mich erschossen" vor.

Jennifer Teege stellt bei »Prominente im Gespräch« ihren autobiografischen Band vor
GREIZ. Atemlose Stille herrschte am Montagabend in der Buchhandlung „Bücherwurm“. Gebannt hören die fast 150 Gäste auf die Worte von Jennifer Teege, die aus ihrem autobiografischen Roman „Amon – Mein Großvater hätte mich erschossen“ las. Fast unvorstellbar, was die hübsche dunkelhäutige Frau mit Modelmaßen da vorträgt. Im Alter von 38 Jahren fand sie durch einen Zufall heraus, dass sie die Enkeltochter des berüchtigten „Schlächters von Krakau“, des Kommandeurs des nationalsozialistischen Vernichtungslagers Plaszow ist, der 8000 Menschen tötete und dessen schreckliche Machenschaften spätestens durch den Film „Schindlers Liste“ bekannt wurden. Als sie dies realisierte, fällt sie in eine schwere Depression. Die 1970 geborene Tochter einer Deutschen und eines Nigerianers wurde mit vier Wochen in ein Kinderheim gegeben; mit sieben Jahren kam sie in einer Pflegefamilie unter, in der sie behütet aufwuchs. Fünf Jahre studierte Jennifer Teege in Israel, erlernte die hebräische Sprache. Mittlerweile ist sie verheiratet und Mütter zweier Söhne.
Nach diesem schicksalsträchtigen Tag in der Hamburger Zentralbibliothek fragte sie sich nun permanent, was sie mit diesem Nazi-Verbrecher zu tun hat, suchte nach Ähnlichkeiten auf alten Fotos ihrer Großeltern. Jennifer Teege fängt zu recherchieren an, stößt auf Interviews ihrer leiblichen Mutter Monika Hertwig, die kein Jahr alt war, als Amon Göth 1946 zum Tod verurteilt wurde, und die erst als Erwachsene vom Ausmaß der väterlichen Verbrechen erfuhr.
Teege fuhr in das KZ Plaszow bei Krakau, wo Amon Göth und Ruth Irene Kalder (später Göth) gelebt haben. Im Buch beschreibt sie, wie wichtig ihr diese Reise war. „Mit dieser Reise nach Krakau dachte ich, dass ich Klarheit schaffe, dass ich diesen Ort kennenlerne, dass ich meinem Großvater und dem Grauen von damals näher bin und hinterher loslassen kann.“ Sie besuchte die Villa, in der der SS-Scherge mit seiner Lebensgefährtin, Jennifers Großmutter, lebte. Zu ihr hatte sie als Kind noch losen Kontakt. Keiner hatte ihr allerdings erzählt, wer sie wirklich war. Ruth Irene Göth sprach noch Jahre später begeistert von ihrem Leben an der Seite des KZ-Kommandanten: „Es war eine schöne Zeit. Mein Göth war König, ich war Königin.“ Für Jennifer Teege ist dies ein unüberwindlicher Schock, denn sie kannte ihre Großmutter nur als liebevollen Menschen: „Meine Großmutter war für mich der Mensch in der Kindheit, der mir aus der leiblichen Familie am nächsten stand. Und ich hatte nur gute Erinnerungen an sie. Doch plötzlich war dieses Bild aus der Kindheit zerstört, weil ich sie nicht mehr als fürsorgliche Frau sehen konnte, sondern als Frau an der Seite von Amon Göth“, schreibt Jennifer Teege.
Geschichte zu vermitteln, will sie dabei Historikern und Pädagogen überlassen: „Ich bin keine Holocaust-Expertin und habe auch nicht vor, eine zu werden.“ Ihr Anspruch für sich selbst und jeden Menschen heißt: Jeder soll darüber nachdenken, wie er sich für mehr Menschlichkeit einsetzen kann.“ Dank der intensiven persönlichen rationalen Verarbeitung – auch durch das Verfassen dieses Buches – kann die Frau wieder normal leben. Die Bürde, aus einer Nazifamilie zu kommen, bleibt bestehen. Aber sie beherrscht sie nicht mehr.

Antje-Gesine Marsch @02.04.2014