Sergej Lochthofen, Journalist und Sachbuchautor bei Prominente im Gespräch im Greizer BücherwurmSergej Lochthofen stellte im "Bücherwurm" die Lebenserinnerungen seines Vaters vor: "Schwarzes Eis" - auch ein altes Grammophon hatte er im Gepäck - natürlich mit Schellackplatten

Geschichte sollte nacherlebbar gemacht werden
GrREIZ. Man kennt ihn als Stimme des Ostens im ARD-Presseclub oder Chefredakteur, der bis zum Jahr 2009 die Thüringer Allgemeine verantwortete: Sergej Lochthofen. Als Buchautor wurde er am Donnerstagabend von Harald Seidel in der Buchhandlung Bücherwurm und etwa 120 Gästen herzlich begrüßt. Schwarzes Eis – so der Titel des vorgestellten Romans – ist die Lebensgeschichte von Lorenz Lochthofen, dem Vater von Sergej, der zwanzig Jahre in der Lagerstadt Workuta lebte, jener Insel des Archipels Gulag, auf der 250000 Menschen den Tod fanden. Workuta liegt nördlich des Polarkreises. Hunderttausende Menschen wurden ab dem Jahr 1938 dorthin deportiert, allesamt vermeintliche Gegner der stalinistischen Diktatur. Auch 45000 deutsche Zivilgefangene – unter ihnen auch Lorenz Lochthofen gehörten dazu. Einer der wenigen, die das Lager und die anschließende Verbannung überlebten. Lorenz Lochthofen war 1930 in die Sowjetunion gekommen, um dort als Bergwerksschlosser zu arbeiten. Er studierte anschließend in Moskau Journalistik und arbeitete als Redakteur bei der deutschsprachigen Zeitung „Nachrichten“. 1938 wurde er zu acht Jahren Zwangsarbeit in Workuta verurteilt
Anhand von mündlichen Berichten, Dokumenten und zahllosen Recherchen schrieb Sohn Sergej Lochthofen diesen Lebensroman, der dramatisch und ein wenig düster scheint, so der Autor. Es sei ein Sachbuch, umrahmt von einer Biografie und solle Geschichte erlebbar machen, so das Ansinnen Lochthofens. Harald Seidel verriet übrigens, er habe das Buch mit Genuss gelesen.
Sergej Lochthofen wurde 1953 in Workuta geboren und kam als Fünfjähriger mit seinen Eltern in die damalige DDR. Er besuchte eine russische Schule die deutsche Sprache habe er auf der Straße gelernt studierte auf der Krim Kunst, um dem Wehrdienst zu entgehen und Journalistik in Leipzig.
Warum er das Buch erst jetzt schreibe, werde er oft gefragt. In der DDR seien Lager in der UdSSR nicht aktuell gewesen, so Lochthofen. Das Buch schließe in den 1960-er Jahren, als der Vater als Manager einen großen Betrieb aufbaute und im Zentralkomitee der SED saß und. Zwei Quellen habe er zu Hilfe genommen: zum einen die Notizen, die er bereits als 15-Jähriger fertigte und das, was Mutter und Vater berichteten: Mein Vater war ein begnadeter Erzähler. Im Gegensatz zu den meisten, die über ihre Zeit in Workuta nie etwas aussagten. Dabei sei das Buch mit deutscher und russischer Geschichte verwoben.
Sergej Lochthofen las einige Passagen aus diesem Band vor; einen größeren Rahmen nahmen allerdings die Hintergrundinformationen ein, gewürzt mit der ein oder anderen persönlichen Note und Erinnerung. Trotz der bedrückenden Schwere des Buches verstand es Lochthofen, der Thematik auch eine gewisse Leichtigkeit abzugewinnen. So untermalte er die Lesung mit Musik von Schellackplatten, die er auf einem Grammophon der 1920er Jahre abspielte. Die Capri-Fischer von Rudi Schuricke oder Davon geht die Welt nicht unter von Zarah Leander. Eine interessante Veranstaltung, die nicht nur Geschichtliches vermittelte, sondern auch in liebenswerter Weise Einblick in die bewegende Familiengeschichte der Lochthofens gab.

Antje-Gesine Marsch @21.02.2013