Neustadtverein Greiz: Hochwasserschutz als Thema des NeustadtrundgangsAn den Gleisen am Neustadtring ist die nächste Zwischenstation des Rundgangs. Frank Schirmer (r.) bei seinen weiteren Ausführungen.

Am Mittwoch lud der Neustadtverein Greiz e.V. zum traditionellen Neustadtrundgang mit dem Greizer Bürgermeister ein – Hochwasserschutz war auch in diesem Jahr das Thema

GREIZ. Einen Zwischenstand zu erfahren und sich besser vorstellen zu können, wie die einzelnen Abschnitte des geplanten Flutkanals durch die Stadt Greiz aussehen könnten, nannte der Vorstand der IG Neustadt, Steffen Dinkler als Ziel des traditionellen Neustadtrundgangs mit dem Greizer Bürgermeister Gerd Grüner (SPD). Eingeladen war dazu der Projektleiter der Landgesellschaft, Frank Schirmer, der mit zahlreichen Informationen aufwartete und zudem geduldig die Fragen der Teilnehmer beantwortete.

Zwar befinde man sich noch noch in der „frühen Planungsphase“, dennoch sei der Bau eines Flutkanals längst keine bloße Idee mehr, sondern „ein Stück gereift“. Der Umflutkanal sei die hydraulisch wirksamste Lösung, wie Frank Schirmer betonte. Sie sei „technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar“. Ein Teil des Wassers wird dabei über einen Flutkanal umgeleitet. „Der Umflutkanal wird durch ein Ausleitungsbauwerk im Bereich oberhalb der Fußgängerbrücke Papiermühlenweg selbständig beaufschlagt.“, erklärte der Projektleiter. Die Wiedereinleitung in die Weiße Elster erfolgt unterhalb des Stadtzentrums im Bereich des Arbeitsamtes an der Bruno-Bergner-Straße.
Als Vorzug diene dabei, dass der Wasserstand bei Hochwasser im Stadtgebiet um bis zu 1,10 Meter wirksam gesenkt werden könne. Es wird erreicht, dass der verbleibende Abfluss in der Weißen Elster durch die Brückenbauwerke abgeführt werden kann; die vorhandenen Hochwasserschutzanlagen müssen nur noch in Teilbereichen angepasst werden und könnten im Bereich oberhalb der Hainbergbrücke sogar ganz entfallen. Im Hochwasserjahr 2013 wurden mehr als 420 Kubimeter pro Sekunde erreicht und nunmehr als HQ 100 – ein Wiederkehrintervall von 100 Jahren – deklariert. Durch den Flutkanal könne man im Ernstfall etwa ein Drittel des Wassers an der Stadt vorbeileiten.

Da der Rundgang an der Fußgängerbrücke auf dem Elsterplatz begann, sprach Schirmer auch über den Bereich der Kleingartenanlage „Flügelrad“. Einmal aller zwei Jahre müsse der Kanal ausgeufert werden, das betreffe genau dieses Areal. „Wir müssen dazu eine Lösung finden“, so Frank Schirmer. „Die Parzellen sind nicht mehr nutzbar“. Man werde auf die Pächter und Nutzer zugehen. Schätzungen und Gutachten lägen bereits vor, nun müssten die Entscheidungsvereinbarungen getroffen werden. „Der Rückbau der Gärten ist unverzichtbar.“

Das Profil des Flutkanals hat eine Breite von 15 Metern; das Wasser läuft trichterförmig hinein. In Richtung Norden verjüngt sich der Kanal auf zehn Meter. Die Überlaufschwelle entspreche der Sohle der Weißen Elster und ein wenig darüber.
Gewartet werde die wasserwirtschaftliche Anlage vom Freistaat Thüringen, wie Frank Schirmer auf Anfrage mitteilte.

Eine weitere Station des Rundgangs war am Neustadtring, in Höhe penny-Markt. Den weiteren Verlauf des Flutkanals erklärte der Projektleiter: Er quert die Gleise unterhalb der Tannendorfbrücke. An der Brücke selbst werde „nichts gemacht“, lediglich das Stellwerk müsse weichen. In welcher Form die Bundesstraße betroffen sei, konnte Frank Schirmer noch nicht genau sagen; bestätigte auch eine Frage, dass der Kanal in Bereiche eindringe, in denen bislang der Hochwasserschutz kein Thema war. Ob die Neustadt nun zur Insel werde, fragte eine Bürgerin. „Durchaus. Aber eine, die man trockenen Fußes durchqueren kann“, erinnerte Schirmer an das Hochwasser des Jahres 2013, in der große Teile des Stadtteils überschwemmt wurden.

Nun gelte es, mit den Grundstückseigentümern im Bereich Brunnengasse und Zentastraße zu sprechen, offene Fragen zu klären und eine gütliche Einigung zu erzielen, avisierte Frank Schirmer als eines der nächsten Ziele. Die Anlage müsse jederzeit begehbar sein, vor allem um eine Verklausung, den teilweisen oder vollständigen Verschluss infolge angeschwemmten Treibgutes oder Totholzes, zu verhindern.
Das Grundstück Brunnengasse 12, ehemalige Grosse-Villa und heute Gartenmarkt in Besitz der Familie Schmidt, stand im Interess der Fragen der Rundgangsteilnehmer. Der Flutkanal könne zwischen Verwaltung und Halle durchgeführt werden oder am Hangfuß des Tempelwaldes – dabei müsste die große Halle abgerissen werden. Auch mit Familie Schmidt seien bereits Gespräche geführt worden.
Schirmer befand, dass „genug Platz“ sei, dass das Gebäude Bruno-Bergner-Straße 19/20 (Arbeitsamt und Diakonieverein Carolinenfeld) dem Kanal nicht weichen müsse.
Hinter diesem Haus stünde die „freie Elster“ wieder zur Verfügung“, in die das Wasser eingeleitet wird. Durch den „Mitnahmeeffekt“ werde auch der Fürstlich Greizer Park „später geflutet“. Mit der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten und dem Denkmalschutz sei man ebenfalls im Gespräch.

Dass die Umsetzung dieses Flutkanals eine große Herausforderung darstellt – daran ließ Frank Schirmer keinen Zweifel. Die Hochwasserschutzmaßnahme stellt eines der größten wasserbaulichen Einzelvorhaben Thüringens dar. Auch wenn man an einer schnellen Umsetzung sehr interessiert sei, brauchen die Planungen und baulichen Realisierungen eine angemessene Zeit. In den Jahren 2017/18 soll die technische Planung erarbeitet worden sein, Mitte 2019 wird der Planfeststellungsantrag für den erforderlichen Gewässerausbau gestellt. Nach jetziger Einschätzung könne mit dem Bau des Fluters ab Mitte 2020 begonnen werden. Alle wesentlichen Maßnahmen sind aus technischer Sicht bis zum Jahr 2025 erreichbar – so der letzte Stand der Informationen.

Vor allem die Zustimmungen der von den Maßnahmen betroffenen Grundstückseigentümer bedürfen einer intensiven Betrachtung. „Mit allen wird ausführlich gesprochen“, fasste Schirmer noch einmal zusammen.

Steffen Dinkler bedankte sich abschließend für die interessanten Ausführungen. Vieles habe man beim Rundgang erfahren, zumal die visuelle Betrachtung in der Praxis viele Unklarheiten ausräumte. „Das stimmt uns optimistisch“, so der Vorstand des Neustadtvereins.

Antje-Gesine Marsch @19.05.2017