Tonhallen-Treffen: In Erinnerungen geschwelgtDas neunte Tonhallen-Treffen: sitzend v.l. Wolfgang Braun, Bernd Müller, Frank Schneider, Karli Oettler. Stehend v.l. Reinhard Lämmer, Christian Schwarz, Axel Petermann, Waldemar Kollaschek und Gerd Kuchenreuther.

Beim Tonhallen-Treffen in der Gaststätte „Glück auf“ schwelgten gestandene Herren in Erinnerungen

GREIZ. Im letzten Jahr feierte die Stadt Reichenbach „150 Jahre Tonhalle“. Dabei kann das Gebäude in der heutigen Dr.- Wilhelm-Külz-Straße 2 auf eine mehr als wechselhafte Geschichte zurückschauen. Einst als Turnhalle gebaut, verwandelte es sich später auch in eine „Tonhalle“, die Konzerte veranstaltete, beherbergte im 1. Weltkrieg Verwundete; Propaganda-Veranstaltungen im „Deutschen Reich“ wurden hier ebenso durchgeführt, wie sozialistische Frauentagsfeiern in der DDR. Heute beherbergt das altehrwürdige Gebäude das Fitness-Studio „Injoy“. Damit schließt sich der Kreis – von der Turnhalle vor eineinhalb Jahrhunderten zu einer „Turnhalle“ zur Körperertüchtigung in der Gegenwart – neudeutsch: Fitness-Studio.

Wenn allerdings ein Dutzend gestandener Männer an „ihre“ Tonhalle denken, sind das Erinnerungen ganz anderer Art. „Jeden Samstag waren wir dort und hörten unsere Musik“, schwärmten die Herren am Freitagabend, als sie sich zu ihrem „Tonhallen-Treffen“ in der Gaststätte „Glück Auf“ versammelten.
Bereits zum neunten Mal, wie man nach intensivem Nachdenken konstatierte. Im Jahr 2008 hatte der Pohlitzer Frank Schneider die Idee, eine jährliche Zusammenkunft zu organisieren. Die meisten kommen jedes Jahr, wie Frank Schneider sagt. „Waren das noch Zeiten, als man für vier Mark ein Tablett mit zehn Bier bekam“, lachten die Männer der Jahrgänge 1947 bis 1951 und zählten die Gruppen auf, wegen denen sie sich jeden Samstag auf den Weg machten.
Da war zum Beispiel die Axel-Lorenz-Band mit Gerhard Zacher und Henry Pacholski, den beiden legendären LIFT-Musikern, die Ende der 70er Jahre auf tragische Weise ums Leben kamen. Unter dem Motto „Ein Beatle-Fan geht in jedem Falle, samstagsabend in die Halle“ zelebrierte man die Beatmusik, von der alle begeistert waren. „Eigentlich sind wir aber alle Stones-Fans“, gestand Karli Oettler.

Wenn man in der Tonhalle am „Greiz-Tisch“ Platz genommen hatte, konnte der Abend starten. Keiner wäre auf die Idee gekommen, sich an diesen Tisch zu setzen. „Doch, ich“, konterte Axel Petermann aus Plauen, dem diese „große Ehre“ zuteil wurde.
Begleitet wurden die Abende oft auch von der bangen Frage „Spielt Renft oder nicht?“, erinnern sich die Männer. Heute wissen sie, dass auch Spitzel unter den Musikbegeisterten waren.
Besonders Bernd Müller, Mitbegründer der Jazzformation „media nox“ kann davon ein Lied singen. Die jungen Musiker freuten sich nach einem Konzert, Autogramme geben zu dürfen. Dass die „Autogrammjäger“ auch gleich noch nach der Adresse fragten, fiel den Männern erst später auf. „Wir erhielten 1967 Auftritsverbot, weil wir in ‚uneinheitlicher Kleidung‘ auftraten”, wie sich Bernd Müller kopfschüttelnd an die „wilden Zeiten“ zurückerinnert.

Nachts halb 2 fiel in der Tonhalle „der Hammer“, da mussten alle den Saal verlassen. Die lustigen Heimwege von Reichenbach in Richtung Greiz – natürlich meist zu Fuß – sind ebenso noch fest in den Köpfen der Männer verankert, wie die „Abenteuer“, die sie dabei erlebten. „Bernd musste immer auf dem Geländer der Eisenbahnbrücke balancieren“, gab Wolfgang Braun zum besten. Manchmal erbarmte sich auch ein Taxifahrer, der eine Leerfahrt nach Greiz hatte, die jungen Leute mitzunehmen.

Was die Männer noch heute betonen: „Klar gab es manchmal eine Prügelei.“ Allerdings nicht im Saal, sondern draußen und mit „fairen“ Mitteln. Wenn Kurt, der Wirt, pfiff, stellte jeder Kellner sein Biertablett ab und griff ein. „Polizei brauchten wir nicht, wir regelten alles selbst“, zeigt sich Axel Petermann überzeugt.
„Es war eine schöne Zeit“, resümierten die Herren einhellig, denen auch nach neun Jahren der Gesprächsstoff nicht ausgeht. Dass einige “Ehemalige” nicht mehr in Greiz wohnen, sondern zum Treffen einen weiten Anreiseweg haben, stört sie nicht.
Im Gegenteil: Nach dem Abend planen sie schon das nächste Treffen im kommenden Jahr: Das zehnte übrigens.

Antje-Gesine Marsch @24.09.2016