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Greizer Heimatbote Dezember 2009

Beiträge aus dem Landkreis Greiz und Umgebung

Greizer Heimatbote Dezember 2009
Titelseite: Adventsstimmung auf dem Greizer Markt
Foto: Silke Groß
Inhalt Dezember 2009
NACHGEDACHT
– 800 JAHRE GREIZ
– Aus der Geschichte der Stadt Greiz — ein Überblick II. Teil (Sven Klein)
– Greiz einst und jetzt
AUS STADT UND LANDKREIS
– 3. Oktober 2009 (Irmengart Müller-Uri)
– Greizer Treffen 2009 (Irmengart Müller-Uri)
– Wir stellen vor: Stefanie Nooke, Bibliothekarin im Sommerpalais (Irmengart Müller-Uri)
WEIHNACHTLICHES
– Vogtländische Weihnachtslieder im 19. Jahrhundert (Andreas Raithel)
– Weihnachtszeit — Kinderzeit, Erinnerungen an Julius Mosen (Günter Hummel)
– Weihnachtsgedichte
VERANSTALTUNGEN
– Veranstaltungsplan Dezember 2009
– Aus dem kulturellen Leben (Irmengart Müller-Uri)
– 62. Stavenhagen-Wettbewerb (Irmengart Müller-Uri)
– Zeugnisse alten Handwerks — Hermann Müller berichtet über Mühlen an der Wisenta (Dr. Frank Reinhold)
REZENSIONEN
– 575 Jahre Untergeißendorf — eine neue Festschrift (Sven Klein)
– 2 Hufen für das Kloster Mildenfurth — Festschrift zur 800-Jahrfeier von Zwirtzschen (Dr. Frank Reinhold)
– Die Geschichte der Kirche und des Rittergutes Pölzig (Sebastian Schopplich).
NATUR UND UMWELT
– Aktion „Lebensraum Kirchturm“ nun auch in Großenstein, Mückern und dem Kloster Mildenfurth (Sebastian Schopplich)
WETTER
– Das Wetter im Oktober 2009 (Heinrich Popp)


Herausgeber: Förderverein Heimatbote e.V.
Verantwortlicher Redakteur: Dr. Karli Coburger, 07973 Greiz E-Mail: Heimatbote-Greiz@web.de
Redaktionskommission: Pia Büttner, Dr. Karli Coburger, Sven Michael Klein, Irmengart Müller-Uri, Dr. Frank Reinhold, Wolfgang Theilig (korrespond.)
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ISSN 0940-1814 Gefördert vom Europäischen Sozialfonds

NACHGEDACHT

NACHGEDACHT
Foto: A.Coburger

Was von Anfang an war, was wir gehört haben,
was wir mit unseren Augen gesehen,
was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben,
das verkünden wir: das Wort des Lebens.
(1. Joh 1,1)

Aus der Geschichte der Stadt Greiz – ein Überblick

11. Teil – Bemerkenswertes über die eingemeindeten Ortsteile Irchwitz, Reinsdorf, Waltersdorf und Schönfeld

Blick vom Leitenberg über die Bäumde auf das verschneite Pohlitz im Winter 1992.
Foto: Sven Klein
Pohlitz (Kirchturmknopf 424,1 m ü. NN) wurde erstmals 1394 urkundlich erwähnt. Der Kern der ursprünglich sorbischen Siedlung befand sich rund um den heutigen Lutherplatz. Um einen bis 1908 vorhandenen Dorfteich waren die ältesten Bauerngüter hufeisenförmig angeordnet. Die Namensgebung leitet sich von der slawischen Ortsbenennung „Pol „nica“ ab, was soviel wie Feld oder Acker, hier allerdings im engeren Sinne als „Ort auf der Hochebene“ gedeutet. 1449 kommt der Ort „Polentz“ zur reußischen Herrschaft Vorderschloss, später zu Untergreiz. 1549 lebten in Pohlitz etwa 15 Familien, außerdem gab es seit dem Mittelalter ein herrschaftliches Gut, dessen Hauptgebäude an der Vorwerkstraße heute noch vorhanden ist. Im 18. Jahrhundert wurde es, wie in Irchwitz, aufgelöst und verkauft. In diesem Zeitraum vollzog sich mit dem Aufblühen der Zeugmacherei ein allmähliches Wachstum des Dorfes durch Zuzug von Webern, Kattundruckern, Handwerkern, Händlern und Waldarbeitern. Diese erbauten kleine Häuser, von denen einige heute noch u. a. in der Oberen Braunstraße und der Zaschbergstraße vorhanden sind. Ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Ort, angeregt durch die Industrialisierung wie bei den anderen Greizer Vororten, sprunghaft. Wieder begann eine rege private Bautätigkeit. Während im oberen Dorf Baulücken geschlossen wurden, entstanden entlang der heutigen Pohlitzer Straße und der Lindenstraße größere Wohn- und Mietshäuser, die dem Ort z. T. schon städtisches Gepräge gaben. Zu den größeren Unternehmen des Ortes, die auf Pohlitzer Flur liegen, zählen die 1872/74 errichtete „Vereinsbrauerei“ und die 1875 im Zscherlich begründete „Feldschlößchenbrauerei“. Mehrere mechanische Webereien und eine größere Dampfmöbeltischlerei gehörten ebenfalls bald zum dörflichen Erscheinungsbild. Lebten 1811 nur 488 Einwohner im Dorf, so waren es 1901 bereits über 3.000. Mit seiner 1910 etwa 290 ha umfassenden Gemeindeflur gehörte Pohlitz zwar nur zu den Gemeinden mittlerer Größe des damaligen Fürstentums, stand aber mit 3.329 Einwohnern nach Irchwitz und Fraureuth bevölkerungsmäßig an dritter Stelle der Dörfer in Reuß älterer Linie.
1834/36 erhielt Pohlitz sein erstes eigenes Schulgebäude, das schon 1863 erweitert werden musste. Ein weiteres Schulgebäude, die „Glockenschule“, wurde 1884 eingeweiht, welche 1967/68 einen großzügigen Anbau erhielt und als Polytechnische Oberschule den Namen des Sportlers Werner Seelenbinder trug. Dieses Schulgebäude diente ebenso wie das 1898 errichtete dritte Pohlitzer Schulgebäude nach 1993 bis zum Umzug in die Greizer Marienstraße als Förderschule „Friedrich Fröbel“, während die Grund- und Regelschüler die 1978 erbaute und 2002/03 grundlegend modernisierte Schule an der Pohlitzer Straße besuchen. Seit den 1960er Jahren errichtete man zwei große komplexe Neubaugebiete in Pohlitz mit den heute bekannten städtebaulichen Problemen, die Leerzug und teilweisen Rückbau zur Folge haben. Ein weiteres Wohnbaugebiet entstand unter der Bezeichnung „Pohlitz-Nord“ ab 1994. Gemeinsam mit Irchwitz erfolgte am 1. April 1921 nach langen Verhandlungen die Eingemeindung nach Greiz. Mit gewissem Stolz auf ihre Geschichte feierten die Pohlitzer 1994 ihre 600-Jahr-Feier und gaben mit den „Pohlitzer Impressionen“ eine Festschrift heraus, die die lange Geschichte von „Kolin“, so der Pohlitzer Neckname, in geeigneter Weise widerspiegelt.
Raasdorf geht auf den slawischen Kurznamen „Ras“ („froh“) zurück, wobei die Endung -dorf bereits den deutschen Einfluss erkennen lässt und daher als slawisch-deutscher Mischname anzusehen ist. Am 23. Mai 1449 wurde die Siedlung erstmals als „Rastorff“ erwähnt, als er im Teilungsvertrag der reußischen Herrschaft Vorderschloss zugeordnet wurde. Acht begüterte Familien bewohnten im 16. Jahrhundert den Ort. Lange Zeit änderte sich daran kaum etwas. Erst das 19. Jahrhundert brachte auch hier die meisten Veränderungen. Bis 1843 waren schon 22 Wohnhäuser entstanden. Mit der Industrialisierung kam es nochmals zur Bevölkerungsvergrößerung, insbesondere durch den Zuzug von Arbeiterfamilien. Die Raasdorfer Flur umfasste lediglich etwa 197 ha. 1910 war die ortsansässige Bevölkerung auf 496 Einwohner angestiegen. Von 1871 bis zur Eingemeindung nach Greiz 1922 bildete Raasdorf einen eigenen Schulbezirk, 1965 wurde die bis 1873 an der Mohlsdorfer Straße errichtete Schule jedoch wieder geschlossen. Dominierende Hauptgebäude des Ortes sind der unter Denkmalschutz stehende, gegenwärtig allerdings unbewirtschaftete Gasthof und die 1925/26 errichtete ehemalige Turnhalle. Der Vorgängerbau des Gasthofes brannte übrigens 1899 bis auf die Grundmauern ab, als sich vermutlich das in einem Nebenraum des Saales gelagerte Heu entzündete. Kurz darauf stand das ganze Gebäude in Flammen und trotz des schnellen Einsatzes der Feuerwehr war vom alten Fachwerkbau des Gasthofes nichts mehr zu retten.

Raasdorfer Impressionen aus dem Jahre 1932. In der Bildmitte des oberen Teils ist der ehemalige Raasdorfer Gasthof als ortsbildprägendes Gebäude zu erkennen. Im unteren Teil rechts das Kriegerdenkmal auf dem Friedhof.
Historische Ansichtskarte aus der Sammlung Sven Klein

Zur 555-Jahr-Feier im Jahre 2004 würde vom Ortschaftsrat eine reich illustrierte Festschrift herausgegeben, die weitere bemerkenswerte Einblicke in die Geschichte und Traditionen dieses Greizer Ortsteils gewährt.
Kirchlich wurden übrigens Pohlitz und Raasdorf 1892 aus dem Verband mit Greiz herausgelöst und waren gemeinsam bis 1944 eine eigenständige Kirchgemeinde. In Pohlitz errichtete man 1893/94 einen großzügigen Kirchenbau für beide Gemeinden im neuromanisch-byzantinischen Stil. Dieses Kirchengebäude bewahrte auf Grund nur weniger baulicher Veränderungen bis heute den architektonischen Zeitgeist des ausgehenden 19. Jahrhunderts. 1892 erhielten beide Dörfer je einen eigenen Friedhof. Obwohl Waldhaus natürlich kein Greizer Ortsteil ist, soll die Waldsiedlung nicht unerwähnt bleiben, da sie bis heute eigentlich untrennbar mit Greiz verbunden ist.
Auf einer Rodungsinsel der Hochfläche des Greiz-Werdauer Waldes entstanden spätestens seit dem 16. Jahrhundert mit der Kalkhütte und dem herrschaftlichen Kammergut (ehemaliges Forstamt) die ersten Siedlungssubstanzen. Älteste urkundliche Überlieferungen besagen, dass um 1580 der hohe Rat der Stadt Greiz die Kalkgrube von der Untergreizer Landesherrschaft gepachtet und dafür ein jährliches Belehnungsgeld zu entrichten hatte. Bereits 1587 war diese Grube aber wieder in herrschaftlicher Nutzung. Seit dem 19. Jahrhundert entwickelte sich der heute zu Mohlsdorf gehörige Ortsteil mit dem damaligen Gasthof Schweitzer zu einem beliebten Ausflugsziel. Zwischen 1871 und 1873 ließ Fürst Heinrich XXII. Reuss Aelterer Linie (1846-1902) in unmittelbarer Nähe des ihm seit seiner Kindheit bekannten Kammergutes sein neues Jagdschloss „Ida- Waldhaus“ als zweiflüglige Anlage mit ländlichem Charakter im historistischen Stil errichten. Von dieser 1898 durch den Anbau eines Turmes nochmals erweiterten Anlage bestehen leider seit den Umbauten zu einem touristischen Mehrzweckgebäude Ende der 1960er Jahre nur noch spärliche Reste.

Im ehemaligen reußischen Kammergut und späteren Forstamt in Waldhaus befand sich einige Monate lang die erste Unterkunft des Greizer Rettungshauses, das unter dem Namen
„Carolinenfeld“ bis heute bekannt ist.

Im ehemaligen reußischen Kammergut und späteren Forstamt in Waldhaus befand sich einige Monate lang die erste Unterkunft des Greizer Rettungshauses, das unter dem Namen
„Carolinenfeld“ bis heute bekannt ist.
Historische Ansichtskarte aus der Sammlung Sven Klein
Diese lassen die frühere Funktion als Jagdschloss kaum noch erahnen. Ab 1878 ließ der Fürst außerdem westlich des Jagdschlosses für sich und seine Familie ein Mausoleum in Form einer neugotischen Kapelle erbauen. Nach fünfjähriger Bauzeit fand am 5. Oktober 1883 dessen Einweihung statt. Die Umgebung wurde damals, ähnlich dem Greizer Park, mit verschiedenen Gehölzen angelegt. Somit kann die Anlage, wenn man den Waldweg vom Parkausgang zum Mausoleum entlang geht, gewissermaßen als Fortsetzung des Parks betrachtet werden. Seit den Restaurierungsarbeiten der letzten beiden Jahrzehnte, die u. a. auf einer Anregung des Vereins für Greizer Geschichte e. V. beruhten und von der Stadt Greiz ausgeführt wurden, ist das Mausoleum ein beliebtes Ausflugsziel geworden. Seit einigen Jahren ist Höhepunkt und jährlicher Abschluss der Besichtigungsmöglichkeit eine Hubertusmesse, die vom Freundeskreis des Greizer Sommerpalais e. V unter Mitwirkung des Greizer Geschichtsvereins gestaltet wird. Das umgebende Wildgehege richtete die Stadt Greiz 1969/70 ein und betreut es bis heute. Ein Projekt „Waldbad Schlötenteich“ in Nähe der ehemaligen, inzwischen abgerissenen Schlötenmühle wurde dagegen damals nicht mehr realisiert. Während die Privatisierung der ehemaligen Selbstbedienungsgaststätte nach 1989 letztendlich nicht von Erfolg gekrönt war, sind Wildgehege, Naturschutzkabinett und Mausoleum nach wie vor besondere Anziehungspunkte für Erholung Suchende im Greiz-Werdauer Wald vor allem an den Wochenenden geblieben.
Die Festlichkeiten des Jubiläumsjahres 800 Jahre Greiz werden am Ende diesen Monats Geschichte sein. Hinter uns Greizern liegen ereignisreiche, interessante und unterhaltsame Tage. Höhepunkt des Festjahres war zweifellos der Thüringentag, der gemeinsam mit vielen Gästen aus Nah und Fern, darunter über mehrere Tage hinweg mit dem damaligen thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus, zum besonderen Erlebnis wurde. Die nunmehr abgeschlossene Artikelfolge im „Heimatboten“ sollte einen knappen Überblick, insbesondere Bemerkenswertes zur Greizer Geschichte vermitteln. Nicht über alles konnte berichtet werden, es sollte bei Streiflichtern bleiben.
Wer die Quellenangaben vermissen sollte, der möge sich an den Autor wenden, der gern für weitere Auskünfte zur Verfügung steht.
Sven Klein
Verein für Greizer Geschichte e. V

GREIZ EINST UND JETZT

Topfmarkt Greiz

Blick über den heutigen Puschkinplatz zum Oberen Schloss.
Foto und Repro: Fotoclub Greiz e.V.

3. Oktober 2009 – Greiz im Blickpunkt

Prof. Dr. Kurt Biedenkopf, Ministerpräsident a.D. des Freistaates Sachsen, spricht zum Festakt in der Greizer Stadtkirche
Foto: Müller-Uri
Es war nicht nur die große Feierstunde in der Greizer Stadtkirche vor der restaurierten Altarwand, Greiz gedachte am 3. Oktober in seinem Jubiläumsjahr 2009 auch mit einer Ausstellung zum Thema „Rückblende und Aufbruch“ der mutigen Bürger, die vor 20 Jahren zu den Friedensgebeten in die Kirche und zu Demos auf die Straße gingen.
In den Räumen der Museen der Schloss- und Residenzstadt Greiz im Unteren Schloss wurde am Vormittag des 03. Oktober zu den Geschehen im Herbst 1989 eine dreiteilige Exposition eröffnet. Der erste Teil kommt von der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ und trägt den Titel „Damals in der DDR“, der zweite dokumentiert die Arbeitsweise der Stasi und der dritte widmet sich den Demonstrationen und den Ereignissen zur politischen Wende in der Stadt Greiz.
Es ist eine Ausstellung, die gegen das Vergessen ankämpft. Aber auch „gegen das Verklären, gegen das Verharmlosen, was der Staat DDR war“, betonte Karsten Schaarschmidt in seiner Eröffnungsrede. Er selbst gehörte zu den ersten Unterzeichnern des „Aufbruch ’89“ und den ersten Sprechern des Neuen Forums in Greiz und war damit in die Vorhaben zur politischen Wende integriert. Ende November 1989 hatte das Neue Forum in Greiz schon 1.200 Mitglieder, am 28. Oktober waren zur ersten öffentlichen Demo etwa 10.000 Menschen auf die Straße gekommen. Rudolf Kuhl hatte den Mut besessen, diese Demo bei der Volkspolizei anzumelden. Da das „Neue Forum“ an diesem Tag aber noch nicht anerkannt war, wurde Kuhl nur eine „private Demonstration“ genehmigt. Wohl die einzige in dieser Zeit. Fotos von diesen Protestzügen fertigte Christian Freund heimlich an, sie sind im Großformat an den Wänden der Ausstellungsräume im Unteren Schloss zu sehen. Was die Ausstellung nicht einfangen kann, sind die Gefühle der Demonstranten und auch ihre Angst, inhaftiert oder beschossen zu werden.
Deshalb ist es wichtig, dass die Praxis der Stasi-Mitarbeiter in der Exposition vorgestellt wird, man bekommt das Grauen, wenn man sieht, mit welchen Mitteln gearbeitet wurde.

Die Bischöfin der Vereinigten Evangelischen Kirchen Mitteldeutschlands, Ilse Junkermann, während des Festaktes
Foto: Müller-Uri
Die musikalische Umrahmung der Vernissage hatte das Calliope-Duo mit Zaruhi und Artashes Stamboltsyan übernommen. Beide gestalteten die Eröffnungsfeier mit großem Engagement sinngemäß mit Werken von Zeitzeugen oder auch Verfolgten aus, vom Zwickauer Komponisten Jürgen Golle, von dem Armenier Komitas und von dem aus der UdSSR in die USA emigrierten Komponisten Ephraim Zimbalist.
Am Nachmittag war es dann soweit: In der Greizer Stadtkirche begann der Festakt des Freistaates Thüringen zum „Tag der Wiedervereinigung“. Der Greizer Bürgermeister Gerd Grüner konnte etwa 400 geladene Gäste aus Greiz und aus dem Freistaat Thüringen begrüßen, unter ihnen die Präsidentin des Thüringer Landtags, Birgit Diezel, den Stellvertreter des Ministerpräsidenten Dr. Volker Sklenar, den Ministerpräsidenten a. D. des Freistaates Sachsen, Prof. Dr. Kurt Biedenkopf, die Bischöfin der Vereinigten Evangelischen Kirchen Mitteldeutschlands, Ilse Junkermann, Bischof Dr. Wolfgang Warnke und einen Vertreter der Jüdischen Landesgemeinde.
Grüner gab einen kurzen Rückblick auf die Ereignisse von 20 Jahren, eine Zeit, in der zutage trat, dass es „in Greiz starke demokratische Wurzeln gibt.“
Die Vogtland Philharmonie Greiz/ Reichenbach (VPH) unter der Leitung von GMD Stefan Fraas eröffnete die Veranstaltung festlich und majestätisch mit der Ouvertüre zur „Feuerwerksmusik“ von Georg Friedrich Händel, einem der Jubilare dieses Jahres.
Ilse Junkermann, die neue Evangelische Bischöfin, nahm Bezug auf das Alte Testament, auf die Geschichte der Befreiung der Israeliten aus der Knechtschaft der Ägypter, auf ein Gottvertrauen, das vor 20 Jahren auch die große friedliche Revolution in Deutschland mit getragen hat. Sie stellte klar: „Erinnerung ist keine Nostalgie. Freiheit und Bürgerrechte sind unsere Aufgaben“ und appellierte an alle Erwachsenen: „Erzählt euren Kindern und Enkeln, wie es wirklich war.“

Aufführung des Schlusssatzes der 9. Sinfonie von L. van Beethoven mit der VPH unter Leitung von Stefan Fraas
Foto: Müller-Uri
Dr. Volker Sklenar begann mit einer Reminiszenz an den 3. Oktober 1989 in Greiz, an die damaligen Greizer Pfarrer Klaus Böhme, Hartmut Flach und Matthias Pöhland und an Rudolf Kuhl. Sklenar zog eine Bilanz über das, was in den vergangenen 20 Jahren in Thüringen geschaffen wurde. Er rief aber auch dazu auf, nach vorn zu blicken, „nicht nur die Ernte einzufahren, sondern auch zu säen“. Anschließend interpretierte Fraas mit der VPH mit großer Intensität das wunderschöne Adagio von Samuel Barber. Prof. Dr. Kurt Biedenkopf hielt die Festrede. „Was war geteilt: Das Volk, die Nation oder der Staat?“ Diese rhetorische Frage nahm er als Thema für ein eindrucksvolles Referat, das er historisch vielseitig und grundlegend abhandelte. Sein Resümee: Der Staat war geteilt. Aber: Dem deutschen Volk und der deutschen Nation blieb während der Teilung die gemeinsame Kultur der Vergangenheit und die deutsche Sprache. Dieses gemeinsame Erbe sollte bei allen Problemen der Wiedervereinigung nicht in Vergessenheit geraten.
Mit einer Interpretation des Schlusssatzes der 9. Sinfonie in d-Moll von Ludwig van Beethoven in der Interpretation durch die Vogtland Philharmonie Greiz/Reichenbach (VPH) unter Leitung von GMD Stefan Fraas endete der Festakt.
Eine Stunde später hatten alle Greizer die Möglichkeit, die gesamte Sinfonie zu hören. Wie schon am Nachmittag, kamen auch am Abend zu den Musikern der VPH Sänger der Singakademie Plauen e. V. und der Singakademie Chemnitz e. V. sowie die Solisten Ursula Ruperti, Sopran; Sonja Koppelhuber, Alt; Erwin Feith, Tenor, und Sebastian Richter, Bass, hinzu Fraas gestaltete das Werk vom vagen, düsteren Beginn bis zum fulminanten, jubelnden Ende mit Vehemenz, aber auch mit Tiefe der Empfindung, und erhielt von den Zuhörern in der voll besetzten Kirche stürmischen Beifall.
Irmengart Müller-Uri

Greizer Treffen 2009

Der Bürgermeister Gerd Grüner und das „Fürstenpaar“ begrüßen die Gäste
Foto: Müller-Uri
Vom 02.-04. Oktober hatte die Stadt im Rahmen des Greizer Stadtfestes wieder zu einem Greizer Treffen eingeladen. Ein großes Angebot an Waren und kulinarischen Genüssen war in den Straßen der Greizer Neustadt zu finden und im Schlossgarten gab es einen Gebrauchtwagenmarkt. Alles fand zahlreiche Besucher.
Am 2. Oktober begann das Greizer Treffen mit einer offiziellen Festveranstaltung in den Fürstensälen des Oberen Schlosses. Der Greizer Bürgermeister Gerd Grüner begrüßte mit dem „Fürstenpaar“ die Gäste und es gab musikalische Begrüßungen vom Frauenchor Schönfeld unter Leitung von Sabine Dietzsch und von dem Violinduo Raoul Stirkat und Carolin Kostial von der Musikschule „Bernhard Stavenhagen“ Greiz. Filmvorführungen zu den Restaurierungsarbeiten am Oberen Schloss, zur Stadt Greiz und zum „Thüringentag“ in Greiz stellten die Stadt und das Leben in ihr im Jahr 2009 vor. Auch für kulinarische Genüsse war gesorgt.

Der Frauenchor Schönfeld unter Leitung von Sabine Dietzsch singt zum Greizer Treffen
Foto: Müller-Uri
Große und kleine Besichtigungstouren durch das Obere Schloss vermittelten den Besuchern Einblicke in die umfangreiche Sanierung und die dabei entdeckten historischen Funde. Stadtkantor Oliver Scheffels bot seine neue CD mit der Vorstellung von Greizer Orgeln an und signierte sie nach Wunsch.
Einen Tag später, am 03. Oktober, dem „Tag der Einheit“, zeigte sich Greiz bei schönstem Spätsommerwetter. Führungen durch Stadt und die Neustadt, Besuch der Ausstellung „Rückblende und Aufbruch“ im Unteren Schloss, der Karikaturen der VI. Triennale im Sommerpalais, einer szenischen Lesung im Weißen Saal des Unteren Schlosses und des „Konzertes zum Tag der Deutschen Einheit“ am Abend konnten die Greizer und ihre Besucher an diesem Tag wahrnehmen. Es war eine ringsum gelungene Präsentation der 800-jährigen Stadt Greiz.
Irmengart Müller-Uri

Wir stellen vor: Stefanie Nooke, Bibliothekarin im Sommerpalais

Stefanie Nooke — die neue Bibliothekarin im Sommerpalais
Foto: Pia Büttner
Eine so grundlegende Restaurierung, wie sie jetzt im Greizer Sommerpalais erfolgt, eröffnet Perspektiven, die jahrzehntelang zu den Wünschen der Leiter und Mitarbeiter im Sommerpalais Greiz gehörten. Einer dieser Träume war es, nicht nur die schönen Buchrücken der wertvollen Bibliothek zur Besichtigung freigeben zu können, sondern auch den Umgang mit diesen Beständen und ihre Nutzung zu ermöglichen. Voraussetzung dazu war die Heizbarkeit der dafür nötigen Räume und die Katalogisierung der Bestände mit den Mitteln neuester Technik. Diese ist nun im Rahmen der Gesamtrestaurierung im Gange und wird von Stefanie Nooke, der neuen Bibliothekarin, übernommen. Der Heimatbote führte mit ihr ein Gespräch.

Heimatbote (HB): Frau Nooke, Sie kamen im Frühjahr zur Vorstellung nach Greiz. Welchen Eindruck hatten Sie von unserer 800-jährigen Stadt?
Nooke: Einen ausgesprochen positiven. Bei herrlichem Wetter kam ich in die Stadt und war von dem Blick auf das Ensemble Unteres und Oberes Schloss und die ringsum großzügige Anlage beeindruckt.

HB: Die Greizer Bürger interessiert es natürlich, woher Sie zu uns kommen und welchen beruflichen Weg Sie bisher absolviert haben. Können Sie uns dazu einige Angaben machen?
Nooke: Meine Heimatstadt Forst an der Neiße liegt im Bundesland Brandenburg, unmittelbar an der Grenze zu Polen. Dort wurde ich 1975 geboren und schloss meine Schulbildung mit dem Abitur ab. Anschließend studierte ich an der Universität Leipzig in der Fachrichtung Geisteswissenschaften Französistik, Italianistik und Kunstgeschichte. Nach Abschluss dieses Studiums nahm ich an der Humboldt-Universität Berlin ein Aufbaustudium in der Fakultät Bibliothekswissenschaft auf, das ich in Form eines Fernstudiums absolvierte. Ab Januar 2006 war ich als Bibliothekarin am Goetheinstitut in Rom tätig. Nach drei Arbeitsjahren in Rom hatte ich Lust auf Veränderung und wurde durch Zufall auf Greiz aufmerksam.
Hier stellte ich bei meinem Vorstellungsgespräch fest, dass das Arbeitsfeld im Sommerpalais alle Bereiche vereint, für die ich ausgebildet bin und für die ich brenne.

HB: Und womit haben Sie begonnen?
Nooke: Zunächst verschaffte ich mir einen Überblick über die Bestände und die Geschichte der Sammlung. Die Bücher stammen ja aus mehreren Jahrhunderten und weisen unterschiedliche Provenienzen auf. Zudem sind die Bücher durch die Sanierung des Hauses noch verteilt und müssen neu aufgestellt und katalogisiert werden.

Das Team der Bibliothek im Sommerpalais: v.l. Denis Frischmuth, Stefanie Nooke und Bianca Kötter
Foto: Pia Büttner
HB: Welches sind die wesentlichsten Bestände, die dann ab Dezember 2009 in der Präsenzbibliothek zugängig sind?
Nooke: Die Bibliothek beherbergt im Wesentlichen drei Büchersammlungen. Zum Ersten ist es die fürstliche Hofbibliothek, die Heinrich XI. etwa ab 1747 anlegte. Sie wurde planmäßig weitergeführt und nach 1848 durch Buchbestände der englischen Prinzessin Elizabeth, der Landgräfin von Hessen / Homburg, ergänzt. Diese Bibliothek des Hauses Reuß älterer Linie enthält einen großen Prozentsatz französischer Literatur.
Der zweite Bibliothekskern stammt aus dem Gymnasium Rutheneum Gera. Er kam 1921/22 hinzu und enthält unter anderem bedeutende theologische und philosophische Schriften.
Die dritte Abteilung ist die kunstwissenschaftliche Handbibliothek mit wissenschaftlichen Werken zu Grafik, Kunstgeschichte und Karikatur.

HB: In welcher Form wird die Bibliothek ab Dezember der Öffentlichkeit zugängig gemacht?
Nooke: Die Benutzer können dann die Bücher unserer Bibliothek in einem Lesesaal konsultieren.

HB: Welche Aufgaben übernehmen Sie dabei?
Nooke: Die Benutzer können sich von mir beraten und die Bücher zur Konsultation ausgeben lassen. Meine Aufgabe wird es außerdem sein, die Bestände weiter zu pflegen und gegebenenfalls fehlende Bestände zu ergänzen. Die Katalogisierung wird auch bis zur Eröffnung der Bibliothek noch nicht abgeschlossen sein und muss weitergeführt werden, denn schließlich ist uns Transparenz durch die weltweite Recherchierbarkeit unserer Bestände ein Anliegen.

HB: Ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen alles Gute.
Das Gespräch führte: Irmengart Müller-Uri

Vogtländische Weihnachtslieder im 19. Jahrhundert

Erasmus Francisci — eigentlich Finx — (16271694), einer der ersten freien Schriftsteller in Deutschland, schrieb das Weihnachtslied „Der uns das Heil errungen“ (Reichenbacher Gesangbuch, 1834, Nr. 105)
Archiv Andreas Raithel
Das wohl bekannteste deutsche Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“ (Worte: Joseph Mohr; Weise: Franz Gruber) entstand 1818 in Oberndorf bei Salzburg. Es war anfangs wenig bekannt. Erst als es in den Jahren 1831 und 1832 durch die Geschwister Strasser aus Leimach im Zillertal in der Messestadt Leipzig gesungen wurde, zunächst in der katholischen Hofkapelle der Pleißenburg, ein Jahr später im Saal des „Hotel de Pologne“, wurde es in weiten Kreisen bekannt. (1) Auch viele andere heute beliebte Weihnachtslieder entstanden erst im 19. Jahrhundert, wie z.B.: „Alle Jahre wieder“ (Worte: Wilhelm Hey, 1837; Weise: Friedrich Silcher, 1842), „Leise rieselt der Schnee“ (Worte und Weise: Eduard Ebel — 1839- 1905), „0 Tannenbaum“ (Worte:. A. Zarnack und E. Anschütz, 1824, auf eine Weise aus dem 18. Jahrhundert), „Süßer die Glocken nie klingen“ (Worte F. W Kritzinger — 1816-1890 — auf eine Weise von 1826). (2)
Inwieweit es in früheren Jahrhunderten im Vogtland volkstümliche Weihnachtslieder in Mundart gegeben hat, lässt sich schwer sagen. Die meisten Mundart-Weihnachtslieder entstanden sowieso erst im Industriezeitalter, als Heimatdichter begannen, die Bräuche ihrer Region zu beschreiben. Immerhin gibt es eine vogtländische Fassung des seit etwa 1800 im Erzgebirge nachweisbaren bekannten „Heilig-Ohmd-Liedes“. Johann August Ernst Köhler (1829-1903), Realschullehrer in Reichenbach, fand diese Liedfassung in Waltersdorf bei Greiz und veröffentlichte die 11 Strophen 1867. (3)

Weihnachten ist ein Fest mit einer christlichen Wurzel, das Fest der Geburt Christi. Alljährlich wird in den Kirchen die Weihnachtsgeschichte erzählt, als Text, als Lied und als Spiel. Die Verkündigung der Botschaft von der Geburt des Heilands hatte früher die zentrale Bedeutung für das Weihnachtsfest. Ein privates Weihnachtsbrauchtum war dem völlig untergeordnet oder existierte lange Zeit überhaupt nicht. Die Lieder wurden also in den Kirchen gesungen und zu Hause dürfte lediglich das eine oder andere Lied wiederholt worden sein.

Wenn wir also wissen wollen, welche Weihnachtslieder in früherer Zeit gesungen wurden, dann hilft ein Blick auf die alten Kirchengesangbücher. Im protestantischen Kulturkreis, vor allem auch in Mitteldeutschland, gab es vor allem im 18. und 19. Jahrhundert in einer Vielzahl von Städten Kirchengesangbücher, die von den jeweiligen Superintendenten und Pastoren herausgegeben wurden. Diese Geistlichen wählten die ihnen genehmen Lieder aus.

Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) war ein bekannter Kirchenlieddichter. Er schrieb die Weihnachtslieder Nr. 25 „Dies ist der Tag, den Gott gemacht“ und Nr. 37 „Auf, schicke dich, recht feierlich des Heilands Fest“ im Greizer Gesangbuch 1836
Archiv Andreas Raithel
Ein Vergleich zwischen den örtlichen Gesangbüchern macht deutlich, dass es oft große Unterschiede zwischen den einzelnen Städten gab, weil nicht nur der Geschmack der jeweiligen Seelsorger unterschiedlich war, sondern z.B. auch örtlich oder regional bekannte Autoren mit ihren Liedern Aufnahme fanden. Hier stehen zum Vergleich drei etwa zur gleichen Zeit verlegte Kirchengesangbücher, die jeweils aus dem reußischen, dem sächsischen und dem böhmischen Vogtland stammen: das Greizer Gesangbuch von 1836, das Reichenbacher von 1834 und das Ascher von 1843. (4)
Die Kirchengesangbücher unterscheiden genau zwischen Advent-, Weihnachts-, Neujahrs- und Hochneujahrsliedern. Das Greizer Gesangbuch enthält z.B. 20 Adventslieder, 33 Weihnachtslieder, 13 Neujahrslieder und 6 Lieder auf das Fest der Erscheinung Christi; das Reichenbacher 21 Adventslieder, 18 Weihnachtslieder, 11 Neujahrslieder und 3 Lieder aufs hohe neue Jahr; das Ascher 13 Adventslieder, 18 Weihnachtslieder, 9 Neujahrslieder, 6 Jahresschlusslieder und 3 auf das Fest der Erscheinung Christi.
Als Textautoren der Weihnachtslieder erscheinen im Greizer Gesangbuch: Johann Friedrich Ruopp, Ehrenfried Liebich, Christian Fürchtegott Gellert, Caspar Friedrich Nachtenhöfer, Laurent Laurenti (Lorenz Lorenzen), Paul Gerhard, Martin Luther, Elisabeth Kreutziger, Urban Langhans, Nikolaus Hermann, Johann Jacob Rambach, Philipp von Zesen, Caspar Füger, Johann Eber- wein und Johann Andreas Cramer. Im Reichenbacher Gesangbuch sind es Johann Friedrich Danneil, Martin Luther, Nikolaus Hermann, Christian Fürchtegott Geliert, Caspar Füger, Gottfried Benedikt Funk, Christoph Christian Sturm, Balthasar Münter, Daniel Schiebeler, Christoph Friedrich Neander, Johann Jacob Rambffch, Erasmus Francisci, Wolfhart und J. C. Kraft. Die Autoren der Texte im Ascher Gesangbuch heißen Martin Luther, Christian Fürchtegott Gellert, Christoph Friedrich Neander, Balthasar Münter, Caspar Ziegler, Christoph Christian Sturm, Nikolaus Hermann, Johann Rist (nicht ausgewiesen), G. W. C. Starke und J. C. Kraft. Unter den Textdichtern sind sehr bekannte Autoren. Andere können biographisch erschlossen werden. Von einigen inzwischen total vergessenen Dichtern lassen sich selbst diese Angaben nur schwerlich erbringen. Bei aller Unterschiedlichkeit der drei Gesangbücher ist jedoch festzustellen, dass sie den Geist ihrer Zeit widerspiegeln. So enthalten zwar alle Gesangbücher Lieder aus den verschiedenen Epochen, der Reformation, der Gegenreformation und des Dreißigjährigen Krieges, der Aufklärung und des Pietismus, aber es finden sich eben die für jene Zeit in Mitteldeutschland gebräuchlichen Texte. Ein Vergleich mit älteren und jüngeren Gesangbüchern macht deutlich, dass den meisten Liedern kein fester Platz beschieden war und viele Texte immer wieder ausgetauscht wurden.

Paul Gerhard (1607-1676) schrieb u.a. das Weihnachtslied „Fröhlich soll mein Herze springen“
Archiv Andreas Raithel
Von den im Greizer Gesangbuch veröffentlichten 33 Weihnachtsliedern sind es fünf, die auf die eigene Melodie gesungen wurden: „Fröhlich soll mein Herze springen“ (Worte: Paul Gerhard 1653; Weise: Johann Crüger 1653), „Gelobet seist du Jesu Christ“ (vor- reformatorisch), „Herr Christ, der einig Gotts Sohn“ (Worte: Elisabeth Cruciger, 1524; Weise: Nürnberg um 1450), „Lasst uns alle fröhlich sein“ (Worte: Urban Langhans) und „Lobt Gott, ihr Christen all zugleich“ (Worte und Weise: Nikolaus Hermann, 1554/59). Im Reidlenbacher Gesangbuch trifft dies nur auf das Lied „Gelobet seist du Jesu Christ“ zu, im Ascher Gesangbuch sind es auch nur drei: „Gelobest seist du Jesu Christ“, „Ermuntre dich mein schwacher Geist“ (Worte: Johann Rist,1641; Weise: Johann Schop, 1641) „Lobt Gott ihr Christen, freuet euch“.
Alle übrigen Weihnachtslieder wurden nach Melodien anderer Lieder gesungen, im Greizer nach 18, im Reichenbacher nach 11 und im Ascher nach 13. In allen drei Gesangbüchern sind das vor allem die Melodien der Lieder „Gelobet seist du Jesu Christ“, „Wir Christenleut habn jetzund Freud“ (Weise: Johann Crüger, 1653), und vor allem nach „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. Der Text des letzteren Liedes — Worte und Weise stammen von Martin Luther — steht in keinem der drei Gesangbücher, er war jedoch so populär, dass er jedermann bekannt war. Auf die Melodie des Liedes dichtete z.B. David Trommer (um 1640-1714), ein gebürtiger Plauener, die Verse für das Einzugs- und Abzugsliedchen in der an seine vogtländische Heimat erinnernden „Kurtzen-Christ-Komödie“, die 1670 in der „Nickerischen Poesie“ erschien. (5)
Auf Luthers Lied dichtete Christian Fürchtegott Gellert den Text „Dies ist der Tag, den Gott gemacht“, der sich in allen drei Gesangbüchern findet.
Allgemein bekannt war auch die Melodie des Liedes „Nun freut euch lieben Christen gmein“, dessen Text von Martin Luther in keinem der drei Gesangbücher abgedruckt ist. Zwei Lieder im Greizer Gesangbuch, „Auf! Freuet euch von Herzen“ (Worte: Johann Friedrich Ruopp) und „Gott hätte dein geliebter Sohn“, und der Text des Liedes „Nun lasst uns alle fröhlich sein“ (Worte: G. W. C. Starke) im Ascher Gesangbuch sind auf diese Melodie geschrieben.

Luther schreibt das Lied „Vom Himmel hoch, da komm ich her“, Illustration von Alfred Hofmann-Stollberg für Kurt Arnold Findeisens „Goldenes Weihnachtsbuch“, 1928
Archiv Andreas Raithel
Eine weitere allgemein bekannte Melodie war „Wie schön leuchtet der Morgenstern“, dessen 1599 vom Hamburger Pastor Philipp Nicolai (1556-1608) verfasster Text ebenfalls nicht in den drei Kirchengesangbüchern vorhanden ist. Als Weihnachtslied mit dein Text des Sprachreformers Philipp von Zesen (1619-1689) „0 Fürstenkind aus Davids Stamm“ hat es allerdings Aufnahme in das Greizer Gesangbuch gefunden, während im Ascher Gesangbuch der Text „0 stimm auch du mit frohem Dank“ eines nicht ausgewiesenen Autors dieser Melodie zugeordnet wurde.
Auf das 1653 vom Gubener Bürgermeister Johann Franck (1618-1677) gedichtete und in allen drei Gesangbüchern vorhandene Lied „Jesu, meine Freude“ hat Balthasar Münter (17351793), Prediger zu Kopenhagen, den Text des Weihnachtsliedes „Jesus ist gekommen!“ geschrieben, der im Reichenbacher und im Ascher Gesangbuch enthalten ist.
Der 1883 gegründete „Evangelische Kirchengesangverein für Deutschland“ mühte sich um eine Erneuerung des Kirchengesangs. Mit der Herausgabe von Landeskirchengesangbüchern wurde das evangelische Kirchenlied- Repertoire vereinheitlicht. Das für Mecklenburg, Sachsen und Thüringen verbindliche Evangelische Kirchengesangbuch von 1981 enthält 14 Adventslieder, 21 Weihnachtslieder, 10 Lieder zum Jahreswechsel und 8 Lieder zu Epiphanias. (6) Lediglich ein einziger Text, der in allen drei älteren Gesangbüchern abgedruckt war, findet sich auch hier: „Gelobet seist du, Jesu Christ“. Im Einheitsgesangbuch von 1981 sind noch drei weitere Texte aus dem Greizer Gesangbuch von 1836, „Lobt Gott ihr Christen alle gleich“, „Fröhlich soll mein Herze springen“ und „Dies ist der Tag, den Gott gemacht“, sowie zwei aus dem Ascher Gesangbuch von 1843, „Ermuntre dich, mein schwacher Geist“ und „Dies ist der Tag, den Gott gemacht“, zu finden. Von den nicht abgedruckten, aber in allen drei Gesangbüchern genannten Liedern sind es „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ und „Wir Christenleut haben jetzund Freud“. Einige bekannte und oft auch ältere Weihnachtslieder, die im heutigen Einheitsliederbuch ganz selbstverständlich vertreten sind, fehlen in den besprochenen Ausgaben der alten evangelischen Kirchengesangbücher des Vogtlandes wie z.B. „Es ist ein Ross‘ entsprungen“, „Ich steh an deiner Krippen hier“ oder „Nun singet und seid froh“. Dass das letztere auch unter dem Titel „In dulci jubilo“ bekannte Lied im Vogtland zumindest im 18. Jahrhundert gesungen wurde, belegen jedoch das Reichenbacher Gesangbuch von 1777 und das Zwickauer von 1778. (7) Es ist ein Hinweis darauf, dass das Repertoire des Liedgutes ständigen Wandlungen unterworfen war.
Andreas Raithel

Anmerkungen:
1) Sachsen, Albert Herzog zu: Weihnacht in Sachsen, Bamberg 1992, S. 101 f.
2) Angaben nach: Lieder der Weihnacht. Hundert bekannte Weihnachtslieder zum Singen und Spielen, Leipzig 1981
3) Köhler, Johann August Ernst: Volksbrauch, Aberglaube und andre alte Ueberlieferungen im Voigtlande, Leipzig 1867, S. 396 f.
4) Gesangbuch für die Reuß-Plauischen Lande älterer Linie, 11. Auflage, Greiz 1836; Das Reichenbacher Gesangbuch, 5. Auflage, Zwickau 1834; Neues Gesangbuch für die evangelischen Gemeinden der Herrschaft Asch, 4. Auflage, Asch 1843
5) M. David Trommers, Von Plauen im Voigtlande/ Keyserl. gekr. Poetens/ und der H. Schrifft Ergeb. Nickerische Poesie, Dresden 1670, S. 28-34 (Ratsschulbibliothek Zwickau)
6) Evangelisches Kirchengesangbuch, Berlin 1981
7) Das Reichenbachische Gesangbuch, 2. Auflage, Reichenbach 1777; Neues vollständiges Zwickauisches Gesangbuch, Zwickau 0.J. (1778)

Heilig-Obmd-Lied
Vogtländische Fassung
aufgezeichnet von Dr. Johann August
Ernst Köhler in Waltersdorf bei Greiz

Heut hob’n mer heilig Obend,
Ihr Mädel kummt ner rei,
Geht naus und sogts der Hanne-Christ,
Se sull bei Zeiten rei.
Refrain :I Tra, Drideldiderum dei dei I:

Mir hob’n den Leuchter ogebrannt,
’s ist doch ä wohre Pracht,
Do drüb’n bei Euch is au recht schö,
Wir hob’n ne Sau geschlacht.

Mir hob’n uns ä Licht gekoft
Für zweiundzwanzig Pfeng,
Mir hob’ns in den Topf gesteckt,
Der Leuchter war ze eng.

Mir hob’n sieben Butterstoll’n,
So lang wie de Ofenbank,
Ihr Kinder, eßt mer netze viel,
Ihr werd’t mer olle krank.

Wos krabbelt aff dem Feuerheerd?
Es prägelt gar su sehr,
Der Bräckelklöos is angebrannt,
Des is ne gute Schmär.

Wer war denn über’n Schwammetopf ?
Gewiß de kleine Gett;
Ei wos, mir wull’ns dem Vater sog’n,
Do musst de gleich ze Bett.

Do drob’n in Eurer Feueress‘,
Do kann net richtig sei,
Do zanken sich de Leberwürst
Und kimmt doch kane rei.

Verfluchter Gung, der Schiebock
schreit,
Er is ja net geschmiert,
Und wenn uns der Förster kreit
So wer’n mer rei geführt.

Ei, Christel mach den Thorweg zu,
Do draußen steht ä Knecht,
Ei laßt mer doch den Karl net rei,
De Welt ist gar ze schlecht.

Wos macht Ihr mit dem Tannebaum ?
Ihr bringt mern’n schö herei,
Ihr stoßt mer’n a mei Vogelhaus
Und macht mer’n Krienitz scheu.

Am heil’gen Ohmd um Mitternacht,
Do fließt statt Wasser Wein.
Und wenn ich mich net fürchten thät,
Da holt ich mer än Topf vull rein.

Köhler, Joh. Aug. Ernst: Volksbrauch, Aberglaube, Sagen und andre alte Ueberlieferungen im Voigtlande, Leipzig 1867, S. 306 f.

Weihnachtszeit – Kinderzeit, Erinnerungen an Julius Mosen

Ludwig Richter: Gloria in excelsis
Es ist immer wieder aufs Neue interessant, wie man in Wort und Bild vergangener Zeiten die Abläufe zu Weihnachten und zum neuen Jahr festhielt. Die zauberhaft selige Welt des sächsischen Spätromantikers Ludwig Richter wurde im Dezemberheft des vergangenen Jahres dargestellt. Noch immer können seine Holzschnitte die Herzen vor allem der Kinder erreichen.
Eigene Kindheitserlebnisse werden dabei gerade, wenn man in dieser schönen Zeit der Tageshektik entrinnen kann, lebendig. Und man sollte sich solchen Erinnerungen nicht entziehen. Der aus dem Vogtland stammende Dichter Julius Mosen (1803-1867) erinnerte sich in seinen Werken immer wieder an die eigenen Kindheitstage. So schreibt er in seiner Novellensammlung „Georg Venlot“: „Es waren schöne Zeiten … und ich bedauere den Menschen, welche sich seiner Kindheit schämt und zu vornehm geworden ist, daß alte Bilderbuch dann und wann aufzuschlagen und mit gerührten Herzen darinnen zu blättern. Ist doch das Große und Gute, alles Verfehlte und Schlimme an uns, ja unser ganzes Schicksal, wie die Wahrheit in der Fabel, auch schon auf diesen Blättern zu lesen.

Wir sollten wohl häufiger, als es geschieht, über diese andere Welt der traumseligen Kindheit nachdenken, denn gar oft liegt noch dort eine große Aufgabe, welche wir mannhaft zu lösen haben, für uns aufgezeichnet, soll nicht endlich der Greis vor dem Richterstuhle seiner Kindheit beschämt und vernichtet stehen.“ An anderer Stelle, in seinen „Bilder im Moose“, bekräftigt er seine Kindheitserlebnisse als wichtige Lebenserfahrting: „Das Kind gebraucht sowenig äußerliche Mittel zu seinem Glücke, weil sein inwendiger Poet noch lebendig ist. Nur die älteren Menschen, welche in einer verdorbenen Zeit selbst verdorben worden sind, kennen kein rechtes Glück mehr, weil sie die Poesie verloren haben. Hat es ja Menschen gegeben, deren ganzes Herz nach und nach Speck geworden ist…“.

Rudolf Schuster: Marieney 1889
Dass Julius Mosen diese seine eigenen anscheinend immer lebendig gebliebenen Kindheitserinnerungen und Träume am Leben erhielt, bezeugen zur Genüge seine Prosa- und Lyrikwerke. In der bereits erwähnten Novellensammlung um Georg Venlot, der Züge Mosens trägt, schreibt er über die Weihnachtszeit seiner Kindheit im vogtländischen Marieney: „Soll ich dir, mein Freund! Das heimlich süße Grausen beschreiben, wenn ich wohlgeputzt darauf in der Kirche saß, vor Andacht nicht beten konnte; und wie dann neben mir der Choral in mächtigen Accorden aus der Orgel hervorquoll und durch das Kirchengewölbe hinüber, hinunter und empor brauste, während die Frauen des Dorfes duftende Sträuße von Federnelken und Gesangbücher, worauf zierlich die weißen Taschentücher zusammengelegt waren, in den Händen mit sittig niedergeschlagenen Augen zur knarrenden Türe hereinzogen?! In meiner kindlichen Träumerei glaubte ich ernstlich, die vielen Engelsköpfe am Altare mussten nun lebendig sein, mit zum Gesange einstimmen und mit ihren goldenen Flügeln im hellen Strahle der Morgensonne, welche durch die gemalten Kirchenfenster hereindämmerte, an zu fliegen fangen.
Stets saß ich während des Gottesdienstes in einem finstern Winkel, an die Orgelwand mit dem Ohre hingeschmiegt, um das Donnern der Töne durch alle meine Nerven beben zu lassen…“. Weiter schreibt er rückschauend, wie er Weihnachten in der alten Dorfschulwohnung erlebte, in der sein Vater als Kirchschullehrer und Kantor tätig war: „Mir ist bei dieser … Erzählung, als wenn ich an einem Weihnachtsmorgen vor Tagesanbruch durch die Ritze eines Fensterladens hineinblickte in deine hell erleuchtete Kinderstube, und sähe die tausend bunten Sachen, den grünen Paradiesgarten mit den Schäfern und Lämmern und den heiligen drei Königen, ausgeschmückt, auf dem Tische, und darüber den Christbaum, schwer von goldenen Aepfeln und Nüssen und mächtigen Pfefferkuchen, mit seinen hundert Wachslichtern funkeln und leuchten, und dich, dem Gebieter über alle Herrlichkeit, unermesslich reich davor stehen.“
Heute wird wohl kaum noch jemand einen Paradiesgarten aufstellen (der Verfasser dieser Zeilen besaß selbst noch einen, was nun auch schon 50 Jahre zurückliegt). Aber auch das Marieneyer Kirchlein aus Mosens Kindertagen hat die Zeiten nicht überdauert.

Ludwig Richter: Der Weihnachtsbaum
Sie musste 1892 einem neogotischen Backsteinbau weichen. Einige zeitgenössische Fotografien zeugen noch von ihrem Aussehen. Auch von dem leider eher verkannten Ludwig-Richter-Schüler Rudolf Schuster (1848-1902) blieb eine eindringliche Bleistiftzeichnung davon erhalten (vgl. weiterführend Heimatbote Greiz, Heft 1, 2/ 1994).
Oft sind es aber auch die harten Schicksalsschläge, welche gerade um die Weihnachtszeit die Leser ergreifen. Wer denkt da nicht an das eindringliche Kunstmärchen „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ von Hans Christian Andersen (1805-1875). Dieses verwaiste und verarmte Kind, das Weihnachtsfreuden nur hinter Fenstern anderer sieht, erträumt sich im Abbrennen der Schwefelhölzer eine bessere Welt. Schließlich gleitet es ermattet und innerlich glücklich in die himmlische Sphäre hinüber.
Von Julius Mosen blieb ein Brief vom 21.12.1823 seiner Jenaer Studentenzeit an seine Mutter erhalten, der vom harten Schicksalsschlag durch den Tod des Vaters berichtet, der in diesem Jahr erst 45-jährig verstorben war. Die Witwe mit ihren Kindern musste schon bald die alte Kantorenwohnung, seit des Vaters Nachfolger im Amt war, räumen:
„Theuerste Mutter,
Die Weihnachtsfeiertage sind da, wo sich alle Herzen, jegliches Gemüth erfreut — o, wenn ich mich auch so freuen könnte — das glaubte ich nicht vor einem Jahre, daß ich diese Feiertage nun als Waise sey — daß alle meine Geschwister traurig dastünden ohne Vater. Wie s wohl über das Jahr aussehen wird? Ich hoffe zu unserem Gott, besser als diesesmal. Wenn das Leiden am höchsten wird, da ist ja der Trost am nächsten! —
Wenn nun der Neujahrstag kommt, wo sich Alles freut und glückwünschend zu einander kommt, wo auch Sie vom seeligen Vater Morgens früh beim Kaffee, bei einem Stückchen aufgesparten Stollen seinen Glückwunsch empfingen, wie war Alles so froh. Neun Uhr rückte heran — es schlug zusammen, mit welchem gerührten Herzen gingen sie da in die Kirche, wo der Ton der Orgel und der fromme Gesang des Vaters Sie empfing — wie schauten Sie so dankbar auf zu Gott! Und sollten Sie dies jetzt auch nicht können? Sollten Sie nicht um so liebender und frommer zum Himmel aufschauen, da der seelige Vater oben beym ewigen Vater steht! Da er nun selbst, der ewige Gott, der Wittwen und Waisen ewiger Vater seyn will? Und sollte er uns verderben lassen? 0, nein! Nein! Er schaut herab mit ewiger Huld und in ewiger Erbarmung. Und sahen wir nicht auch in dem endlichen Tode unseres Vaters seine Güte, indem er ihn losband von allen Schmerzen! Daher wünsche ich am Neujahrstage weiter nichts: als Seelenfrieden — und jene fromme Heiterkeit des Herzens in unserem Gott. — Grüßen Sie mir alle Bekannte, Ihren Vetter Eniglein und Frau Muhme, unsere gute gefühlvolle! Großmutter, und Alle, die mich lieb haben, meinen kleinen Gustav, Amalie, Louis! Mit herzlichem Gruße grüßt Sie

Ihr treuer Sohn Julius.“
Günter Hummel

Literatur:
• Sämtliche Werke von Julius Mosen, Oldenburg 1863.
• G. Hummel: Julius Mosen und die alte Marieneyer Dorfkirche, in: Der Heimatbote, Zeitschrift für Geschichte, Kultur und Umwelt aus dem Landkreis Greiz, Heft lund 2/1994.
• D. Seidel: Julius Mosen — Leben und Werk. Eine Biographie, kv kerschensteiner verlag, o. J. (2003).

Weihnachtsgedichte

Im gelobten Lande
Nun erst leb ich ohne Fährde,
seit sich meinem Auge weist
das heilige Land und diese Erde,
die man also lobt und preist.
Mein ist, was ich je erbat,
da ich schauen darf den Pfad,
welchen menschlich Gott betrat.

Schöne Lande, segensreiche,
hab ich Wandrer viel gesehn,
keines, das ich die vergleiche.
Was sind Wunder hier geschehn!
Eine Magd ein Kind gebar
Her von aller Engel Schar:
Ob das nicht ein Wunder war!
Walther von der Vogelweide (Neudeutsch von Karl Simrock)


Weihnachtszeit
Wenn der Weihnachtsbaum grün funkelt
und am Himmel Sterne glühn.
Wenn die Kinder immer munkeln
was sie so zur Weihnacht kriehng‘.

Draußen wird es langsam dunkel,
schau, der Weihnachtsmann kommt
bald.
Wenn er dann am Himmel funkelt,
landet er auf dem Asphalt.

Oh! Jetzt kommen die Geschenke!
Oder doch die Rute drin?
Er legt sie vor den Baum, ich denke,
da legt er die Geschenke hin.
Sabrina Spörl und Fatima Chir, 12 Jahre alt


Winterabend
Wenn die Sonne über
die Schneefelder rollt,

ist jedes Eiskorn
ein Diamant.

Der Abend leuchtet,
ein stilles Gold

fällt in die
gläserne Hand.
Günter Ullmann

Aus dem kulturellen Leben

Der Monat Oktober war noch einmal voll gepackt mit Veranstaltungen, die mit der 800-Jahr-Feier der Stadt Greiz in Zusammenhang standen.
Es begann am 01. Oktober mit einer Vernissage in der Magistrale des Kreiskrankenhauses Greiz GmbH, in der acht bildende Künstler aus dem Greizer Raum mit acht Grafiken und je vier Kunstwerken zu sehen sind. Der Reiz dieser Präsentation: Jeder von ihnen ist eine eigenständige künstlerische Persönlichkeit. Der Greizer Maler Hubertus Blase stellt Landschaften um Greiz vor, Wolfgang Dreßler weist auf das Typische an Gebäuden der Stadt hin, Dieter Hellfritzsch fängt den stimmungsvollen Blick auf die „Hammerscheune“ in den Parkwiesen ein und Bernd Hieke widmet sich der Ornis im Greizer Raum. Das wieder erstandene „Kronentor“ des Unteren Schlosses in Greiz ist unter den Arbeiten von Michael Krause zu finden, dem Besonderen eines „Nächtlichen Blickes auf die Friedensbrücke“ hat sich Lothar Meinhardt gewidmet, Klaus Tiller hält einen Blick durchs Fenster fest und Peter Zaumseil präsentiert den „Neuen Turm“.

Ulrich Forchner während der Eröffnung zu seiner Ausstellung „F“60″ im Sommerpalais
Foto: Silke Groß
Diese sehenswerte Ausstellung ist sowohl für die Patienten des Kreiskrankenhauses als auch ihre Besucher und weitere Interessenten gedacht und wird gut angenommen.
Am Sonnabend, dem 10. Oktober konnten die Liebhaber von Orgelmusik in der Greizer Stadtkirche einen Orgelabend mit französischer Orgelmusik hören, leider kamen nur wenige. Unter dem Titel „Sous le ciel de Paris“ interpretierte Stadtkantor Oliver Scheffels Orgelwerke von Louis-Nicolaus Cldrambault, Alexandre Guilmant, César Franck, Louis Vierne und Charles-Marie Widor.
Am gleichen Tag lud Eva-Maria von Mariassy, die Leiterin der Staatlichen Kunstsammlungen im Sommerpalais, zur Eröffnung einer Ausstellung „F’60“ ein. Zu Gast war Ulrich Forchner, seines Zeichens Spezialist für Karikatur, Grafik und Illustration, ein langjähriger Vertrauter der Greizer Karikatur-Freunde. In Anbetracht seines bevorstehenden 60. Geburtstages stellt er sich im Sommerpalais mit Karikaturen, Grafiken und Illustrationen vor. Eva-Maria von Mariassy begrüßte ihn und die Ausstellungsgäste und übergab Hans-Peter Jakobsen, Gera, das Wort für die Laudatio. Die Vernissage wurde umrahmt vom Duo Sombrasil und ist bis zum 31. Januar 2010 zu sehen.
Eine weitere Ausstellung wurde am Donnerstag, dem 15. Oktober im Foyer des Theaters eröffnet. Sie ist eine Schau großer Kontraste. Während der Reichenbacher Maler und Schriftsteller Gero Fehlhauer mit seinen Bildern sich über die heutige „Handygesellschaft“ mokiert, versöhnt seine Kollegin Sylvia Biedermann die Betrachter mit Naturdarstellungen. Die Besucher des Theaters der Stadt Greiz können die Ausstellung bis zum 06. Dezember 2009 sehen.

Der 16-jährige Geiger Karol Denis beim 2. Sinfoniekonzert der Vogtland Philharmonie
Foto: Silke Groß
Das 2. Sinfoniekonzert der Vogtland Philharmonie Greiz/Reichenbach VPH am 16. Oktober war ein Gedenkkonzert an die Jubilare des Jahres 2009: Georg Friedrich Händel und Felix Mendelssohn Bartholdy. Es stand unter der Leitung von Jiri Malat.
Das Programm begann mit Händels Concerto Grosso Nr. 7, dem „Alexanderfest“. Es war ein majestätischer Auftakt zum nächsten Werk, dem Violinkonzert in e-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy. Alle Bedenken, dass der 16-jährige Geiger Karol Danis der Interpretation dieses virtuosen und in Aufnahmen berühmter Geigenvirtuosen bekannten Konzertes nicht gewachsen sein könnte, verflogen beim ersten Ton seines Spiels. Über technische Probleme erhaben, spielte er das Konzert nicht nur kultiviert, sondern auch mit hinreißender Musikalität und großer Noblesse. Virtuose Teile erhielten unter seinen Händen die gleiche intensive musikalische Auslegung wie die führende Thematik.
Zum Abschluss erklang Mendelssohns „Schottische Sinfonie“ in einer differenzierten und feinsinnigen Interpretation durch die VPH unter Jiri Malat.
In einem zweiten Orchesterkonzert präsentierte sich das Greizer Collegium musicum e. V. unter Leitung von Eckhard Kiesling mit einem Vivaldi-Abend.
Es war ein facettenreiches Programm mit Werken von Antonio Vivaldi, das Eckhard Kiesling mit den Mitgliedern des Collegiums und den Solisten bot.
Zart, quasi aus der Ferne kommend, begann es mit einer großen Sekunde — auch Vivaldi traute sich das schon. Im Kontrast zu dieser ersten kleinen Streicher-Sinfonie stand das kraftvolle Concerto für zwei Violinen und Streicher und Basso continuo (B.c.) in A-Dur, das die Konzertmeisterin Gretel Töpfer und Henrik Haluza, Stavenhagenpreisträger 1985 von der Greizer Musikschule, in ausgewogenem Zusammenspiel und mit zupackender Virtuosität in den Soli fesselnd spielten. Reichlich mit Passagenwerk und Ornamenten ausgestattet war das folgende Konzert für Flautino, Streicher und B.c. in C-Dur. Sicher und im Tempo rasant wurde es von Clarissa Thiem, Absolventin des Musikgymnasiums Gera, geboten und mit federnder Leichtigkeit vom Collegium begleitet. Herzhaft und energisch ging Kiesling mit dem Collegium die größere Sinfonie in C-Dur mit ihrem tänzerischen Schlusssatz an und schuf damit einen gewichtigen Kontrast zum hellen Flautino-Konzert. Auffallend gut unterstützte das Continuo mit Claudia Firl, Violoncello; Christian Bamberg, Kontrabass, und Roland Leppin, Cembalo, das gesamte Programm.
In noch tieferen Klängen das folgende Concerto g-Moll für zwei Violoncello, Streicher und B.c., bei dem die Cellistinnen Laura und Anna Butters aus Saalfeld, Schülerinnen des Musikgymnasiums Gera, den figurierten Stil mit großer technischer Sicherheit und das „Largo“ mit flexibler Dynamik gestalteten.
Eine Besonderheit gab es zum Schluss: Markus Dietzsch, Altus, Musiklehrer an der Freien Regelschule Reudnitz, sang mit souveräner Beherrschung der Koloraturen und Höhen die Kantate „Nisi Dominus“ für Alt, Streicher und B.c. und gab den sieben Teilen und dem Amen textbezogen differenzierte Aussage.
Das Greizer Collegium musicum e.V. zeichnete unter der temperamentvollen und umsichtigen Leitung Eckhard Kieslings in diesem Konzert ein farbiges musikalisches Porträt der schöpferischen Vielseitigkeit des Komponisten Antonio Vivaldi und begeisterte damit die Zuhörer.
Zu einer Lesung im Sommerpalais kehrte am 25. Oktober der in Elsterberg geborene Lyriker Gerald Zschorsch nach mehr als 30 Jahren aus seinem jetzigen Wohnort Frankfurt am Main ins Vogtland zurück und las aus seinem Gedichtband „Zur elften Stunde“. Titel wie „Elster“ und „Trocadero“ erinnern an das 800-jährige Greiz und seine Besonderheiten. Für den Autor gab es ein bewegendes Wiedersehen mit alten Freunden.
Irmengart Müller-Uri

62. Stavenhagen-Wettbewerb

Alle Stavenhagenförder- und Sonderpreisträger
Foto: Müller-Uri
Wie zu allen Zeiten war das Vorspiel zum Wettbewerb auch in diesem Jahr eine aufregende Angelegenheit für die Bewerber. Und nicht nur für sie — auch für ihre Lehrer, denn sie kennen die Klippen, die es beim Vortrag des Programms zu umsegeln gilt.
Warum auch immer er auf September vorverlegt wurde — es war keine gute Idee. Die Sommerferien waren in diesem Jahr zwar schon am 05. August zu Ende, dennoch sind acht Wochen eine relativ kurze Vorbereitungszeit für den Endspurt auf einen Wettbewerb. So bewarben sich in diesem Jahr nur 30 junge Musikanten um die Teilnahme am Stavenhagen-Wettbewerb, in den vorhergehenden Jahren waren es 40 — 50 Kandidaten.
Die Austragung begann am 26. September mit sechs Teilnehmern der Sparte „Hohe Streicher“. Alle waren gut vorbereitet. Zwei von ihnen erreichten mit ihrem Spiel die erforderliche Punktzahl für einen Stavenhagen-Preis: Eva Wetzel, Violine, Altersgruppe II aus Langenwolschendorf und Fabian Hentschel, Violine, Altersgruppe III von der Musikschule Gera aus der Klasse von Frieder Wiegand. Eva Wetzel war acht Jahre lang bis zum Sommer 2009 Schülerin von Doris Floß an der Musikschule „Bernhard Stavenhagen“ Greiz und nimmt seitdem Privatunterricht bei ihrer Schwester Anne Wetzel. Aus der Greizer Musikschule nahm der neunjährige Marius Frantz, Violine, Klasse Doris Floß, in der Altersgruppe I teil, er erspielte sich ein „Gut“. An die beiden Teilnehmer der Sparte „Tiefe Streicher“ und an die sechs Kandidaten im Fach „Gesang“ wurde kein Stavenhagen-Preis vergeben.
Am folgenden Sonntag lief der Wettbewerb mit dem Vorspiel von sechs Bewerbern im Fach „Klavier“ weiter. Hier erspielte sich Elisa Werner aus Weckersdorf, Altersgruppe I, einen Stavenhagen-Preis. Sie ist Privatschülerin von Cirsten Wetzel in Langenwolschendorf, einer ehemaligen Schülerin der Greizer Musikschule, die jetzt in der Greizer Musikschule unterrichtet.
An die sieben Teilnehmer in der Fachrichtung „Holzbläser“ wurde kein Stavenhagen-Preis vergeben, bei den Blechbläsern gab es keine Teilnehmer. Doch die zweite Teilnehmerin aus der Greizer Musikschule, Friederike Heckmann, Flöte, aus der Klasse von Meinolf Jennebach, erspielte sich an diesem Tag einen Förderpreis.

Vladimir Stanusev, Violine, ein Preisträger vergangener Jahre, spielt beim Stavenhagen-Preisträgerkonzert
Foto: Müller-Uri
Weitere Förderpreise der Sparkasse Gera-Greiz erhielten Susanne Grüttner, Violine, Sondershausen; Paula Pietsch, Violine, Gera; Corinna Müller, Klavier, Gera; Zora Michailow und Lena Habenicht, beide Klarinette, Jena, und Thomas Ostermann, Saxophon, Nordhausen. Ein Sonderpreis von Christine Herold von der Generalagentur der Mannheimer Versicherung ging an Julia Hellmund, Klavier, aus Sondershausen, einen zweiten vom Klavierbaumeister Klaus Bayer erhielt Lea Fabienne Cyriaci aus Erfurt und Kurt Bartel, Oboe von der Musik- und Kunstschule Jena bekam den von der Apothekerin Evelin Pester gestifteten Sonderpreis.
Der Stavenhagen-Wettbewerb ist nach wie vor ein besonderes kulturelles Merkmal der Stadt Greiz. Der Vorsitzende der Jury, Dozent Helmut Heß, Weimar, sprach sich erneut sehr anerkennend über das Niveau der Teilnehmer insgesamt und über die gute Organisation durch die Greizer Musikschule unter Leitung von Ingo Hufenbach aus.
Am Sonnabend, dem 13. Oktober 2009 wurden im Theater der Stadt Greiz durch den Greizer Bürgermeister Gerd Grüner und den Leiter der Musikschule „Bernhard Stavenhagen“ Greiz, Ingo Hufenbach, in einem festlichen Rahmen die Preise vergeben.
Als erste Stavenhagen-Preisträgerin stellte sich Elisa Werner mit drei Klavierstücken von Sofia Gabudailina, einer russischen Komponistin, vor. Sie interpretierte die rhythmisch und harmonisch anspruchsvollen Stücke mit Temperament sicher auswendig.
Nach der Preisvergabe folgte Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy, mit weichem, gutem Ton gespielt von der Förderpreisträgerin Lena Habenicht, Klarinette, aus Jena. Auch die Förderpreisträgerin Susanne Grüttner, Violine, aus Sondershausen war dabei, sie trug den ersten Satz eines Concertinos von Grazina Bacewicz vor. Mit schönem, dynamisch variablem Ton blies die Greizer Förderpreisträgerin Friederike Heckmann ein Scherzo für Flöte und Klavier von Joachim Bönisch.

Die beiden Teilnehmer von der Greizer Musikschule Friederike Heckmann, Flöte, und Marius Frantz, Violine
Foto: Müller-Uri
Die zwölfjährige Stavenhagen-Preisträgerin Eva Wetzel stellte ihr für ihr Alter schon sehr beachtliches Können mit dem Spiel des 1. Satzes des Violinkonzertes in a-Moll von Charles de Beriot unter Beweis. Sie war erst im vergangenen Jahr Stavenhagen-Preisträgerin im Fach Klavier. Das ist eine Leistung, die nur wenige Stavenhagen-Preisträger zustande brachten, zum Beispiel Jürgen Schröder aus Zeulenroda, dem 1955 ein Preis im Fach Klavier und 1959 im Fach Violine zuerkannt wurde. Jürgen Schröder ist jetzt als Professor für Klavier an der Musikhochschule in Peking tätig.
Variable Tongebung und Eleganz im Spiel zeichneten auch den Vortrag des zweiten Stavenhagen-Preisträgers im Fach Violine, Fabian Hentschel aus Gera aus, der den 1. Satz des Violinkonzerts in G-Dur von Joseph Haydn interpretierte. Die jüngste Teilnehmerin, die neunjährige Sonderpreisträgerin Julia Hellmund, begeisterte das Publikum mit einem akkurat gespielten Satz aus einem Divertimento von Joseph Haydn.
Den zweiten Teil des Konzerts bestritt auch in diesem Jahr wieder ein Stavenhagen-Preisträger vergangener Jahre, der Geiger Vladimir Stanusev, Preisträger im Fach Violine 1985, Konzertmeister der Hofer Symphoniker. Er kam 1978 mit seinen Eltern von Bulgarien nach Greiz und hatte von da an bis 1986 Unterricht im Fach Violine bei Doris Floß an der Musikschule „Bernhard Stavenhagen“ Greiz. Anschließend studierte er Violine an der Franz-Liszt-Hochschule Weimar, an der Musikhochschule Sofia und am Mozarteum Salzburg bei Ruggiero Ricci. Er ist mehrfacher Preisträger nationaler und internationaler Wettbewerbe.
Vladimir Stanusev interpretierte mit der Vogtland Philharmonie Greiz/ Reichenbach unter Lothar Seyfarth in federnder Leichtigkeit stilvoll und ausdrucksstark Wolfgang Amadeus Mozarts Violinkonzert A-Dur KV 219.
Irmengart Müller-Uri

Zeugnisse alten Handwerks – Hermann Müller berichtet über Mühlen an der Wisenta

Der Geraer Heimatforscher Hermann Müller bei seinem Vortrag über Mühlen
Foto: Joachim Thiele
Das sehr gut besuchte September-Sonntagsgespräch des Hohenleubener Altertumsvereins (VAVH) widmete sich einem Thema, das nicht zuletzt aus romantischen Erwägungen breites Interesse findet: dem Müllerhandwerk. Der bekannte, inzwischen im 79. Lebensjahr stehende Geraer Heimatforscher Hermann Müller stellte in einem Lichtbildervortrag das jüngste Ergebnis seiner heimatlichen Wanderfahrten vor. Einleitend führte er aus: „Die bäuerliche Kulturlandschaft des (reußischen) Oberlandes gab den Anstoß, das Tal der Wisenta von der Quelle bis zur Mündung zu befahren und auf die Mühlen von einst und jetzt ein besonderes Augenmerk zu legen.“ Dabei ging er naturgemäß auch auf die unterschiedlichen Auffassungen über die Lage der „wahren“ Wisenta-Quelle ein, wobei er sich für die Willersdorfer Variante entschied. Der eindrucksvolle Lichtbildervortrag kreiste vor allem um die Veränderungen der Kulturlandschaft im vergangenen Jahrhundert und den einschneidenden Eingriff durch den Talsperrenbau, also um jüngere Geschichte. Aber nicht nur dieser war die Ursache des Rückgangs des alten Mühlengewerbes. „Es waren wirtschaftliche, wohl meist politische Gründe, die das alte Handwerk schwinden ließen“, führte Hermann Müller aus. Vor etwa 100 Jahren kam es zum letzten Aufblühen, spätestens ab der 2. Hälfte der 1950er Jahre begann der endgültige Niedergang. Nach der Wiedervereinigung „kamen die Großmühlen zum Zuge. Jetzt gibt es im Tal kaum noch Lohnmüllerei. Nur in drei Sägemühlen sind noch die bekannten Geräusche zu hören. Mit dem Bau der Stauanlage bei Grochwitz und der bei Lössau verschwanden 4 Mühlen im Wasser der 53,6 Kilometer langen Wisenta.“
Dem Referenten gelang es in seinem Vortrag, durch Einbeziehung vielfältiger Quellen, darunter auch durch die Auswertung zahlreicher Gespräche mit Ortsansässigen, ein anschauliches Bild des einstmals blühenden Handwerks und seiner heutigen Hinterlassenschaften zu zeichnen. Dies ist umso wertvoller, als es naturgemäß immer weniger Zeitzeugen für die früheren Verhältnisse gibt. Natürlich wurde auch auf alte Müllergeschlechter wie die Wolframs oder Wolfrums und die Schallers eingegangen, die nicht nur im reußischen Oberland, sondern auch in den benachbarten Gebieten, zum Beispiel im Greizer Raum, ihre Spuren hinterließen. Das besondere Interesse Hermann Müllers aber gilt den positiven und negativen Eingriffen in die Natur, der Kultur- und Technikgeschichte. So fand auch derjenige, der keine engeren Beziehungen zum besprochenen Gebiet aufweist, vielfältige Parallelen zu Entwicklungen in „seiner“ Region.
Hermann Müller begann die „imaginäre Wanderung“, wie er seinen Vortrag selbst benannte, am Zedelbrunnen bei Willersdorf, wo vor etwa 200 Jahren 22 Müller ein Dokument unterzeichneten, in dem unter Führung des Möschlitzer Müllers J. Schmidt die Beräumung der drei dort befindlichen Quellen beschlossen wurde. Dies sollte dem Ziel dienen, die Wasserräder wieder in Gang zu bringen. Anschließend erfuhren die Versammelten Aufschlussreiches über (jüngere) Geschichte und — falls die Gebäude noch vorhanden sind oder gar noch mühlentechnisch genutzt werden — Gegenwart folgender Mühlen: Ottenmühle, Bucklischmühle (in den 1960er Jahren abgerissen), Ober- und Mittelmühle in Oberkoskau, Schlagmühle (Unterkoskau), Obermühle, Herrenmühle und Lippoldsmühle (in und bei Mühltroff), Bessermühle (bei Langenbuch, 1911 abgebrannt), Dorfmühle (Langenbuch), Hammermühle (sie wich Anfang der 1980er Jahre der Talsperre) und die sogenannte „Missgunst“. Deren altes Hammerhaus wurde im Juni / Juli 2009 abgebaut, um das Freiluftmuseum Hohenfelden um eine weitere Attraktion zu bereichern. Es folgten im Vortrag die Löß- oder Lössaumühle (1979 abgerissen; auch ihr einstiger Standort versank in einer Talsperre), die untere Löß- oder Neumühle, die Schmidtenmühle (sie beherbergte später die Fabrik Sörgel), die Burkhardsmühle (heute noch als Sägewerk bestehend), die Holzmühle, eine weitere Herrenmühle (Schleiz; heute ist hier ein Baugewerbebetrieb ansässig), die Glücksmühle, die Thomasmühle (Oschütz, 1961 abgerissen), die Beyersmühle, die Möschlitzer Dorfmühle (seit etwa 1600 bis heute im Besitz der Familie Schmidt), die Stöckigstmühle (heute ein florierendes Sägewerk), die Wolframsmühle (einst in Crispendorf) und schließlich die Bretmühle in Walsburg an der Mündung der Saale, deren Gebäude, obwohl längst nicht mehr mühlentechnisch genutzt, bis heute liebevoll erhalten werden.
Der Vortrag dürfte manchem der Anwesenden Anregung gewesen sein, sich selbst einmal auf Wanderfahrt zu begeben, um die Spuren heimatlicher Geschichte zu erkunden. Es lohnt sich auf jeden Fall.
Dr. Frank Reinhold

575 Jahre Untergeißendorf – eine neue Festschrift

575 Jahre Untergeißendorf – eine neue Festschrift
Als 2004 Obergeißendorf sein 550. Jubiläum der Ersterwähnung feierte, war gerade durch die Forschungen des Bergaers Matthias Wagner bekannt geworden, dass Untergeißendorf bereits 1434 in einem in Dresden befindlichen Kopialbuch erwähnt wird. Aus diesem Grund feierte Untergeißendorf im September diesen Jahres seine 575-Jahrfeier. Zugleich nahm sich der Feuerwehrverein Geißendorf der anspruchsvollen Aufgabe an, gemeinsam mit einigen Mitstreitern eine Festschrift zu publizieren. Dazu fanden sich Susann Bergner, Harald Luckner, Eveline Lippold, Kathleen Popp und Dr. Frank Reinhold zusammen. Zum Jubiläum lag das Ergebnis ihrer redaktionellen Arbeit rechtzeitig vor. Die 70-seitige, im Buchhandel erhältliche Festschrift beinhaltet eine Fülle von Texten, darunter einige des Redaktionsmitgliedes des Heimatboten, Dr. Frank Reinhold, aber auch die erstmals veröffentlichte Dorfgeschichte von Johanna Jahn (1925-1997), die sie als Schülerin verfasste und mit Fotos und Zeichnungen illustrierte. Dabei konnte sie sich auf die intensiven Forschungen ihres Vaters Walter Jahn stützen. Zum Glück war diese Chronik in der Familie erhalten geblieben, die im zweiten Teil der neuen Festschrift Berücksichtigung fand. Der alte Text, weitestgehend wortwörtlich abgedruckt, spiegelt den damaligen Zeitgeist der 1930-er Jahre wieder. Dies ist in einigen Formulierungen zu bemerken, aber auch gerade deshalb als wertvolles zeitgenössisches Dokument zu werten. Die Chronik der 1925 geborenen Johanna Jahn kann als außergewöhnliche Leistung eines überdurchschnittlich begabten Kindes angesehen werden, dessen tragisches Schicksal die Entfaltung des Könnens im Erwachsenenalter jäh unterbrach. Mehr dazu ist in der Festschrift zu erfahren.
Die thematische Vielfalt der Chronik reicht von einem allgemeinen geschichtlichen Abriss der dörflichen Entwicklung, dem Ortswappen, der Gemeindeordnung von 1842, den Bürgermeistern bis zur Gegenwart, einer sogenannten Häuserchronik, Handwerk und Gewerbe, bis hin zu den Vereinen und Verbänden des Ortes. Weitere Kapitel widmen sich der Feuerwehr und den Bränden, die sie bekämpfen mussten, sowie Aussagen zur kirchlichen und schulischen Zugehörigkeit des Ortes. Abschließend werden die in Untergeißendorf vorkommenden Flurnamen erläutert und wichtige Familien und Personen vorgestellt, die ihre Wurzeln im Ort hatten. Kleine Episoden runden die reich illustrierte Chronik ab.
Die Untergeißendorfer Festschrift kann jedem heimatgeschichtlich Interessierten zur Lektüre empfohlen werden.
Sven Klein

2 Hufen für das Kloster Mildenfurth – Festschrift zur 800-Jahrfeier von Zwirtzschen

Festschrift zur 800-Jahrfeier von Zwirtzschen
In jener Urkunde vom 4. Oktober 1209, die außer für Greiz auch für zahlreiche Dörfer die Ersterwähnung darstellt, finden sich unter den Schenkungen an das Mildenfurther Kloster 2 Hufen Landes im Dorf „Schwirschin“. Für den Feuerwehrverein des Ortes war dies Anlass, eine von Falk Wunschel verfasste 70 Seiten starke Festschrift herauszugeben. Ihm ist es gelungen, mit besonderer Unterstützung von Ingrid Simon in Trünzig, die in Zwirtzschen zur Welt kam, innerhalb kurzer Zeit bemerkenswert viele Fakten und Ereignisse aus der langen Historie zusammenzutragen. In einem Seitengebäude seines Gehöfts hat Falk Wunschel übrigens auch ein kleines Feuerwehrmuseum eingerichtet. Bleibende Erinnerung an das Festwochenende Anfang September werden neben der hier vorgestellten Broschüre auch die seitdem vor den Häusern stehenden kleinen überdachten Tafeln sein, auf welchen die Geschichte der einzelnen Gehöfte in Kurzform festgehalten ist. Die „Festschrift zur 800 Jahrfeier des Ortes Zwirtzschen 1209-2009″, die im Ort zum Preis von 6 Euro zu erwerben ist, beinhaltet folgende Kapitel: Geographie, Ersterwähnung, Zeittafel / Auszüge aus der Chronik, Der Name, Die Fluren von Zwirtzschen, Die Besitzer von 1835 und ihre Familien (beigesteuert vom Unterzeichneten unter Nutzung der Culmitzscher Kirchenbücher), Die Einwohnerzahlen, Die Bürgermeister und Amtszugehörigkeit, Gehöfte und Häuser (wesentlich von Ingrid Simon erforscht), Das Feuerwehrwesen, Die Nähe zu Culmitzsch, Das Ehrenmal, Geschichten aus Zwirtzschen, Die Landwirtschaft, Handwerk/Gewerbe und Bilderbogen. Falk Wunschel hat dafür neben einschlägiger Literatur und eigener Kenntnis auch auf mündliche Berichte von Ortseinwohnern, auf diverse Zuarbeiten und auf eine handschriftliche „Chronik vom Tage“ zurückgreifen können, die von 1836 bis 1856 vom Ortsvorsteher Johann Georg Stößel (1792 — 1861) begonnen und nach einer Unterbrechung von 44 Jahren von seinem Amtsnachfolger Arno Funke (1862 — 1940) bis 1919 fortgesetzt wurde. Daraus erfährt der Leser zum Beispiel, dass das Luftschiff des Grafen Zeppelin 1909 auf seinem Flug von Friedrichshafen nach Berlin in Sichtweite des Ortes vorbeiflog und so gut zu sehen war, „dass alle … auf der Straße standen und zuschauten, denn so etwas Geheuerliches(!) hat sich niemand je träumen lassen.“ Eine andere wahre Geschichte berichtet unter der Überschrift „Was durch Mundart alles entstehen kann“ von den Missverständnissen, wenn dialektales „doo“ (da) falsch verhochdeutscht wird und sich dieserart die Nachricht vom Hinscheiden einer in Wirklichkeit quicklebendigen Person verbreitet. Hingewiesen sei auch darauf, dass auf der hinteren Umschlagseite zwei Aquarelle des Bauernhofmalers Anton Hahn abgebildet sind. Der im Impressum als 1. Auflage gekennzeichneten Neuerscheinung soll, wenn neue Erkenntnisse und Forschungen hinzugekommen sind, in den kommenden Jahren nach Möglichkeit eine erweiterte Fassung oder ein Fortsetzungsheft folgen.
Dr. Frank Reinhold

Die Geschichte der Kirche und des Rittergutes Pölzig

G. Hummel „825 Jahre Pölzig, 11842009, Kirche und Rittergut“, Altenburg & Langenweißbach 2009, ISBN 987-3941171-17-6

825 Jahre Pölzig
Jeder interessierte Besucher wird unschwer erkennen, dass jedes Jahrhundert in der Pölziger Kirche und ihrem Umfeld Spuren hinterlassen hat. Gleiches trifft für das heute fast bis zur Unkenntlichkeit veränderte Rittergut zu — erinnert sei nur an die im Oktober 1936 erfolgte Sprengung des Schlossturmes incl. der Abtragung des Schlossgebäudes bis auf die heute noch stehenden Überbleibsel.
In vortrefflicher Weise wird die Geschichte der Pölziger Kirche und des Rittergutes in dem kürzlich erschienenen neusten Heft der Reihe „Der kleine sakrale Kunstführer“ dargestellt. So werden anfangs die alten Ansichten Pölzigs aus der Mitte des 19. Jahrhunderts eingehend erläutert. Im Anschluss daran wird die Historie des Pölziger Rittergutes aufgezeigt, um diese mit den baugeschichtlichen Befunden, die die Frühzeit der Pölziger Kirche erahnbar werden lassen, zu verbinden. Wer weiß heute noch, dass sich hier einstmals eine Wasserburg befunden hat? Detailliert werden das Dachwerk, der Altar von 1693, ebenso die herrliche Bilderdecke, die ein biblisches Szenenprogramm zeigt, welche mit dem Altar und seinen gemalten Elementen korrespondiert, beschrieben. Auch das viele Jahrzehnte vergessene, weil hinter dem Altar verborgene Epitaph für Dietrich von Creutzen und seine Frau Barbara, geschaffen Ende des 16. Jahrhunderts, wird vorgestellt. Historisch bedeutsam waren die Jahre 1691 – 1752, als sich Pölzig im Besitz der Grafenfamilie Henckel von Donnersmarck befand. Nicht nur, dass die uns heute faszinierende Ausstattung der Pölziger Kirche auf diese zurückgeht, auch kirchengeschichtlich stand Pölzig damals in Korrespondenz mit den heute noch bekannten Reformkräften wie z. B. August Herman Francke, dem Wegbereiter des Pietismus und Begründer der Francken’schen Stiftung zu Halle oder dem Reichsgrafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, dem Gründer der weltweit ausstrahlenden Brüdergemeinde in Herrnhut. Dieser Aspekt wird ausführlich gewürdigt und dem heutigen Leser in seiner Bedeutung verständlich gemacht. Die Beschreibung weiterer ikonographisch bedeutsamer Ausstattungsstücke wie z. B. Kanzel, Taufstein und Glocken runden, ergänzt um die Emporen und die Orgel, das Gesamtbild dieser faszinierenden Kirche ab. Beschlossen wird das überaus interessante Heft durch die Würdigung der Belange des Naturschutzes im Kirchgebäude, d. h. dem Bemühen um die Bewahrung der Schöpfung, konkret dargestellt an der Schleiereule, einem Bewohner des Pölziger Kirchturms.

Das Heft ist für 10 Euro im Pfarramt Pölzig (07554 Pölzig, Weg der Jugend 8, Tel. 03 66 95/2 06 52, E-Mail: sventhriemer@web.de) oder im Buchhandel erhältlich.
Sebastian Schopplich

Aktion „Lebensraum Kirchturm“ nun auch in Großenstein, Mückern und dem Kloster Mildenfurth

Eröffnungsgottesdienst in der Kirche Großenstein für die Auszeichung „Lebensraum Kirchturm“.
Foto: Gisela Stang
Das Gemeindefest der Kirchgemeinde Großenstein am 5. September 2009 wurde mit einem Gottesdienst eröffnet, zu dessen Abschluss die Kirchen zu Großenstein und Mückern (beide zugehörig dem Kirchspiel Großenstein, Superintendentur Altenburg) mit der Auszeichnung „Lebensraum Kirchturm“ geehrt wurden. Die Geschäftsführerin des NABU Landesverbandes Thüringen e. V, Frau Kirsten Schellenberg, überreichte dem Großensteiner Pfarrer Stephan Bernstein die Urkunden und die zugehörigen, für den Außenbereich bestimmten Plaketten.
Nur eine Stunde später wurde diese Auszeichung auch dem ehemaligen Prämonstratenser-Kloster Mildenfurth (Gemeinde Wünschendorf bei Weida) verliehen, wozu das diesjährige Klostergartenfest einen frohgemuten Rahmen bot. Seitens des „Arbeitskreises Kunst und Kultur Kloster Mildenfurth“ nahmen Herr Joachim Bauer und der Bildhauer Volkmar Kühn als ehrenamtliche Hausherren die Ehrung entgegen. Damit wurden im Landkreis Greiz nach den Kirchen in Brahmenau, Tschirma (bei Berga), Langenwolschendorf, Hundhaupten und Triebes bereits zum wiederholten Male Kirchen bzw. nun auch das Klostergebäude zu Mildenfurth mit dieser Auzeichnung geehrt. Thüringenweit liegt damit der Landkreis Greiz nach dem Kreis Sömmerda „an zweiter Stelle“ in puncto Würdigung des Engagements der Kirchgmeinden zugunsten bedrohter Vogel- und Fledermausarten. Die vom Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) und dem Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen e.V. vor mehreren Jahren gestartete gemeinsame Aktion „Lebensraum Kirchturm“ hat inzwischen deutschlandweit fast 350 Kirchen erreicht. Was ist das Anliegen dieser Aktion? Gefördert und gewürdigt wird das Engagement der Kirchgemeinden im Bereich des charakteristischen und mustergültigen Artenschutzes: Turmfalken, Schleiereulen und Fledermäuse — beispielhaft für gebäudebewohnende Tierarten ausgewählt — leiden in Städten und Dörfern zunehmend an Wohnungsnot. Kirchtürme bieten für sie optimale Nist- bzw. Quartiermöglichkeiten, die leider häufig bei tonte NABU-Präsident Olaf Tschimpke anlässlich der Eröffnung dieses Projektschwerpunktes: „Wir freuen uns, dass viele Kirchgemeinden unseren Appell gehört haben und ihre Kirchen für diese Tiere geöffnet haben oder noch öffnen wollen.“ Und der Vorsitzende des Beratungsausschusses für das Deutsche Glockenwesen, Kurt Kramer, bekräftigte dieses Anliegen: „Die Kirchen können hier einen praktischen Beitrag zum Artenschutz leisten. Wir freuen uns, dass der Kirchturm als Überlebensraum für seltene Vogel- und Fledermausarten wieder mehr ins Bewusstsein gerückt ist. Ein harmonisches Beipiel von Kultur und Natur im Einklang.“ Mit dieser Aktion wollen der NABU und der Beratungsausschuss die Kirchengemeinden in Deutschland und ihre Mitglieder, die fast 55.000 Kirchtürme betreuen, erreichen. Ziel ist es, über naturschutzfachlich korrekte Sanierungsmöglichkeiten zu informieren und deren Vereinbarkeit mit Anforderungen des Denkmalschutzes aufzuzeigen. Zudem soll der Austausch mit den örtlichen NABUGruppen gefördert werden. Dies auch, um die Grundidee dieser Aktion lokal zu optimieren bzw. zu erweitern und andere, ebenso gefährdete Arten wie z. B. die Dohle oder den Mauersegler einzubeziehen.

Übergabe der Auszeichnungen an Pfr. S. Bernstein (für die Kirchgemeinden Großenstein und Mückern) und an den Bildhauer V. Kühn als Vertreter des Arbeitskreises „Kunst und Kultur Kloster Mildenfurth“.
Foto: Gisela Stang
Dank der tatkräftigen Unterstützung durch die Untere Naturschutzbehörde in Greiz konnten im März diesen Jahres im Kloster Mildenfurth zusätzlich zu den bereits vorhandenen zwei Turmfalkenkästen die dringend nötigen drei Schleiereulenkästen eingebaut werden, außerdem noch zwei Dohlennistkästen. Im romanischen Kirchturm der Mückern’schen Kirche brüten seit vielen Jahren Turmfalken und Schleiereulen. Für letztere wurden im Frühjahr 2008 zwei von außen zugängliche Turmnischen fachgerecht verbrettert. Und Anfang April 2008 wurde nordseitig an den 1785/86 erbauten Kirchturm der überregional durch die Poppe-Orgel von 1804 bekannten Kirche St. Bartholomäus in Großenstein ein Turmfalkenkasten angebracht, der bereits am Folgetag von Turmfalken besetzt wurde, wie Pfarrer Bernstein freudig beobachtete. In diesem Frühjahr wurden zudem ein Schleiereulen- und mehrere Dohlennistkästen, aber auch verschiedene Fledermaus- kästen in den spätbarocken Großensteiner Kirchturm und den Dachboden des Kirchenschiffes montiert. Beide Kirchen bieten so gefährdeten Tierarten Unterschlupf und leisten einen eigenen und wirkungsvollen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung. Hierfür dankte die NABU-Geschäftsführerin Frau Schellenberg beiden Kirchgemeinden ausdrücklich. Insbesondere richtete sich ihr Dank an die Kirchenältesten Klaus Schröder aus Mückern und Bernd Wunderlich aus Großenstein sowie Pfarrer Stephan Bernstein, ebenso an den Bildhauer Volkmar Kühn aus Mildenfurth und die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Greiz sowie den NABUKreisverband Gera-Greiz e. V.
Die Aktion soll auch in den kommenden Jahren zum Schutz von Turmfalken, Schleiereulen, Fledermäusen u. ä. gebäudebewohnenden Arten fortgesetzt werden.
Mehr Informationen hierzu sind unter www.thüringen.nabu.de, Tel.: (0 36 41)60 57 04 oder lgsgnabu-thueringen.de zu finden bzw. zu erfragen.
Sebastian Schopplich

Das Wetter im Oktober 2009

Noch vor einem Jahr sang ich ein Loblied über den goldenen Herbst im Oktober. Das änderte sich in diesem Jahr vollends. Wenn auch an den ersten Tagen bis zum 8. des Monats sowohl Nacht- als auch Tagestemperaturen alle Zeichen setzten für einen farbigen Herbstmonat. Die Temperaturen lagen nachts und tags im zweistelligen Bereich, so dass alle Voraussetzungen gegeben waren. Leider hat die Sonne sich sehr zurückgezogen. Fast jeden Tag regnete es in dieser Zeit. Der Himmel war wolkenverhangen. Dies war aber erst der Anfang. Nach dem 9. des Monats sanken die Temperaturen erheblich. Die Niederschläge nahmen zu. Es folgten über zehn Tage, an denen es jeden Tag regnete. Insgesamt fielen in dieser Zeit 64 l/m². Ununterbrochen bewölkter Himmel, trübe und neblige Tage, Graupelschauer an zwei Tagen und ein Gewitter am 13. bestimmten die Wetterlage in dieser Zeit, die endlich am 20. beendet war.
Oft hörte man sagen, das Wetter könnte wieder einmal anders werden. Es kam anders. Zumindest sahen wir bis Monatsende einige Male die Sonne. Auch Nachtfrost stellte sich ein. An fünf Tagen bewegten sich nachts die Temperaturen im Minusbereich. Damit konnte endlich die Herbstfärbung zur Geltung kommen. Wir dürfen nun hoffen, dass diese Wetterlage weit in den November hinein reicht.
Heinrich Popp

Temperaturen und Niederschläge

erfasst in Clodra Gommla
Temperaturen Mittleres Tagesminimum 5,6 °C 4,6 °C
  Niedrigste Tagestemperatur -3 °C (31.) -2 °C (20./21.)
  Mittleres Tagesmaximum 11,4 °C 10,1 °C
  Höchste Tagestemperatur 21 °C (1./7./8.) 21 °C (7.)
Niederschläge Anzahl der Tage 19 19
  Gesamtmenge pro m² 73 l 100 l
  Höchste Niederschlagsmenge 13,5 I/m² 17 I/m²

Vergleich der Niederschlagsmengen im Oktober (in I/m²)

erfasst in 2003 2004 2005 2006 2007 2008
Clodra 45,50 40,50 9,50 64,00 35,50 110,00
Gommla 67,00 49,00 18,00 72,50 34,00 102,00
Im Rahmen des Greizer Stadtfestes 2009 wurde von der Interessengemeinschaft Greizer Neustadt wieder der Attraktivitätspreis „Neustadt —Perle“ für ein besonders gut renoviertes Gebäude vergeben. Den Preis in Höhe von 1000.-Euro erhielten in diesem Jahr Mandy und Andre Taubert für die Sanierung des Wohn- und Geschäftshauses Carolinen straße 7.
Wesentliches Kriterium war dabei die farbliche Gestaltung der Fassade und der Innenräume.
Foto: Müller-Uri
Markttreiben im Kulturhof Zickra
Foto: Silke Groß

Bilder Greizer Heimatbote Dezember 2009

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