Blick auf das Ernst-und-Lina-Arnold-StiftHistorische Postkarte - Blick auf das Ernst-und-Lina-Arnold-Stift um 1900.

Weihnachtsglück in der Siebenhitze – Eine Geschichte aus der heimischen Sagenwelt

GREIZ. Es war einmal – da wohnten in der Siebenhitze in Greiz ein Mann und eine Frau in einem armseligen Häuschen. Sie hatten wie viele ältere Handwebersleute wenig Geld und empfanden in dem strengen, bitterkalten Winter ihre Armut besonders schwer.
Kälte machte hungrig und eine warme Stube kostete schon damals allerlei Geld.
Das Weihnachtsfest nahte und es fehlte ihnen beides: Brot und Holz. „Mutter, sieh her, das ist unsere ganze Barschaft“, sagte der Mann, als er seine Pfennige überzählte. „Kauf ich Holz, so kann ich dafür kein Brot mehr kaufen – kauf ich Brot, so müssen wir frieren. Beides tut weh!“ „Ach“, meinte die Frau, „das Geld muss für’s Brot bleiben. Wie wär’s, du gingst noch in den Wald und würdest dort Holz zusammenlesen, indes ich das Haus in Ordnung bringe. Die Sonne steht noch hoch und Weihnachten braucht eine warme Stube; für’s bissel Geld hole ich dann Brot.“

Gesagt. Getan. Der Mann machte sich auf, ging den Leonhardtsberg hinunter in den „Roth“ wo er nahe dem Pulverturm allerlei schönes Leseholz fand, von dem seine Hoche bald schwer und voll wurde. Als es zu dunkeln begann, machte er sich schwer beladen auf den Heimweg. Er plagte sich den Leonhardtsberg hinauf, aber beim Feldhaus des Schmidts Hans musste er anhalten und sich eine Weile niedersetzen.

Er freute sich im Stillen über das schöne, aufgesammelte Holz und meinte: „Na, Muttern wird Augen machen, wenn ich so eine schwere Last heimbringe. Nun, das soll ihr Weihnachtsgeschenk von mir sein.“
In dem Gefühl, als rechtschaffener Mann ein gutes Werk getan zu haben, blickte er gedankenvoll in den klaren Winterhimmel, von dem hell die Sterne funkelten.
Doch was war das? In weiter Ferne, hoch in den Lüften glaubte er ein sanftes Singen zu vernehmen, wie er es sein Lebtag noch nie gehört hatte.

Eine innere Ruhe erfüllte ihn und als er andächtig seine Mütze abnahm, schwoll der Gesang immer stärker an und zog wie in rauschenden Akkorden hoch über ihn von Norden nach Süden vorüber.
Bewegt stand er auf und da war ihm, als legte sich von hinten sanft eine zarte Hand auf seine Schulter, so dass seinen ganzen Körper ein wohliges Gefühl durchrieselte und ihm neue Kraft zum Weitertragen seiner Bürde gab.
Ja, sie wurde ihm beim Nachhausetragen nun so leicht, als habe sie ihm ein anderer mitgeschleppt.

Als er so froh in die Stube trat, zeigte seine Frau ein Feiertagsgesicht und rief ihm fröhlich entgegen: „Sieh nur, Mann, dies hier“ – und dabei zeigte sie auf den Tisch – „hat uns soeben Fleischer Mittenzwei aus dem Haus gebracht. Es sind gewiss drei Pfund gutes Fleisch. Und die beiden Taler daneben hat er auch dazugelegt, für Brot und Kartoffeln zum Fest. Still hat er gelächelt und ist rasch davon gegangen, als ich ihn fragen wollte, wie das komme.
Nicht einmal richtig bedanken konnte ich mich für all das hier. Weißt Du vielleicht, wie das zusammenhängt?“ „Woher soll ich’s wissen?“, meinte da der Mann und lud seine Holzbürde ab.
„Man hat’s gut mit uns armen Leuten gemeint. Geh‘, hol‘ das Brot, während ich die Stube war mache und dann lass uns froh die Feiertag begehen.
Dabei will ich Dir erzählen, wovon mir noch jetzt die Töne in den Ohren klingen und klingen werden mein Leben lang..“

Antje-Gesine Marsch, nach einer Sage von Franz Weidmann @18.12.2016