Prominente im Gespräch: Wirtschaft als ThemaAls Gäste begrüßt Harald Seidel (r.) Thüringens Finanzministerin Heike Taubert und Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee.

Heike Taubert und Wolfgang Tiefensee waren zu Gast der Runde „Prominente im Gespräch“

GREIZ. Das Thema „Die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Ostthüringen“ stand im Mittelpunkt der Veranstaltung “Prominente im Gespräch”, zu der am Montagabend Harald Seidel in den “Bücherwurm” einlud. Zu Gast waren Thüringens Finanzministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Heike Taubert (SPD) und Wolfgang Tiefensee (SPD), seit 2014 Wirtschaftsminister des Freistaates.

Die Thüringer reden ungern über ihre Erfolge – so die Meinung des gebürtigen Geraers und einstigen Leipziger Oberbürgermeisters und Bundesverkehrsministers Tiefensee. Anders kann er es sich nicht erklären, weshalb die Meinung verschiedener “Institute”, das Aufbau-Ost-Geld sei “Verschwendung” und der Geldhahn müsse zugedreht werden, nicht konform mit der Realität gehe. “Erfolg wird immer am Bruttoinlandsprodukt gemessen”, so Wolfgang Tiefensee. Dabei müsse man auch das Nord-Süd-Gefälle bedenken, das ausweist: Thüringen ist stärker als Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Hessen. Als Beispiel nannte der SPD-Politiker die Anmeldung von Patenten: Sind es durchschnittlich deutschlandweit 70 pro 100.000 Einwohner, verzeichne man in Jena 260.

Schlag auf Schlag folgten nun Vorschläge und Visionen, die der Wirtschaftsminister mittelfristig umsetzen möchte. Etwa, allen Kindern unabhängig ihrer Herkunft ebenbürtige Aufstiegschancen zu ermöglichen, mehr Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern und dafür zu sorgen, dass die Pendler in Thüringen bleiben. “Wenn wir all das mit einem modernen Einwanderungsgesetz kombinieren, dürfte das Thema Fachkräftebedarf vom Tisch sein”, so Tiefensee. Unternehmensgründer “massiv” zu unterstützen, steht ebenso auf der Agenda des Politikers. Mitte 2018 werde dazu ein bislang einmaliges Konzept vorgestellt: die kooperative Wertschöpfung. “So eine Art Facebook für Unternehmer”, erklärt Tiefensee. Das bedeute, dass sich Innovative Firmen, zum Beispiel im IT-Bereich , digital mit Maschinenbauern oder Kreativfirmen zu temporären Kooperationen zusammenschließen. “Das ergibt, entlang der gesamten Wertschöpfungskette produktiver zu werden”, nennt Tiefensee das Bestreben. Kleine Thüringer Unternehmen könnten damit “die großen” durch Individualität und Flexibilität schlagen.

Die Rolle des Tourismus für das Gebiet Ostthüringen/Westsachsen hob Wolfgang Tiefensee besonders hervor. “Schritt für Schritt” müsse das Thüringer und Sächsische Vogtland mit seinen “unglaublichen Sehenswürdigkeiten” zusammenwachsen. Man dürfe “keine Kirchturmpolitik” betreiben. Selbst die Landesgrenze sei “kein Hindernis” – weder im Tourismus, noch im Handel oder der Wirtschaft. Dass der SPD-Politiker nicht am Thema Gebietsreform vorbeikommt, war den zahlreichen Gästen der Veranstaltung klar. “Die Landkreis-Verschiebung ist doch kein Weltuntergang”, beruhigte Tiefensee die Kritiker. Und: “Wer nichts verändern will, verändert sich zum Schlechten und hat nichts begriffen, ist kleinteilig aufgestellt und nicht flexibel genug für die Zukunft.” Man dürfe sich “nichts einreden” lassen. Die Zahl der Landkreise, kreisfreien Städte und Gemeinden verringere sich zwar, aber man werde in allen Bereichen eine einheitliche Struktur schaffen.

Finanzministerin Heike Taubert bescheinigte dem Landkreis Greiz, “gut aufgestellt” zu sein. Wichtig sei, mit allen Unternehmern ins Gespräch zu kommen. Zu der von Rot-Rot-Grün geplanten Verwaltungs-und Gebietsreform führte die gebürtige Reichenbacherin ins Feld, dass keine Regierung gern diese Art von Reform durchführe. Doch 23 Landkreise und kreisfreie Städte seien “einfach zuviel”. In dieser Struktur könne man in puncto Finanzen zukünftig nicht mehr bestehen. „Thüringer Städte haben in der Vergangenheit eine Vielzahl Einwohner verloren; das wird sich auch in Zukunft nicht ändern”, so Heike Taubert. Gleichzeitig müsse aber die Verwaltung die gleichen Aufgaben für immer weniger Menschen erfüllen. Dies mache die Arbeit in den Kommunen für viele Arbeitnehmer unattraktiv und ließe die Kosten für die Verwaltung steigen.

Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von der Greizer Musikschülerin Jana Hellfritzsch auf der Gitarre.

Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Antje-Gesine Marsch @23.08.2016