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Lesereihe »RedeFluss« am Freitag mit Reiner Kunze eröffnet

Lesereihe »RedeFluss« am Freitag mit Reiner Kunze eröffnet

Reiner Kunze bei seinen Ausführungen, wie man für Kinder schreibt

Kinder sind Kinder ihrer Zeit
Lesereihe RedeFluss am Freitag mit Reiner Kunze eröffnet. Hommage an den Dichter und Greizer Ehrenbürger von Fünftklässlern des Greizer Gymnasiums

GREIZ. Es sollte eine Lesung für Erwachsene werden, die Kindern noch vorlesen. Etwa das Buch „Der Löwe Leopold“, das Reiner Kunze vor vierzig Jahren „Für Marcela, den kleinen Plagegeist“ schrieb. Am Freitagabend eröffnete der Schriftsteller die Lesereihe RedeFluss auf der Studiobühne der Greizer Vogtlandhalle. Initiator ist der Bürgermeister der Stadt Greiz, Gerd Grüner (SPD), der damit Autoren ein Podium zur Vorstellung ihrer Werke bieten möchte.
Reiner Kunze wurde 1933 in Oelsnitz /Erz ­gebirge geboren und studierte Philosophie und Journa ­listik in Leipzig. Seine ersten Gedichte veröffentlichte er 1953, seit 1962 ist er freiberuflicher Schriftsteller. 1976 wurde Reiner Kunze aus dem Schrift ­steller ­verband der DDR aus ­geschlos ­sen, ein Jahr später verließ er das Land. Für sein litera ­risches Schaffen wurde er unter ande ­rem mit dem Georg-Büchner-Preis aus ­ge ­zeichnet. Reiner Kunze lebt und arbeitet heute in Obernzell-Erlau bei Passau. Seit 1995 ist er Ehrenbürger der Stadt Greiz. Den 140 Interessierten der Veranstaltung beschrieb Kunze, wie es dazu kam, dieses Buch mit fast Märchen, fast Geschichten über das kleine Nachziehstofftier Leopold zu schreiben und tauchte dazu in die Geschichte ein: Auch im Vogtland sammelten sich im Jahr 1968 die sowjetischen Panzer. Man befürchtete Krieg, so Kunze. Er selbst sei durch die Ehe mit Elisabeth, einer Tschechin, die Verbindung zu dort lebenden Dichtern und eigene Publikationen zu einem Sicherheitsrisiko geworden. In Kunzes Wohnung in der Greizer Franz-Feustel-Straße meldete sich damals ein ehemaliger Kollege, ein Setzerlehrling, wie sich Kunze erinnerte. Nach zehn Minuten des Gesprächs wusste der Schriftsteller bereits, dass es sich nur um einen Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit handeln konnte, der ihn zudem am Tag des Einmarsches, dem 21. August, morgens um 7 Uhr anrief, er solle an eine bestimmte Stelle der Stadt kommen. Ich sollte aus dem Verkehr gezogen werden, war sich Reiner Kunze sicher. Der damalige Superintendent empfahl ihm dringend, Greiz zu verlassen. So wohnte ich drei Wochen in Ponitz bei Meerane über der Silbermannorgel auf dem Kirchendachboden. Dr. Stadtmann, ein bekannter Greizer Arzt bot ihm die Möglichkeit des Aufenthaltes in Kottenheide bei Schöneck in einer Dachkammer seines Häuschens. Fast das ganze Buch Der Löwe Leopold sei dort entstanden. Dass es schließlich 1970 im Westen erschien, hatte sich Kunze in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemacht. In der DDR wurde es auf Anregung des damaligen Kulturministers zwar auch gedruckt, doch waren in der BRD zwischenzeitlich Kunzes Die wunderbaren Jahre erschienen, was die Stasi sehr verstörte. Die 15000 Exemplare wurden 1976 komplett vernichtet, so Kunze. Dass ein Exemplar des Kinderbuches eines Tages in der Brottüte von Ambachs Bäckerei auftauchte, können sich die Kunzes bis heute nicht erklären. Für Kinder zu schreiben, sei das Schwierigste überhaupt, bekannte Reiner Kunze. Für ihn heißt das, sie auf die Tragik des Lebens vorbereiten, ohne sie traurig zu machen. Was ihn beunruhige: die Staun-Schwelle sei wesentlich höher geworden, auch sei durch die Überflutung an Informationen das Bild-Denken bedroht, was zur Verödung der Fantasie führe. Doch Kinder sind Kinder ihrer Zeit. Kunze las im Anschluss einen Auszug aus der Geschichte Der Drache Jakob, die den Gästen der Lesung oft ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Auch eine Premiere sollte es an diesem Abend geben: Reiner Kunze trug Gedichte aus seinem jüngst erschienen Kindergedichtband Was macht die Biene auf dem Meer? vor: Das Holunderwunder, Das Geheimnis des Nussbaums oder Klatschmohn. Zu Beginn der Veranstaltung gestalteten sechs Schüler der 5. Klassen des Greizer Gymnasiums eine Hommage an den großen Dichter und trugen Gedichte aus seiner Feder vor.

Antje-Gesine Marsch @01.06.2012

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