Stadtkirche Greiz: Gedenkveranstaltung zu NovemberpogromenDas Duo Maroni aus Erfurt umrahmte die Veranstaltung mit jiddischen Liedern.

In der Stadtkirche St. Marien Greiz fand am Donnerstagabed eine Gedenkveranstaltung zu den Novemberpogromen des Jahres 1938 statt

GREIZ. „Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen.“ Mit diesen Worten von Christa Wolf aus ihrem Buch „Kindheitsmuster“ führte Dr. Peter Gebhardt in die Gedenkveranstaltung zu den Novemberpogromen des Jahres 1938 ein.
Gemeinsam hatten die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde Greiz, der Deutsche Gewerkschaftsbund Greiz und das Bunte Bündnis in die Stadtkirche „St. Marien“ eingeladen. Auch Bürgermeister Gerd Grüner (SPD) nahm an der Veranstaltung teil.

„Der 9. November ist ein Tag, an dem viel passiert ist“, so Dr. Gebhardt. Bekannt sei er bei vielen Menschen als „Tag des Mauerfalls“ im Jahr 1989 – die Novemberpogrome des Jahres 1938 seien dabei etwas ins Hintertreffen geraten. Nach der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November hatte in ganz Deutschland die Judenverfolgung begonnen. Was damals in Greiz passierte – darüber gebe es wenige Informationen, wie Dr. Gebhardt sagte.

„Wir wollen dieser Verbrechen gedenken“, betonte auch Pfarrer Christian Colditz. Auch in Greiz seien Menschen misshandelt, Geschäfte geplündert und ausgeraubt worden. „Wir dürfen niemals vergessen, was damals passierte“, forderte der Geistliche. „Wir hoffen auf ein neues, gelingendes Miteiander; freuen uns am Staat Israel und der sich entwickelnden Gemeinschaft zwischen Juden und Deutschen.“

Am Beispiel der Greizer Familie Moritz und Irene Recher, Inhaber eines Schuhgeschäftes in der Greizer Brückenstraße 14, verlas Dr. Peter Gebhardt die Geschichte des Ehepaars, nachdem man es 1938 aus der Stadt drängte. Pfarrer i.R. Hartmut Flach hatte den Bericht am 9. November 1989 während eines Gottesdienstes in der Greizer Stadtkirche vorgetragen.

Die Greizer Geschäftsfrau Maria Trillitzsch verlas einige Erinnerungen, die sich aus Gesprächen mit Dora Weigel zusammensetzten Vermutlich war es ein Mann – dessen Liebe unerwidert blieb – der die junge Dora Weigel bei den Nationalsozialisten denunzierte. Sie wurde 1944 ins Konzentrationslager Theresienstadt verschleppt. Als sie bereits in der Gaskammer stand, befreite die Rote Armee das KZ und Dora rannte ihnen bei eisigen Temperaturen nackt entgegen. Die schweren körperlichen und psychischen Schäden sollten sie bis zum Ende ihres Lebens plagen. Sie kehrte nach Greiz zurück und verstarb hier im Jahr 1984. „Ich wünsche uns allen etwas mehr Zivilcourage“, so Maria Trillitzsch am Schluss ihrer Ausführungen.

Das Wort ergriff auch Igor Gurevych als Vertreter der Jüdischen Gemeinde Chemnitz. „All diese Greueltaten werden für immer in unserem Gedächtnis bleiben.“ Die Welt habe dazu geschwiegen, diese Last drücke sehr. Mit Erschrecken habe man festgestellt, dass die ausländerfeindliche AfD als drittstärkste Kraft in den Deutschen Bundestag einzog.

Der Bergaer Pfarrer Benjamin Martin und seine Ehefrau Elisa trugen abschließend drei Bibelverse in hebräisch und deutsch vor.

Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkfeier mit jiddischen Gesangs-und Instrumentalstücken des Duos „Maroni“ aus Erfurt.

Antje-Gesine Marsch @11.11.2017