Journalist Christian Fuchs liest in Greizer BibliothekJournalist Christian Fuchs liest aus seinem Band "Die Zelle" in der Greizer Bibliothek.

Sachbuch „Die Zelle“ beleuchtet das Zwickauer NSU-Trio
GREIZ. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Medien nicht über den Münchner Prozess um Beate Zschäpe, einzig überlebendes Mitglied der Zwickauer Terrorzelle berichten, die sich Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) nannte. Für den Durchschnittsbürger ist es mehr als schwierig, die Thematik zu begreifen und aufgrund einzelner Meldungen die Zusammenhänge herzustellen. Der Journalist Christian Fuchs hat sich gemeinsam mit John Goetz als einer der ersten dieser Thematik gestellt und das Buch „Die Zelle“ veröffentlicht. Alle bekannten Fakten haben sie aufgeschrieben, sich durch Tausende Seiten von Akten gewühlt und über hundert Interviews geführt.
Am Mittwochabend stellte der aus Weimar stammende Christian Fuchs den Band in der Greizer Bibliothek vor. Interessant schilderte Fuchs die Jenaer Jugendjahre des Trios Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die beginnende Radikalisierung des Trios, dessen“ Abtauchen“ im Januar 1998 und die später folgenden Morde und Überfälle, die in unverständlichem Kontrast zu den Urlauben der Neonazis auf Usedom und Fehmarn stehen. Sogar für „verkappte Grüne“ hielt sie eine ahnungslose Nachbarin wegen der zahlreichen Campingaufenthalte und der Vorliebe für Fahrräder.
Doch nicht nur Rekonstruktionen der vierzehnjährigen Terrorzeit werden von Christian Fuchs gefertigt; vielmehr beschäftigt er sich mit der Frage: Wie kam es, dass drei ostdeutsche Mittelschicht-Kinder zu Mördern werden? Sicher sind die gesellschaftlichen Umbrüche Anfang der 1990er Jahre und das allgemeine Erstarken der Neonazi-Szene in Ost-und Westdeutschland dazu in den Kontext zu setzen, wie Fuchs vermutet. Aus dem „Thüringer Heimatschutz“, in dem eine Vielzahl Jugendlicher mit brauner Gesinnung organisiert war, sei die NSU-Zelle entstanden. Warum aber blieben die Morde und Überfälle so lange unentdeckt? „Landesverfassungsschutz und Thüringer Polizei behinderten sich in ihrer Arbeit, so dass man dem mordenden Trio in all den Jahren nicht auf die Schliche kam“; zudem stellte es sich geschickt an und wechselte stetig die Bundesländer – wohlwissend, dass an der Landesgrenze die Ermittlungen aufhörten. Zudem spielten sie ihre „Rollen“ gut, waren als überaus freundlich, hilfsbereit und zuvorkommend bekannt“, so Christian Fuchs. Immer wieder stelle sich die Frage, nach welchem Prinzip die sogenannten „Döner-Morde“ durchgeführt wurden – nach Meinung des Journalisten wollte das NSU-Trio „nicht-arische Männer im zeugungsfähigen Alter umbringen“. Dass letztendlich die „Idee der Zelle“ nicht aufging, ist bekannt. Doch bleiben viele Fragen offen, die im Grunde nur Beate Zschäpe beantworten könnte – Mundlos und Böhnhardt sind tot. Doch Zschäpe schweigt und ein Ende des Prozesses ist bei weitem noch nicht abzusehen.

Service: Christian Fuchs, John Goetz: „Die Zelle. Rechter Terror in Deutschland“. Rowohlt Verlag, Reinbek 2012, 272 Seiten, 14,95 Euro

Antje-Gesine Marsch @20.06.2014