Jens Geißler referiert bei Prominente im GesprächZur 250. Veranstaltung von "Prominente im Gespräch" überreichte Jens Geißler (l.) Harald Seidel ein Relief.

Der Greizer sprach zum Thema: Die Wichtigkeit und soziale Rolle der Wirtschaft in den lokalen Regionen
GREIZ. Die Wichtigkeit und soziale Rolle der Wirtschaft in den lokalen Regionen stand als Thema der 250. Veranstaltung der Projektreihe „Prominente im Gespräch“ am Donnerstagabend zwar fest, doch war es nur eine Frage der Zeit, bis die Politik im Allgemeinen und Besonderen den größten Rahmen des Referats einschließlich der Diskussion einnahm. Gast des Abends war Jens Geißler, Unternehmer und Lokalpolitiker und wohl eine der polarisierendsten Personen der Region. Der Inhaber mehrerer Firmen und Fraktionsvorsitzende der von ihm im Jahr 1996 gegründeten Interessengemeinschaft für Wirtschaft und Arbeit (IWA), die sowohl im Stadtrat als auch im Kreistag vertreten ist, zeigt sich überzeugt: “Mittelständler bringen Leben in die Region – wenn die Wirtschaft lebt, geht es auch der Kommune gut.” Einen ausführlichen Exkurs unternahm der 54-Jährige in die Zeit, als er als jüngster Landrat Thüringens Anfang der 1990er Jahre agierte. Er habe sich von der CDU, der er damals angehörte, “breit schlagen” lassen, die Stelle für ein Jahr zu bekleiden. Nachdem im Jahr 1990 der erste demokratisch gewählte Landrat Jürgen Greiner die Wahl nicht annahm und Nachfolger Reinhard Seiffert sich aus gesundheitlichen Gründen abwählen ließ , bestimmte der Kreistag Jens Geißler (CDU) zum Landrat. Vieles habe er damals auf den Weg gebracht, erinnert Geißler beispielsweise an die Fusion der beiden Sinfonieorchester aus Greiz und Reichenbach zur Vogtland Philharmonie Greiz/ Reichenbach, die Gründung des sozio-kulturellen Projektes “Greizer Theaterherbst” oder die Sicherung des Greizer Kreisstadt-Status im neuen Großkreis im Jahr 1993. Als größten Fehler nach der politischen Wende sieht Geißler, den sicher “gut gemeinten Aufschwung Ost”, der allerdings nicht fußte. “Industrie-und Gewerbeansiedlungen wären die Basis dafür gewesen”, bemängelt der Unternehmer punktuell in Bezug auf die Stadt Greiz. Zurückblickend auf die gute, alte Zeit um 1900, als Greiz die reichste Stadt Deutschlands war, 34 Banken besaß, zudem mit Hermine – Frau des letzten deutschen Kaisers und geborene Reußenprinzessin -, zwei vogtländischen Kosmonauten und der größten Kupferstichsammlung Europas aufwartete, resümiert Geißler, dass die Stadt viel zu wenig mit ihren Pfunden wuchert. Man müsse permanent die “Neugier der Menschen anstacheln.” Dass in dieser Aufzählung einiges nicht korrekt sei, monierte Besucher Dirk Görsch, seines Zeichens Bibliothekar im Sommerpalais Greiz, der den Referenten gleichzeitig bat, sich auf das angekündigte Thema Gegenwart und Zukunft zu besinnen und nicht in der Vergangenheit hängen zu bleiben. Um die seinerzeit prosperierende Industrie herum hätten sich entsprechende Zulieferbetriebe angesiedelt, ließ sich Jens Geißler von seiner Aussage nicht abbringen. Die Greizer Wirtschaft der Gegenwart habe “zu wenig Industriebesatz”. Dadurch entfalle auch die Option, junge Leute mit einer “Wohnbebauung” in die Stadt zu locken. Die avisierten Ansiedlungsgebiete auf den Zeddelwiesen seien “Schwemmland” und nicht akzeptabel. “Ein vernünftiges Bebauungsgebiet ist eine Zukunftsgeschichte” – gleichwohl die Bearbeitung eines Bauantrages eine “Katastrophe”. Jens Geißler schlug vor, die Anträge fortan beim Wirtschaftsförderer der Stadt einzureichen – Bearbeitungszeit: vier Wochen. Was sich der Unternehmer zur Belebung der Wirtschaft in Greiz gut vorstellen könne, sei eine “Städtepartnerschaft mit Reichenbach”, ähnlich dem Städtebund „Nordöstliches Vogtland“ mit den Mitgliedsstädten Greiz, Reichenbach, Elsterberg, Mylau und Netzschkau, den es bereits seit dem Jahr 1996 gibt. Er ging dabei sogar soweit, eine Länderreform Thüringen/Sachsen anzuregen: “Was 1992 mit der Fusion der Orchester auf kulturellem Gebiet gelang, kann doch genauso gut in der Wirtschaft funktionieren; immer dabei auch die touristische Vermarktung des Vogtlandes im Blick.” Was die Stadt dringend bräuchte, seien “Menschen mit Visionen”. Zudem bemängelte der Unternehmer, dass “keiner unsere Interessen in der Landeshauptstadt Erfurt vertritt”. So lange Greiz immer weiter verkehrsberuhigt werde, sei eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation nicht möglich, betonte Stadtrat Michael Kniebel (IWA) mit Nachdruck. Holger Steiniger, Fraktionschef der Linken im Greizer Stadtrat schlug vor, die “Fehler der Vergangenheit” nicht zu wiederholen und stattdessen in die Zukunft zu schauen. Viele Dinge in der Stadt seien ohne “bindendes Konzept” gemacht worden, das müsse man zukünftig ändern.
Dass man die Jubiläumsveranstaltung in die Parkgaststätte in der Leonhardtstraße verlegte, war dem Umstand geschuldet, dass es seitens der Stadt Greiz nicht gestattet wurde, den Weißen Saal als Lokalität zu mieten, wie Harald Seidel mehrmals monierte. “Richtig”, informierte Gerd Grüner, Bürgermeister der Stadt Greiz (SPD) auf Nachfrage. “Politveranstaltungen haben in öffentlichen Arealen nichts zu suchen.”
Jens Geißler reichte im Rathaus inzwischen eine Beschlussvorlage ein, die beinhaltet, dass die Projektreihe “Prominente im Gespräch” eine Veranstaltung der Stadt Greiz wird. Zur nächsten Sitzung des Greizer Stadtrates wird man darüber zu entscheiden haben.

Antje-Gesine Marsch @29.01.2016